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Tja, da sitze ich wieder und schreibe, wie im Zeitraffer scheinen die letzten Wochen rückblickend vergangen zu sein, der Alltag im Home Office für mich zwar ohnehin gängige Praxis und daher keine wirkliche Umstellung. Die Tatsache allerdings, dass Madame diese neuzeitliche Arbeitnehmer-Option nun plötzlich auch in Anspruch nehmen konnte ließ "bedrohliche" Corona-Kollateralschäden wie den Klopapier-Mangel im Vergleich als nichtige Luxusprobleme erscheinen; wohl dem also, der über ein Arbeitszimmer mit einer gut funktionierenden Einrichtung namens „Türe“ verfügt.
Das ist natürlich etwas übertrieben, eine gewisse Entschleunigung setzte auch bei uns ein und so gerieten das tägliche Kochen bzw. Backen – ich hatte zeitweise den Eindruck, die Nachbarn hätten sich tagelang mühelos ausschließlich von Madames Kuchen-Spenden ernähren können – noch etwas weiter nach oben im Prioritäten-Kanon der täglichen Verrichtungen.
Und das, obwohl ich in Sachen #supportyourlocalrestaurant wirklich ambitioniert war und bin, natürlich wurde gelegentlich bestellt und abgeholt, der Grieche um die Ecke freute sich genauso wie kürzlich die beiden tapferen Helden von Jordans Genusstruck, die mit wirklich verlockenden Wochenkarten aufwarten.
Aber es stellte sich in dieser Krise wieder einmal heraus, das Solingen in Sachen ambitionierter Gastronomie Brachland ist, neidisch schielte ich nach Hannover und Köln, wo Thomas aus einem scheinbar unerschöpflichen Füllhorn ansprechender Take-Away Menüs schöpfen konnte.
Um es kurz zu machen, wir hätten zwar jeden Tag die Klassiker des Bringdienst Business ordern oder die ein oder andere sonst nicht liefernde Balkan-Gastro mit Fleischbergmitpommesundajvar-Bestellungen beglücken können etc. etc. aber das ist nicht das, was man jeden Tag machen möchte.
So erschien der heimische Herd als Quell von kulinarischer Vorfreude und Spaß an der Zubereitung doch meist als die bessere Option, was ich rückblickend auch keineswegs bereue.
Und doch gab es viele Momente in denen bspw. mittags Zeit und Muße für ein nettes kleines Essen gewesen wäre und die somit mit Blick auf die geschlossene Gastronomie etwas frustrierend waren - und sie sollten sich zusehends mehren.
Die Ankündigung der bedingten Wiederöffnung von Restaurants freute mich daher sehr, für die Gastronomen aber auch ganz egoistisch für mich als Genussmenschen, interessiert schaute ich nach der ein oder anderen Lieblingslokation; wer macht wann und wie wieder auf?
Selbst die Tatsache, dass ich mich für diese Recherche wiederholt auf Facebook begeben musste schreckte nicht ab, zugegeben macht es natürlich Sinn, den digitalen Kommunikationskanal mit der größten Reichweite zu nutzen.
Das Pasta Fresca Russo pflegt hier wie zu erwarten einen sympathischen Auftritt und kann sich einer treuen Fangemeinde erfreuen, wie ich anhand der Reaktion auf gelegentliche Updates feststellen konnte.
So wurde auch die dortige Ankündigung, am gestrigen Mittwoch wieder öffnen zu wollen freudig geteilt und mit virtuellen Herzchen beworfen, ich argwöhnte für diesen Tag einen wahren Ansturm.
Aber Fragen kostet schließlich nichts, mein am Dienstag über den FB Messenger vorsichtig vorgetragenes Anliegen, am Folgetag doch mittags einen Tisch im Hinterhof reservieren zu wollen wurde prompt freundlichst beantwortet: „Sehr gerne, kein Problem, wir freuen uns!“.
Molto bene - und ich erst…. :-)
| Back in little Sicily |
Ein entspannter Urlaubstag nahm seinen Lauf, nicht ganz so sonnig wie tags zuvor oder gar heute am Feiertag, dennoch herrschten milde Temperaturen die ein Essen auf der Terrazza problemlos möglich machen würden.
Das Parken am Restaurant ist in diesem Bereich der Weyerstraße eigentlich nie ein Problem gewesen und auch diesmal konnten wir das Vehikel unmittelbar gegenüber abstellen, beim Eintreten kamen uns zwei maskenbewehrte Gäste entgegen und auch wir legten brav Karl Lauterbachs liebstes Accessoire an.
Mein Spiegelbild in der gläsernen Eintrittstür erinnerte mich erneut an einen drittklassigen Statisten in einer viertklassigen Nachmittags-Arztserie – Arbeitstitel „Die dicken Ärzte – Heißhunger im Schockraum“ – und ich beruhigte mich damit, das ungewohnte, für Brillenträger nochmals extra sperrige Utensil am Tisch wieder abnehmen zu dürfen.
Auf einem kleinen Stehtisch am Eingang stand Handdesinfektionsmittel bereit, ein kleines Schild bat um verpflichtende Benutzung dessen beim Eintreten, ebenso um Einhaltung von Abstand und dem Tragen der Maske sofern man nicht am Tisch sitzt.
Signora Russo eilte aus der Küche und begrüßte uns ebenfalls maskiert aufs herzlichste, der Gedanke, das sie und viele andere ihre Maske täglich weitaus länger tragen müssen als unsereins ließ mein eigenes Jammern über das gelegentliche Tragen einer solchen als das erscheinen, was es ist: Mimimi in Vollendung.
Die gepflegte Anti-Pasti-Theke im oberen Bereich, die u.a. auch dem Außerhaus-Verkauf dient machte wie eh und je Appetit, es sollte sich herausstellen, dass wir bei unserer Ankunft gegen 13:45 die letzten Gäste sein würden und wir fanden den Tisch unserer Wahl im Palermo-VR-Hinterhof mit passender, dezenter Radio italiana Beschallung.
Es ist nach wie vor erstaunlich, wie sehr die baulichen Umstände den Straßenlärm abschotten, auch wenn man sich anstrengt: außer bella musica und ein wenig Vogelgezwitscher ist meist nichts zu vernehmen, es ist einfach tiefenentspannend.
Auch weil ich diesen leicht morbiden Charme dieses Hofes liebe, dieses optisch Unperfekte, das trotzdem mit Liebe zum Detail durchsetzt ist, für mich auch ein wenig sinnbildliche Quintessenz der sizilianischen Küche, wie sie hier gepflegt wird.
Die Tische waren nun weiter auseinander gestellt als vormals und damit reduziert, Signora Russo desinfizierte akribisch den mutmaßlichen Tisch der just entschwundenen Gäste während wir etwas plauderten und parallel unsere Auswahl trafen. Die Standardkarte stand komplett zur Verfügung, allerdings momentan noch nicht ganz so zahlreich durch Specials ergänzt wie in der Vergangenheit, das spielt sich sicher in nächster Zeit wieder ein.
Auch der nicht minder sympathische Gatte und leidenschaftliche Koch Pietro Russo ließ sich kurz blicken und warf uns ein freudiges „Hallo!“ entgegen; schön, dass es beiden gut geht.
Ich zeigte mich erstaunt darüber, dass es nach den euphorischen Facebook Reaktionen so leer sei und erhielt die beruhigende Antwort, dass einerseits schon Gäste da waren aber an diesem Abend und am Feiertag schon kein Tisch mehr zu bekommen sei – prima!
Parallel zu den Karten erhielten wir auch ein Klemmbrett mit den Dehoga Formularen zwecks Infektionsrückverfolgung, Frau Russo entschuldigte sich für diese Formalität, es war ihr sichtlich unangenehm.
Das mochte ich so nicht stehen lassen, ich erklärte mit leiser Vehemenz wie froh wir seien, dass wir überhaupt wieder die Gelegenheit haben, hier essen zu können und wir diese Formalität sehr gerne auf uns nehmen.
Sie freute sich und dankte, „Einige sorgen sich wegen Datenschutz…“ sagte sie mit leicht gesenktem Blick. Das einige dieser besonders „besorgten Gäste“ wahrscheinlich täglich mit einem Apple Handy unter ihrem Echtnamen auf Facebook rumturnen und die erfragten Daten „Name und Telefonnummer“ auch bei einer telefonischen Reservierung von Belang wären, verstand sie mit Blick auf die Sorge einzelner auch nicht wirklich.
Die Qual der Wahl fiel heute relativ leicht, ich verzichtete bewusst auf Pasta und beschied mich mit zwei Vorspeisen, Madame kennt die Russo‘schen Portionen auch mittlerweile und machte es umgekehrt.
Kurz vor dem obligatorischen kleinen Gruß kamen die herrlich temperierten Getränke und man kann die unglaublich fairen Getränkepreise – zu den Flaschenweinen hatte ich mich ja in meiner ersten Kritik bereits geäußert – nicht oft genug loben:
Ob die Flasche San Pellegrino 0,75l zu 4,20€, das Glas Pinot Grigio 0,2l zu 3,50€ oder die Vio Bio Schorle 0,3l zu 2,90€: aus finanziellen Gründen wird hier wohl kaum jemand durstig den Tisch verlassen.
Ein gutes Öl mit einem Tropfen eines sirupartigen, intensiven Balsamicos, dazu leicht pikant eingelegte, bereits entkernte Oliven, dazu frisches, aromatisches Brot süditalienischer Machart – es tat gut nach all der Zeit, freundlich Essen serviert zu bekommen, auch wenn oder gerade weil es so simpel vom Teller strahlte.
Zufrieden knabberten wir vor uns hin, lauschten dem temperamentvollen Radiomoderator und genossen den Moment als wenig später meine beiden Auswahlen auf den Tisch kamen.
Tris di mare – 10,50€
Die kleine Fischvorspeise, für dich ich generell eine Schwäche habe, war mir noch vom letzten Besuch in bester Erinnerung geblieben und ich freute mich darüber, diese auf Nachfrage auch erhalten zu können, weil sie nicht zum Standardrepertoire gehört.
Mittig hausgebeizter Thunfisch und Lachs in dünnen Tranchen, links eine beherzt gewürzte, perfekt gegarte Garnele auf einem angerösteten Knoblauch-Brot, rechts Frutti di mare de la casa. Das ganze appetitlich rustikal auf den Teller gebracht, der halbierten Kirschtomate messe ich hierbei rein dekorativen Nutzen bei.
Es zeigt sich wie konstant man hier arbeitet, geschmacklich unterschied das Gericht sich nur in Nuancen von der Version im Dezember.
Es sind die guten Zutaten und das fassbare wie spürbare Handwerk das mich an dieser Küche so begeistert, das Knoblauchbrot wurde nach dem Rösten mit Knoblauch abgerieben und versteht sich so gut mit der Garnele, dass es viel Sinn macht, diese auf dem Brot zu servieren.
Die Beize vom Lachs spürbar dezenter als die des Thunfischs - bei beiden Koriander und Dill mit im Spiel mit der obligatorischen leichten Süße - dennoch auch bei letzterem nicht dominierend sondern den Eigenschmack hebend umschmeichelnd.
Diese Süße konterten dann die herrlich säuerlichen Frutti di Mare, der Sud schmeckte mir derart gut, dass ich mehrfach Brot hineintunkte und auf diese Weise nichts verkommen ließ, ein eher seltener Anblick.
Dazu schmeckte ein solider Pinot Grigio mit seinen typischen Apfel-Zitrone Anklängen sehr gut, auch wenn ich mir einen Hauch weniger Restzucker und ein erfrischenderes Säuregerüst gewünscht hätte – aber als offener Wein so natürlich massenkompatibler und der Wein war weit entfernt von halbtrocken.
Antpasti misto klein – 6,50€
Ich war gespannt auf die Antipasti, weil ich italienische Vorspeisenteller vergöttere und diese hier noch nie verkostet hatte.
Auf Nachfrage erfuhr ich schon bei der Bestellung, dass es sich um eine rein vegetarische Auswahl mit den üblichen Verdächtigen aus der Abteilung Verdure handeln würde, was ich etwas schade fand, ich hätte mich in Kombination mit dem Fisch gerne an etwas Prosciutto, Formaggio & Co. ergötzt.
Die Auswahl bestand aus gegrillter Zucchini und Aubergine, beide auch als „Impanade“ Variante im tiefen Fett ausgebacken, milde Paprika ebenfalls im Panademantel sowie eine Peperonata in sizilianischer Machart. Nicht zu vergessen gegrillte, marinierte Champignons und eine mit einem herzhaften Kapern-Sugo bestrichen gebackene Auberginen-Scheibe die hernach mit jungem Pecorino gekrönt wurde.
Teilweise wurden die Komponenten vorgewärmt was ihnen geschmacklich gut tat, die italienische Küchentradition, die Zutaten strahlen zu lassen und eher dezent zu würzen wurde auch hier gelebt, so lasse selbst ich mir die ansonsten eher leidlich geschätzten Auberginen und Zucchini schmecken.
Die sizilianische Peperonata hatte ich so noch nie gegessen, sie hatte überhaupt nichts sauciges obwohl die rustikalen Stücke von Aubergine, Paprika und Karotte (eine sizilianische Sache, jede Region macht es anders, wie so oft in Italien…) schon von einer herzhaften Sauce umschmeichelt waren und sie somit nicht im Ansatz trocken war.
Ich fand dies recht gelungen, muss aber gestehen, dass es gegen die Peperonata-Variante, die ich im letzten Mai im Veneto verkosten durfte etwas abfiel, die war aber zu köstlich, wer Lust hat kann dies hier nachlesen und vor allem -schauen, das Restaurant in den Weinbergen war einfach nicht von dieser Welt:
https://www.instagram.com/p/BxXFqqZlmrV/
Wesentlich irdischer ging es derweil auf der anderen Seite des Tisches, zu man brachte Madame ihre
Lasagne Bolognese – 7,50€
Ein amtliches Brikett, ganze sechs Schichten konnte man zählen, hier und da quoll großzügig bemessener aber mitnichten überdosierter Käse hervor; Garfield wäre gestorben vor Sehnsucht.
Ansprechend empfand ich auch die Tatsache, dass man sie nicht in der üblichen, hellroten, brodelnden Bechamel Pampsauce servierte sondern solo, mit dem herrlichen hausgemachten Ragù übergossen, das ich ja in meiner Erstkritik so inbrünstig besungen hatte.
Ich probierte einen ordentlichen Bissen und ja, was soll bei so einem Gericht bei einem auf Pasta spezialisierten Lokal, das mit Liebe und Leidenschaft kocht schon schief gehen?
Wie zu erwarten fast nichts, meine ständige Begleitung war hochzufrieden, kapitulierte jedoch vor den letzten Happen, was ich ihr nicht verdenken konnte angesichts des üppigen Klumpens italophiler Cheesy-Meaty-Goodness.
Das einzige, und das ist eine rein persönliche Angelegenheit in Sachen frischer Pasta, was man vielleicht bemängeln könnte ist, das ein Hauch mehr Biss den Nudelplatten vielleicht besser gestanden hätten, breiig oder pampig war das Ganze jedoch nicht im Ansatz.
Als die einzigen Gäste konnten wir uns natürlich über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen, die Zufriedenheit wurde mehrfach erfragt, die Gläser immer im Auge behalten, ohne jedoch aufdringlich zu sein, ein stetes, herzliches Umsorgen wie ich es von allen Besuchen kannte .
Da ich einen angebotenen Espresso dankend ablehnte, bestand man darauf, uns zumindest einen hausgemachten Limoncello ausgeben zu dürfen, der in hübschen, gefrosteten Gläschen serviert wurde.
Ein herrlich erfrischender Ausklang, den selbst meine ansonsten höchstens an Silvester ein Glas Schaumwein trinkende Begleitung nicht ausschlug und den Geschmack des leuchtend gelben Klischee Digestifs in höchsten Tönen lobte.
Aber man merkte an „da sei aber viel Alkohol drinnen, der Hals brenne richtig“ – besorgniserregend: bei mir brannte nichts, nicht einmal wohlige Wärme war zu spüren, die letzten Wochen im Promille-Trainingslager haben anscheinend ihre Wirkung nicht verfehlt. :-)
Die Bezahlung konnte wie immer im vorderen Raum mit der Theke erledigt werden, spontan nahmen wir noch ein paar Leckereien für das Abendessen mit, ergänzt mit ein wenig separat eingekauftem Käse, Schinken und Trüffelsalami, kulinarisch stand der Tag eindeutig unter der italienischen Flagge.
Fazit
Mein klassisches fünfteiliges Fazit spare ich mir heute, der Text aus dem Sommer 2019 hat hier noch deckungsgleiche Gültigkeit. Wer hier zu diesen Preisen die Nadel im Heuhaufen sucht ist selber schuld, einen halben Punkt ziehe ich für die Antipasti ab, weil ich mir hier etwas mehr Optionen (vegetarische Variante vs. non-veggie) gewünscht hätte und es somit etwas einseitig geriet, aber das ist es auch schon.
Es war vielmehr wieder ein erquickender kleiner Kurzurlaub und damit erklären sich auch abermals meine 5 Sterne für das Ambiente, die gibt es bei mir auch abseits von Prunk und formvollendetem Ambiente in klassischem Sinne.
Ich bin froh, dieses kleine, liebenswürdige Restaurant im letzten Jahr - leider viel zu spät - entdeckt zu haben und freue mich schon jetzt auf den nächsten Besuch.