Gourmetrestaurant Zur Post
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Altenberger-Dom-Straße 23, 51519 Odenthal
Restaurant Hotel Sternerestaurant Ausflugsziel
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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Gourmetrestaurant Zur Post in 51519 Odenthal bewertet.
vor 8 Jahren
"„Kleiner Imbiss“ mit Kgsbus - die Postschänke überzeugt mit vier opulenten Gängen"
Verifiziert

Geschrieben am 03.10.2016 | Aktualisiert am 08.10.2016
Besucht am 01.09.2016 Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 130 EUR
Darauf hatte ich mich sehr gefreut, denn was ich den Schilderungen unseres umtriebigen - und trotz ÖPNV Affinität stets höchst mobilen - Wermelskirchener Kulinarik-Papstes Kgsbus bislang entnehmen konnte gab viel Anlass dazu,  optimistisch und vorfreudig zu sein.

Da ich nach unserer Garmisch Tour noch eine Woche Urlaub hatte, bot sich ein gemeinsames Mittagessen an, hierzu hatten wir uns bereits bei unserem ersten Treffen im Spatzenhof verabredet, ohne seinerzeit ein allzu konkretes Ziel im Auge gehabt zu haben.

An diesem Donnerstag holte ich meinen liebenswürdigen Mitstreiter gegen halb eins an seinem idyllischen Domizil ab und es folgte eine sonnige Anfahrt nach Odenthal. Wer die von alten Bäumen gesäumten Landstraßen im Oberbergischen kennt und die postkartentauglichen Aussichten, die diese mitunter gewähren, weiß wie entspannend diese Gegend wirken kann; nicht umsonst gilt diese unter Motorradfahrern aus ganz NRW als „Must-Do“ für sommerliche Ausfahrten.

Die Geschichte des heutigen besternten Hotel-Restaurants „Zur Post“ in Odenthal beginnt als erste Pferdewechselstation hinter Köln. Bereits 1790 gab es hier eine Gaststätte mit dem Namen „Zur Trappe“.

Sie wurde bis 1877 durch eine Bierbrauerei und Kornbrennerei erweitert und 1884 in die Gaststätte „Zur Post“ integriert. So erzählt es zumindest eine alte Speisekarte. Die Postkutsche über der Eingangstür erinnert an die Zeit um 1870, als hier zu Pferd die Postverbindung mit Bergisch Gladbach bestand.

Die heutigen Betreiber Christopher und Alejandro Wilbrand  führen das Hotel „Zur Post“  seit 2004 in zweiter Generation, die Eltern hatten 1980 das 200 Jahre alte Haus gekauft und seinen Ruf begründet, Sternekoch Christopher Wilbrand lernte im Altenberger Hof.

Das Gourmet-Restaurant hat mittags seit einiger Zeit nicht mehr geöffnet und somit war unser Ziel die etwas weniger mondän agierende „Postschänke“, der aus der gleichen Küche versorgte Ableger des „großen Bruders“ im gleichen Gebäude.

Schon oft bin ich an diesem Haus auf Ausfahrten vorbeigekommen, habe es stets als gepflegt und einladend wahrgenommen, habe dem Ganzen aber nie weitere Beachtung geschenkt.

Außenansicht

So fiel mir erst heute auf, daß es ein kleines, geschmackvolles Ensemble aus Alt- und Neubau ist, zur Linken wurde eine optisch bewusst modern gehaltene Terrasse angefügt, hochwertige Schirme spenden dort Schatten, die Außenanlagen wirken gepflegt, der Kies am Hang wirkt nur auf den ersten Blick etwas karg, majestätisch überblickt ein großer Smoker die Szenerie (nein First, damit meine ich nicht einen groß gewachsenen, kettenrauchenden Kellner)  – kurzum: alles sehr einladend!

Kollege Kgsbus ist hier kein Unbekannter, die Begrüßung durch einen altgedienten Service-Schergen des Hauses erfolgte professionell freundlich, jedoch mit dem gewissen Hauch Abgeklärtheit, den in der Sterne-Welt der Job und die oft oberflächliche, versnobte Klientel mit den Jahren zu formen scheint.
 
Selbiges lässt sich auch über das Ambiente sagen, mir gefiel die edle Material- und Farbkomposition zwar ausnehmend gut, die schwarz-weiß karierten Fliesen dürften nicht nur Ska-Fans zusagen und auch beim Beleuchtungskonzept wurde ebenso wenig gespart wie bei der Auswahl des Mobiliars.

Die Postschänke

Allein, es fehlt mir ein Hauch der Bezug zum Oberbergischen Kontext, natürlich verstehe ich, daß man sich von der Waffel-Oma-Opa-Mit-Rauhaardackel-Ausflugs-Gastronomie absetzten möchte, es bleibt für meine Begriffe jedoch einen Hauch steril und stereotyp, aber subjektiver kann eine Einschätzung hiervon sicher nicht werden - alles Geschmacksache, wie so oft im Leben.

Während wir gut gelaunt plauderten, wurden die Karten gereicht, hochwertiges Papier, A5 Querformat, schöne Typographie, jedes Blatt trägt das Signet des Restaurants als Wasserzeichen in der rechten unteren Ecke, die regional geprägte Speisen-Auswahl präsentiert sich geschmackvoll und wohltuend reduziert.

Lediglich vier Vorspeisen zwischen 9 und 12 Euro, fünf Hauptgerichte zwischen 17 und 29 Euro, eine kleine Dessertauswahl und das sich aus den à la carte-Gängen rekrutierende, drei- oder vier-gängige Postschänken-Menü sollten Entscheidungs-Neurotiker vor keine allzu großen Probleme stellen.

Wir entschieden uns beide für das Menü in vier Gängen zu 40 Euro, eine erste Flasche Taunusquelle Medium erreichte alsbald den Tisch, die gut gekühlte 0,75l Flasche belastete das Budget mit 6,50 Euro.

| Amuse? |

Brotauswahl


Es streiten sich ja hier die Geister, ob Brot mit Kräuterquark als Amuse im klassischen Sinne zählen darf.

Nun, ich finde eigentlich nicht, wobei es im Einzelfall sicher auch darauf ankommt, ob der von Kollege Escoffier² und mir seit jeher mit viel Wertschätzung *hüstel* bedachte „tasteless Quark from Hell“ - nach bewährtem Rezept aus dem Dehoga Folterschrank - zum Einsatz kommt oder etwas halbwegs genussvoll Verzehrbares.

Dieser hier war gut, Kräuter waren zu vernehmen, ein Hauch Zitronenabrieb verlieh Frische und die drei Sorten Brot (Weizenbrot mit Sesam und Zwiebeln und eine Art Roggenbaguette) waren von hervorragender Qualität. Zum Brot reichte man außerdem das mittlerweile vielerorts zum Standard gehörende Olivenöl von Jordan, das ich ebenso mittlerweile für einen Hauch überschätzt halte, wobei es natürlich ein sehr gutes Öl ist und bleibt.

Allerdings bleibt Brot für mich im Kontext eines guten Essens immer eher Beiwerk, natürlich sollte es gut sein und ich schätze es über alle Maßen, ein vollwertiger Ersatz für eine kleine Leckerei aus der Küche vorab wird es in meiner Wahrnehmung nie werden.

Das sei aber der Post verziehen, denn das PLV in diesem Menü ist wirklich grandios, aber hierzu später mehr.

| 1. Gang |

Gratinierter Ziegenkäse

Gratinierter Ziegenkäse


Farbenfroh präsentierte sich das Gericht auf seinem türkisenen Porzellan-Fundament, der Käse verströmte Thymian- und Honig-Duft, um das Rucola Bett arrangierte man halbierte Kirschtomaten, Preisel- und Johannisbeeren, obenauf ein paar geröstete Pinienkerne.

Ein kleiner optischer Wermutstropfen war das helle Dressing, ich fand es unpassend, was sich auch geschmacklich bestätigen sollte.

Wobei, das ist vielleicht etwas hart formuliert, es war ein leichtes Joghurt-Dressing mit einer spürbaren Zitrus-Note und zusammen mit dem Salat, Pinienkernen und den Früchten funktionierte es hervorragend.

Nur, zum cremigen Käse mit seiner relativen Schwere und den süßen Thymian-Honig Noten hätte ich mir bspw. ein säurebetontes klares Himbeerdressing eher vorstellen können.

Aber, Jammern auf hohem Niveau, wir genossen den – übrigens recht mächtigen – ersten Gang mit leichter Manöverkritik, Kgsbus labte sich unter meinen neidischen Blicken an einem ersten Glas hervorragenden Wein, mein Handy kündete derweil von der erfolgreichen Auslieferung einer sehnsüchtig erwarteten Bestellung, das Leben hat schöne Seiten.

| 2. Gang |

Christophers Fischsuppe

2012 Weiß- & Gauburgunder, Gutsabfüllung, Weingut Huber, Malterdingen, Baden - 0,1l zu 8€


Christophers Fischsuppe


Die Küche schien von unseren Haarspaltereien Wind bekommen zu haben, die Steigerung zu dieser Suppe war einfach unglaublich.

Optisch und in Sachen Duft an eine Hummerschaumsuppe erinnernd, dazu wie bei einer Bouillabaisse ein Stückchen in Öl geröstetes Baguette und Sauce Rouille. 

Ein erstes beherztes Eintauchen mit dem Löffel ließ eine generöse Einlage entdecken, munter präsentierten sich Scampi, Fischfilet, Muscheln und Nocken einer Fischfarce.

Es gibt wohl kaum ein ausgelutschteres Attribut als „Geschmacksexplosion“, aber das trifft den ersten Eindruck auf dem Gaumen leider allzu gut.

Ein wunderbarer, kräftiger Fond, ein Hauch Safran und der obligatorische Schuss Noelly Prat, die leicht sämige Konsistenz, das hatte sehr viel handwerkliche Klasse und auch die Qualität der Zutaten gab alles andere als Anlass zur Klage.

Die Rouille bewies wieder einmal, wie gut einfache Rezepturen schmecken, wenn Liebe und Sorgfalt im Spiel sind; zufrieden tunkte ich das köstliche Brot abwechselnd in Suppe und Knoblauch-Sößchen und nippte glücklich meinen gut gekühlten Badener Ausnahme-Burgunder.

geröstetes Brot und Sauce Rouille

Jener wurde uns von einer sehr sympathisch agierenden Sommeliere empfohlen und dieser hochwertige Tropfen war seinen Preis mehr als wert: körperreich, frisch und mineralisch, Weißweine aus Deutschland sind einfach Weltklasse und es müssen nicht immer große Gewächse sein.

| 3. Gang |

Geschmorte bergische Ochsenbacke

Geschmorte bergische Ochsenbacke

Alternativ bot das Haus in diesem Gang eine Bergische Lachsforelle mit Blattspinat, Fregola und Champagnerbutter, die rückblickend wesentlich besser zur sommerlichen Witterung gepasst hätte.

So entschied ich mich für das sich eher herbstlich lesende Schmorgericht, was ich aber auch nicht bereuen sollte.
Ich hatte den Tisch kurz verlassen, bei meiner Rückkehr hatte der Kellner die separat servierten Spätzle bereits aufgelegt und es dabei SEHR gut gemeint mit meiner Portion.

Schade, ich hätte Euch den Teller lieber jungfräulich abgelichtet und etwas netter drapiert, aber so what, wohl eindeutig ein 1st World Problem…

Serviert wurde auf einem länglichen ovalen Teller und darauf fand sich eine ganze Menge:

Unten ein Soßenspiegel einer nach allen Regeln der Kunst hergestellten Schmorsoße, darauf Sommerwirsing, das Fleisch und ein Scheibchen gebratener Gänseleber.

Links und rechts jeweils flankiert von einer Nocke Sellerie-Püree, pochierter Vanille-Birne, handgeschabten Spätzle und kaltgerührten Preiselbeeren.

Die Konsistenz des Fleisches war eine Wonne, zart ohne völlig zu zerfallen, keine gallertartigen, glibbrigen Einschlüsse, wie sie auch Kalbsbäckchen bisweilen haben, der Wirsing noch leicht fest im Biss.

Ich habe dieses Gericht sehr genossen, erwähnenswert wie gut sich die Birnen geschmacklich einbrachten und auch das Püree und die Spätzle verdienen eine mehr als lobende Erwähnung.

(Weniger löblich empfinde ich, Gänseleber zu servieren, ohne dies auszuloben, ich esse diese nicht, wenn ich nicht weiß, wie diese hergestellt wurde. Stopfleber ist und bleibt verabscheuungswürdige Tierquälerei und ignorante, unreflektierte Dinosaurier, denen Tiere völlig egal sind und stolz davon künden, mal wieder einen Happen Foie Gras inhaliert zu haben, obwohl sie diese zum Teil noch nicht mal korrekt schreiben können, findet man vereinzelt leider auch auf dieser Plattform. )

Alles in allem ein ideales Herbstgericht, diesen Teller nach einem langen Waldspaziergang im November und das Seelenheil für den Tag ist mehr als gerettet.

Leider schaffte ich den Teller nur zur Hälfte, es war ein Kampf, die Portion war gewaltig und in der Spätzle-Schüssel wartete noch einmal die gleiche Menge auf Kgsbus und mich.

Das tat mir sehr leid, weil es wirklich köstlich war und ich brachte dies auch mehr als bedauernd zum Ausdruck, als unser stets präsenter und agiler Kellner mit dem Abräumen begann.

| Dessert |

Dessertvariation

Dessert Variation

Und ich sollte sehr schnell sehr froh über meine Entscheidung sein, mich nicht allzu vollzustopfen im Hauptgang, denn das Dessert sollte noch mal einiges an Ess-Disziplin abverlangen.

Eigentlich war im Menü eine Auswahl zwischen einem Zwetschgenkompott oder Käsigem von Meister Waltmann angeboten, eine Nachfrage von Kgsbus ergab jedoch, daß man uns auch alternativ eine Dessertvariation ohne Aufpreis servieren könne.

Diese in einer Etagere auf den Tisch gebrachte Dessert-Variation war durchaus sternewürdig und setzte noch einmal ein deutliches Ausrufezeichen hinter die bislang ohnehin schon völlig überzeugende Menüfolge.

Ich begann in der obersten Etage: Mohnparfait, Himbeer-Sorbet, ein Karamell-Sesamchip, unten ein kleiner fruchtiger Spiegel von Himbeer- und Aprikosen-Soße.

Mohnparfait

Köstlich, das aromatische Parfait hatte eine Konsistenz wie aus dem Lehrbuch, cremig, sahnig ohne einen Hauch kristallin zu sein.

Die mittlere Etage beherbergte eine sündige, äußerst saftige Schoko-Tarte sowie ein Gläschen Kokos-Panna Cotta mit Ananas-Kompott-Topping, garniert mit einer Physalis.

Schoko-Tarte

Auch hier volle Zufriedenheit, obwohl ich kein Schoko-Junkie bin, gottseidank verwendetet man keine allzu bittere Edel-Kakao-Granate.  Schön wie die leichte Panna Cotta mit der säurelastigen Ananas die schwere Tarte kontrastierte.
 
Im Parterre hatte sich eine kleine Crème brûlée eingenistet, für sich genommen wieder eine solide handwerkliche Leistung, ich hätte nur vielleicht in umgekehrter Reihenfolge essen sollen, die Mieter in den oberen Geschossen hatten einfach mehr „Wow-Faktor“.

Crème brûlée

Auch zum Dessert musste ich dem Wasser frönen, während meine Begleitung einen hervorragenden Dessert-Wein sichtlich genoss und mich mit beneidenswertem Detailwissen zum Weingut demütigte.

Aber hey ich weiß auch viel, ich kann alle wichtigen C64 Spiele-Titel der 80er im Schlaf aufsagen, mir doch egal was der Winzer damals gemacht hat. :-)

Nach dem Essen schaute ich mir auf Empfehlung von Kgsbus noch die Toiletten an und war völlig begeistert. Die fein im Regal gestapelten Stoffhandtücher, die goldenen Waschschüsseln, der edle Marmor, der detailverliebte Wandschmuck, wirklich sehr schön. Noch edler in dieser Hinsicht in der direkten Gegend kenne ich nur aus dem Spatzenhof.

Die Rückfahrt zu Casa Kgsbus erfolgte gut gesättigt und entsprechend gelaunt. Es bleibt zu hoffen, daß wir bald eine neue Gelegenheit haben, das Essen und die Gespräche haben wieder einmal viel Freude gemacht, es macht einfach Spaß mit Brüdern im Geiste zu tafeln und sich ungestraft dem Fachsimpeln hinzugeben.

Fazit

Das Essen hat mich in allen Belangen überzeugt, winzige, obig angeführte Kritikpunkte führen auf diesem Niveau zu einem halben Punkt Abzug. Ware, Handwerk und Umsetzung lassen kaum Raum für substantielle Kritik.

Der Service konnte hier weitestgehend mithalten, besonders die Sommeliere hat mit Wissen und Charme überzeugt. Dem Kellner wohnte eine gewisse professionelle Distanz inne, die er mit gespielter Empathie zu kaschieren versuchte, fachlich auch hier kein Grund zur Klage.

Das Ambiente gefiel; hochwertig, stilvoll, stimmig, leider einen kleinen Hauch austauschbar.

Die Sauberkeit in allen von mir betretenen Räumlichkeiten inklusive der Toiletten war in jeder Hinsicht tadellos.

Das PLV, auch wenn manchen der Wein vielleicht einen Hauch teuer erscheint, möchte ich mit fünf Sternen bewerten. Es ist in diesem Genre im Bergischen sehr leicht, weniger für mehr Geld zu erhalten, und damit meine ich selbstredend nicht die Mengen.

Dieses Essen hat mich sehr neugierig gemacht, neugierig auf weitere Besuche in der Schänke aber in erster Linie auch auf einen überfälligen solchen im Gourmet-Restaurant, see you soon!
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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