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„Wenn Sie vom Flug... vom... vom Hauptbahnhof starten - Sie steigen in den Hauptbahnhof ein, Sie fahren mit dem Transrapid in zehn Minuten an den Flughafen in... an den Flughafen Franz Josef Strauß...“ waren seine Worte und sie belustigen noch heute.
In Anbetracht dieser innerbayrischen Kurzstrecke sind 60 Sekunden nach Neapel natürlich ein ganz anderes Versprechen. Und natürlich auch ganz anders gemeint. Aber die damalige Rede vom Ede, der minutenlang irgendetwas daher schwafelte, wo von er nicht die Bohne einer Ahnung hatte, lässt sich mit den neapolitanischen Teigfladen dieses zu schnell gewachsenen bzw. immer noch wachsenden Pizza-Start-Ups „60 Seconds to Napoli“ in gewisser Weise vergleichen.
Gewollt und nicht gekonnt – so lautete unser ernüchterndes Resümee bei unserem ersten und wohl auch letzten Besuch der Karlsruher Filiale in der Karlstraße, der sich an einem Sonntagnachmittag Ende Januar ereignete.
Zu dritt waren wir an jenem wintermilden Tag mit den Öffentlichen in Richtung Fächerstadt aufgebrochen, um uns im Karlsruher Oberwald ein wenig die Beine zu vertreten. Frische Luft macht bekanntlich hungrig und so suchte ich im Netz nach einer am Sonntagnachmittag geöffneten Einkehrmöglichkeit.
Auf eine fluffige „Neapolitanische“ hatte auch meine Gattin Lust und so tuckerten wir nach erfolgreicher Reservierung per Telefon mit der Straßenbahn in die City – genauer gesagt zur Ecke Karlstraße/Akademiestraße, wo früher das „Vapiano“ sein systemgastronomisches Pasta-Dasein fristete.
Doch dessen Frist ist mittlerweile abgelaufen. Seit Oktober letzten Jahres geht es im Parterre des ehemaligen Bankhauses Veit Löw Homburger – die Familie Homburger zählte zu den ältesten jüdischen Familien in Karlsruhe – deutlich eleganter zu. Der Ersteindruck war jedenfalls kein schlechter.
Ganz im Gegenteil. „Make the guest room chic again!“ – so oder so ähnlich lautete wohl der Auftrag an den Innenarchitekten, der diesem mit bequemen Sitzecken, raumtrennenden Säulen, Fußboden in Holzoptik, indirekter Wandbeleuchtung und jeder Menge unförmiger Designer-Hängeleuchten (angeblich Lava-Pendelleuchten…), welche die auf den ersten Blick sehr gediegen wirkende Szenerie in angenehmem Licht erstrahlen ließen, auch tatsächlich nachkam.
Nun, der Laden war keinesfalls komplett ausgelastet. Aber dennoch nahm zunächst niemand so recht Notiz von uns. Irgendwann kam dann einer der im weiten Saal verstreuten Servicemitarbeiter und lotste uns zu einem Tisch, der noch die Essensspuren seiner Vorgänger trug. Ging ja gut los…
Krümelbeseitigen gehörte scheinbar nicht zu den primären Aufgaben der Aushilfskraft, die an diesem Mittag – zumindest uns gegenüber – recht wenig Motivation zeigte. Das mag in Bremen – ach ja, die „guten Ansätze“… – wohl etwas anders gelaufen sein.
Die Maracujaschorle (0,4l für 4,90 Euro) für die Kleine kam natürlich nicht – wie extra bestellt – dünn gemischt ins Glas, sondern mit voller Zuckerdröhnung. Dafür „sparkelte“ ein kühles Acqua Morelli Mineralwasser (0,75l für 6,90 Euro) ganz „frizzante“ aus der hübschen blauen Glasflasche.
Nach Durchsicht der gedruckten Speisenliste, die wie Messer, Gabel und Servietten im hölzernen Besteckkasten steckte, entschieden wir uns für die teiggewordene Reise an den Pizza-Vesuv. Meine Frau konnte sich für die Margherita di Bufalina (15 Euro) begeistern, während ich mir von der Pizza „Meatballs from Hell“ (stolze 18 Euro) den Vorhof zur Karnivorenhölle versprach.
Es dauerte etwas länger als 60 Sekunden, aber nicht wirklich lang. Wir staunten nicht schlecht als uns die beiden aufgeplusterten Rundlinge serviert wurden. Unsere Napoli-Pizzen bestanden nämlich vornehmlich aus fluffigem Rand mit spärlicher „Leopardierung“.
Ich zählte bei meiner als „scharf“ deklarierten „Randerscheinung“ stolze fünf Hackbällchen, die von in Scheiben geschnittenen, mäßig scharfen Jalapenos, ein paar Klecksen N’duja sowie etwas Chili-Sauce komplettiert wurden.
So richtig scharf geriet die teiggewordene Fleischballhölle dann aber doch nicht. Gut, der dem Knusper nicht unbedingt zugeneigte Weichbodenfreund hätte sich am hoch aufgegangenen Knautschrand sicher erfreut. Mir war das jedoch schlichtweg zu viel des „Hefeteigigen“. Da kann ich mir ja gleich eine Portion Langos bestellen.
Zumal auch die heilige Tomatensauce aus Marzahn („San Marzano DOP“) den dünnen Boden ruckzuck aufgeweicht hatte und das Innere des 60-Sekunden-Produkts sukzessive in einen matschigen See aus geschmolzenem Fior de Latte, fettiger N’duja und der Tomatengrundierung verwandelte. Hard to handle – ohne sich komplett damit einzusauen.
Auch meine Gattin war von ihrem Hefeteigerzeugnis sichtlich enttäuscht. Schon beim Anblick ihrer „Margherita“, auf deren tomatisiertem Büffelmozzarella-See zwei einsame Basilikumblätter „trieben“, ahnte sie nichts Gutes. Der auf der Karte erwähnte 24 Monate gereifte Parmigiano Reggiano DOP fehlte komplett. Er hätte dem lahmen Fladen geschmacklich sicher gutgetan. Auch hier regierte maßgeblich der randgewordene Blähteig. Das Innere suppte derweil in den italienischen Nationalfarben vor sich hin.
Sicher hätte da eine Flasche Blaufränkisch von Claus Preisinger von der überraschend abwechslungsreichen Weinkarte Abhilfe geschaffen. Aber zum „Schönsaufen“ war leider keine Zeit mehr, denn unsere Pizzen hatten sich da bereits in erkaltete Teigkissen verwandelt. Außerdem mussten wir ja noch mit der S5 über den Rhein zurück nach Wörth und das Töchterchen zeigte erste Ermüdungserscheinungen.
Der Bremer Gastroweise sprach „beißgehemmt“ (komisch, so kenne ich ihn gar nicht…) von guten Ansätzen. Die waren hier sicherlich vorhanden (ordentliche Produktqualität, stilvolles Ambiente, genügend Platz zwischen den Tischen), wurden aber von unprofessionell auftretenden Aushilfen im Keim erstickt. Wenn man selbst keine Ahnung von den Pizzabelägen hat, sollte man vielleicht jemanden fragen, der einem da weiterhilft. Sonst fühlen sich Gäste schnell veralbert.
Und nicht nur für die Freunde des ehemaligen bayrischen Ministerpräsidenten ziehe ich als Fazit: Lieber in 10 Minuten im Transrapid zum Münchner Flughafen als in 60 Sekunden zu überteuerter neapolitanischer Pizza aus dem knapp 500°C heißen Kuppelofen.
Habe fertig…