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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat The Bird Rooftop in 39104 Magdeburg bewertet.
vor 10 Stunden
"The Bird has landed!"

Geschrieben am 10.09.2025 | Aktualisiert am 10.09.2025
Besucht am 13.08.2025 Besuchszeit: Abendessen 1 Personen Rechnungsbetrag: 233 EUR
Und das wahrlich ohne Bruchlandung, dafür mit einigen Loopings. Was mich besonders freut, denn das sehr gut eingeführte Fine-Dining Restaurant Highkitchen quasi aus dem laufenden Betrieb für mehrere Monate (geplant waren drei, es wurden sechs) zu schließen und konzeptionell wie baulich komplett in eine Mischung aus modernem Breakfast-Club, elegantem Bistro mit anspruchsvoller französisch-asiatischer Küche und cooler Rooftop-Bar zu verwandeln, musste dich erstmal trauen. Auch finanziell.

Als ich am heißesten Tag des Jahres in der 8. Etage aus dem Fahrstuhl direkt ins Restaurant kam, begrüßte mich Inhaber Danny Mette in T-Shirt und Flip-Flops bestens gelaunt mit den Worten: „Hab schon gewartet, wann du kommst!“ und grinste breit. Konnte er auch, denn knapp 30 Minuten nach der Abendöffnung war der Laden auf einem Mittwoch komplett ausreserviert. Auch meine Frage, ob es eine Stunde später besser wäre, musste er verneinen. Ich schaute wohl sehr enttäuscht, denn wie von (Stammgäste-)Zauberhand fand sich doch noch ein Tisch mit Blick auf den Dom…

Ein alkoholfreier Sakura Sprizz sollte mich eigentlich nur etwas abkühlen, zeigte aber gleich, dass hier über alle „Gewerke“ erstklassig gearbeitet wird: Ausgewogen zwischen Zitrone und Kirschblüte gemixt, professionell präsentiert und die Kräuter, besonders Thymian, sinnvoll eingesetzt: Sie müssen bei Zero-Cocktails die Bitterkeit des Alkohols „ersetzen“. 

Apropos professionell: Endlich wird über den Dächern von Magdeburg eine Weinkarte angeboten, die klein sein mag, aber erstmals auch Qualitäten für den „großen“ Anlass und die entsprechende Börse bereithält. Der lag heute nicht vor und so liebäugelte ich lange mit einem Morillon Muschelkalk von Tement. Aber irgendwie „schrie“ die Stimmung - endlich Sonne, gut gelauntes Team, groovige Beats in Endlosschleife - nach Champagner. Was für ein Glück, dass die biodynamisch erzeugte Flaschengärung von Jeaunaux-Robin nicht nur am unteren Ende der Preisskala stand, sondern mit seinem hohen Pinot-Meunier-Anteil und mäßiger Dosage (extra brut) genau meinen Geschmack traf.

Während Chef Mette sich ausschließlich auf seine Gastgeber-Rolle konzentrierte, agierte der Service zweigeteilt: Mehrere junge Damen erledigten ihre Rolle als „Runner“ routiniert und freundlich, mich begrüßte am Tisch ein junger Mann, der mir als erstes ein aufregendes kulinarisches Erlebnis versprach und darum bat, Bestellungen bei ihm und zwar nur bei ihm aufzugeben. Etwas irritierend, dass er mich den ganzen Abend mit Monsieur ansprach; Nun sehe ich ja weniger aus wie ein Croque, eher wie ein Gougère, aber bitte: Chacun à son goût. Vom Fach war er, meist aufmerksam, sehr höflich und interessiert an meiner Zufriedenheit. Ob es eine Vorgabe vom Chef ist, weiß ich nicht, aber er trug ebenso einen Hut, wie der freundliche Barkeeper, der mehrfach an den Tisch kam, um meine Wünsche zu besprechen. Es lief wie häufig in letzter Zeit auf einen Prince of Wales (in der Whisky-Version) hinaus und zum Abschluss des Abends endlich mal wieder einen Continental Sour. 

Ohne (auch nicht erwartetes Amuse) startete der so selbstbewusst angekündigte Flug mit marinierte Forelle, die anschließend kurz geflämmt worden war, so dass sie außen leicht warm und innen glasig mit leichter Röstnote auf den Tisch kam. Dazu steuerten ein Sake-Schaum deutlich süße Noten und das Schnittlauchöl etwas Schärfe bei. Für knusprige Texturen sorgten ein perfekt getrockneter, super-feiner Quinoa-Sand und fermentierte Kohlrabischeiben.

Geschmacklich eine tolle Entwicklung: Milch-Säure, Frische und Knusper wurden langsam weicher und verwandelten sich in mundfüllenden Wohlgeschmack aus der Süße des Sake mit der Fülligkeit des Fisches. Aber der eingelegte Kohlrabi hielt mit Textur und Essigsäure bis zuletzt dagegen. Sehr up-to-date, ohne avantgardistisch zu überfordern. Das geht in Berlin vermutlich puristischer, aber kaum leckerer.
Das grobporige Sauerteigbrot (Bei einem anderen Gericht wird ausdrücklich Ware von Jochen Gaues vermerkt.) hatte noch eine leichte Kruste und eignete sich perfekt zum Aufnehmen der Soßenreste. Fare la scarpetta in Sachsen-Anhalt.

Als kleinen Zwischengang hatte ich mir das handgeschnittene Rinder-Tatar gewünscht, dessen purer Fleischgeschmack durch eine Knochenmark-Aioli verstärkt wurde. Gute Idee. Gepickelte Senfkörner platzten hübsch im Mund und ersetzten mit ihren pikant-säuerlichen auch gleich die üblichen Cornichons. Dazu Ätherik von Dillspitzen neben dem erwartbaren Schnittlauch, der auch in dieser eigenständigen Version nicht fehlte. Die darüber geraspelte Belper Knolle wird nach meiner Meinung überschätzt, es gibt aussagekräftigere Käse.
Das „Problem“ lag woanders: Die grenzwertige Würzung des sehr fein geschnittenen Tatars überdeckte fast alles, jedenfalls den zur Feier des Abends zusätzlich bestellten Kaviar, der ja an sich eine gute, salzige Ergänzung zum rohen Fleisch ist. Ich wünschte mir daher noch ein paar hausgemachte Kartoffel-Chips mit der Aioli, um dem Kaviar den verdienten, geschmacklichen „Auftritt“ zu gönnen. Das schmeckte natürlich himmlisch, war aber so nicht geplant. Klar, dass das Gericht auch ohne die Ergänzung funktionieren soll, aber der unglaublich sympathische junge Küchenchef Jonas Gaber stimmte mir zu, dass hier nachgesteuert werden sollte. 


Nach diesem (zu) hochtourigen Gang wollte ich nochmal zurückschalten und fand in der klug beschränkten Karte gegrillten Römersalat ergänzt mit einer Rotgarnele, die noch leicht glasig und vor allem „krachend fleischig“ erfreute. Trotzdem „verzichtbar“, denn der Salat hätte auch alleine ausgezeichnet funktioniert. Wunschgemäß war der Romana kräftig gegrillt, ohne zu überziehen.
Einige gepoppten Kapernblüten funktionierten dazu super. Mit großzügig gehobeltem Parmesan und durch gerade richtig portionierte Hollandaise im Caesar's Style ergab sich eine sehr eigenständige Variante des Salat-Klassikers.


Bevor es auf die Zielgerade ging, musste es an diesem hemmungslos dem Genuss gewidmeten Abend noch eine Carbonara "Chef's Choice" sein.
Die Agnolotti schön dünn und gleichmäßig gearbeitet, ihre Ricotta-Mozzarella-Füllung blieb  unauffällig. Dafür knusperten die Guanciale-Chips perfekt. Den klassischen Pecorino teilweise durch Parmesan zu ersetzen, bewies nur, dass manche Klassiker eben nicht verbessert werden können. Und sofort behaupte ich das Gegenteil, denn Jonas Graber schaffte es, mit rohem, in Sojasauce gebeiztem Eigelb, dem Gericht eine ebenso schlotzige wie neue Umami-Note zu verpassen.
Spätestens als sich die sündig gute Käse-Ei-Melange mit einer leichten Schärfe ausschlich, war ich mit dieser Version völlig versöhnt.

Als klassische Erfrischung hatte ich mir eine Nocke Basilikum-Sorbet gewünscht, denn Gemüse- oder Kräuter-Gefrorenem kann ich selten widerstehen. Das Eis fiel recht süß aus. Kein Wunder, dient es doch "eigentlich" als Gegenspieler zur Tomate-Mozzarella-Vorspeise oder als Dessert. 

Vielleicht wäre Himbeer-Estragon doch die bessere Wahl gewesen - die Danny Mette mir später als Dessert spendierte…

Als Hauptspeise schließlich ein Surf und Turf, bei dem mich ein unfassbar zarter Pulpo mit Knusper-Saugnäpfchen entzückte!
Da konnte der Schweinebauch nicht ganz mithalten. Zwar gut austariert zwischen Fett und Fleisch und die Schwarte auf den ersten Biss aufgepoppt knusprig. Aber doch nicht genug, denn es blieb eine zähe, etwas klebrige Schicht, die in den Zähnen haftete.
Wilder Blumenkohl bissfest und als Püree mit Tonkabohne, das einen süffigen Hintergrund bildete, vor dem Dashisauce, Kräuteröl, Lemoncurd(!) unterschiedliche Akzente setzten. Ein "typischer" Hauptgang, der gut gemacht war, aber doch nicht ganz das kreative Niveau der Entrées erreichte. Aber natürlich immer noch sehr lecker!


Obwohl die Küche schon eine kleinere Portion geschickt hatte (und der Chef freundlicherweise sogar nur eine halbe berechnete), signalisierte mein Magen an dieser Stelle eindeutig "Ende Gelände!"
Und auf Dessert verzichte ich ja sowieso (außer, es gibt Käse!).

An meinem Nightcap schlürfend sah ich den Himmel dunkler werdend.


Höchst zufrieden trollte ich mich schließlich ins Hotel, doch mit der festen Absicht, möglichst bald wiederzukommen. 

To be continued…
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


manowar02 und 8 andere finden diese Bewertung hilfreich.

Carsten1972 und 8 andere finden diese Bewertung gut geschrieben.