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Die Trennlinie zwischen den beiden Gruppen geht mitten durch unsere Familie: Meine Frau muss brechen, wenn sie aus Versehen ein Blättchen in den Mund bekommt, ich kann mir ein Leben ohne nicht vorstellen. Ok, vorstellen schon, aber frei nach VvB nur sinnlos. Deswegen habe ich es ihr hoch angerechnet, dass sie sich bereit erklärt hat, heute mit mir diesen Weg zu gehen, in das neueste Restaurant am Ort.
Das schmucke Haus am Rathausplatz 1 schien jahrelang unter einem Fluch zu stehen. Als wir vor etwa 10 Jahren zuzogen, waren an den Fenstern noch die Farben zu sehen, die untrüglich und manchmal etwas aufdringlich auf ein Ristorante hinweisen. Drinnen war aber alles öd und leer. Nach einiger Zeit wurde das Innere des Hauses aufwendig modernisiert, um Raum und Ambiente zu schaffen für ein schickes spanisches Restaurant mit dem Namen „La Plaza“, mit einem angegliederten Laden für spanischen Wein und andere exklusive Spezereien. Das Restaurant erstreckte sich über zwei Etagen und war mit seinen etwa 80 Plätzen für unser Städtchen wohl ein wenig groß geraten. Jedenfalls führte die Last der Pacht, die ja die Pracht der Modernisierung mittragen musste, und die magere Auslastung dazu, dass es die Pächterin nach etwa zwei Jahren zurück in ihre spanische Heimat zog. An uns hatte es nicht gelegen.
Der nächste Pächter strich das „La“ aus dem Namen und betrieb das „Plaza“ als Mekka für Fleischliebhaber, mit edlen Burgern und noch edleren Chateaubriands, für die man richtig Geld mitbringen musste. In den Ladenteil sollte eine Eisdiele, die aber nie Wirklichkeit wurde. Auch hier fühlen wir uns unschuldig, dass dieses Projekt in die Binsen ging. Wir beobachteten das mit großem Bedauern.
Danach war man wenigstens so schlau, die Räumlichkeiten zu teilen. Mit der Landesgartenschau 2017 siedelte sich nämlich im Ladenbereich ein Handtaschendiscounter an, ein Geschäftsmodell, dem in unserem beschaulichen Örtchen leider eine über die Gartenschau hinausreichende Grundlage fehlte. Es folgte ein Reisebüro, das zum Glück heute noch lebt. (Auch hier könnte man sich fragen, ob das noch sinnvoll ist in einer Zeit, wo jeder seine Reisen selber von zu Hause bucht. Aber es tut eben doch nicht jeder, und gerade die Herrenalber Demografie wirft eine beträchtliche Zahl von Kunden aus, die WWW eher mit warmen Wadenwickeln und weichen Wollwesten assoziieren. So ist auch das Büro im Internet nicht zu finden, jedenfalls nicht unter seiner jetzigen Adresse. So ganz offline werden sie aber vermutlich nicht operieren.)
Nun hat im August, nach dreijährigem Leerstand, das Cilantro aufgemacht, ein, man höre und staune, chilenisches Restaurant, das nicht zufälligerweise genauso heißt wie ein Namensvetter in der Karlsruher Markgrafenstraße. Pächterin ist nämlich die Tochter, eine äußerst freundliche und auch auskunftsfreudige Dame.
Das Konzept ist auch ein bisschen ähnlich, indem auf eine Speisekarte verzichtet wird und stattdessen jeden Tag ein paar Gerichte angeboten werden, auf die der Koch gerade Lust hat.
Daneben gibt es im hiesigen Cilantro noch eine kurze und nicht sonderlich aufregende Tapaskarte.
Von der bestellten wir uns als Vorspeise die ebenso kleinen wie sparsam abgezählten Gambas (7,20 €)
und die ebenfalls in recht bescheidener Menge auftretende Chorizo (6,50 €).
Chilenisch am Restaurant ist außer der Pächterin nicht so viel. Zu nennen wäre einmal der Pisco sour (7,00 €), der zimtige Cousin des Caipirinha, der uns so gut mundete, dass wir ihn noch mal nachbestellen mussten.
Dann das Pebre, die chilenische Version der Salsa, das mit dem (sehr deutschen) Brot auf den Tisch kam, und das als einziges Gericht Koriander enthielt und mir deshalb zur Gänze zufiel.
Das Tagesgericht, eine Hähnchenkeule aus dem Ofen mit schön eingeöltem mediterranen (!) Gemüse und lauwarmen, mit hausgemachter Mayonnaise angemachten Kartoffeln (12,40 €), soll es auch in Chile geben, dort aber in einer etwas pikanteren Version, die man dem Herrenalber Publikum so besser nicht vorsetzt. Das muss das ernüchternde Feedback in der ersten Zeit nach der Eröffnung gewesen sein. Uns wurde leider erst hinterher von der Chefin versichert, dass man bei der Bestellung anmelden kann, dass man keine Schonkost möchte. Denn auch die Tapas waren, ich muss es leider so sagen, ein wenig langweilig. (Dass fremdländische Gerichte ihrer Charakteristika beraubt werden, ist uns in Bad Herrenalb nicht zum ersten Mal begegnet, wie man in meinem Bericht zum Café Schubert nachlesen kann.)
Zum Abschluss teilten wir uns noch ein hausgemachtes, schön cremiges Zitronensorbet, das wir als den Höhepunkt unseres Essens empfunden hatten, auch wegen der gelungenen Kombination mit den darübergegebenen Preiselbeeren (4,00 €)
Ich brauche wohl nicht mehr zu erwähnen, dass die Preise für das Gebotene recht stattlich sind. Man kann außerdem nur bar zahlen, und dass man dann nur ein Notizzettelchen als Beleg bekommt, sollte am 1. Januar dringendst geändert werden.
Die Website gehört ebenfalls überarbeitet und könnte dann auch Auskunft darüber geben, was es am jeweiligen Tag zu essen gibt. Wenn man schon keine Auswahl hat, dann möchte man ja nur hin, wenn einem das, was auf den Tisch kommt, auch zusagt. Es gibt noch eine Facebookseite, die aber auch nicht mehr verrät.
Wir würden uns wirklich wünschen, dass am bestgelegenen Standort der Stadt wieder ein gutes Restaurant Fuß fasst, befürchten aber, dass das mit diesem Konzept und diesen Preisen nicht leicht wird. Trotzdem „¡buena suerte!“