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GastroGuide-User: Gast im Haus
Gast im Haus hat Rebstock | La petite provence in 74080 Heilbronn bewertet.
vor 9 Jahren
"Psst - Ein stillerGeheimtipp für Gourmets"

Geschrieben am 17.01.2015 | Aktualisiert am 17.01.2015
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Besucht am 13.06.2014
Es gibt Zufälle im Leben – einer davon war, dass wir im Ende 2013 das La petit Provence überhaupt kennengelernt hatten – denn nach Heilbronn und in die kleine, stille Wohnstraße Eppinger Straße mit den wenigen Ecklokalen sind es doch ein paar mehr (Kilo)Meter .

Eine dieser früheren kleinen Weinstuben „Rebstock“  ist nun die Heimstadt eines fantastischen Restaurant mit provenzialisch internationaler Küche – die in Fantasie, Ideenreichtum, Können und dem Spiel von Konsistenz, Aromen, Mundgefühl, kunstvollem Anrichten und Geschmack und perfektem Service für 20 Plätze den Erstbesucher mehr als überrascht.

Aus gegebenem  Anlass  war ich mir unschlüssig ob wir weggehen, selbst kochen, Spargelzeit oder Grillen -  an diesem Freitag dem 13ten - Fussballweltmeisterschaft – da kam in der Woche der Newsletter des Rebstock-la petit Provence, mit dem die Aktionen von Beate und Dominique Champroux angekündigt werden. Immer ein spannender anregender Hinweis auf Menüs, neue Gerichte. Dienstag kam die Info, es gäbe noch Restplätze für das Weinmenu, das in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Weinhändler Kirchner (der ein wunderbares Sortiment sehr bezahlbarer Franzosen in den Regalen liegen und stehen hat)  dort monatlich unter wechselnden Oberthemen angeboten wird.

Das Thema für diesen weltmeisterlichen Tag hieß „Wildkräuter und Wildblüten“ – natürlich von Dominique selbst auf den Böckinger Wiesen und entlang des Neckars gesammelt. Das passte doch hervorragend, und wegen „Weinmenu“ müsste ich mir auch keine Sorgen machen, gab es doch einen freundlichen Fahrer! Also sofort reserviert und am Freitag zwecks Stauandrohung des Radiosenders besonders früh losgefahren, und viel zu früh in Böckingen aufgeschlagen – trotzdem freundlichst von Beate Champroux mit Namen und Handschlag im unscheinbaren Hof begrüßt. Eine lange Tafel für 21 Personen weiß eingedeckt verbreitete unter dem Dach aus Weinreben französisches Flair – schlicht, einfach, aber sehr gekonnt. Die Zeit bis zum Begrüßungs-Aperitif verflog in Erwartung der Gäste und auf das Menü, das uns - nun optisch nett gestaltet - bereits in der Newlettermail angesprochen hatte:
(hier die Kopie des Original Textes J)

 „Soirée vigneronne Freitag 13 Juni 2014
65 € mit Apéritif und passenden Weine
Beginn19H30
Wildkräuter und Wildblüten
Herbes et fleurs sauvages
Clairette de Die mit Appetizers (Feldkleeblüte im Tempurateig mit Fenchel-Anis créme fraiche und flüssigem Wildkräutersalat mit im Heu gegarte Kalbshüfte)
Clairette de Die et ses appétizers (fleurs de trèfle en tempura, crème fraîche au fenouil et à l´anis, salade d´herbes sauvages liquide et quasi de veau braisé au foin)
***
Amuse bouche
Sauerkleegelée mit Ochsenherztomatentartare, Ziegenkäse und Borretsch
Gelée de feuilles de trèfle, tartare de tomate coeur de boeuf au fromage de chèvre et bourrache
***
Wiesensalbeimousseline mit Olivenöl, Roulade von hausgebeiztem Lammrückenfilet, Fenchel und Arabica
Mousseline de sauge des champs à l´huile d´olive, roulade d ´agneau mariné au fenouil et arabica
***
Steinbutt mit Pinienkernetapenade, Zitrusfrüchtepurée und wildem Majoran
Turbot en croûte de tapenade de pignons de pin, purée d´agrumes et marjolaine sauvage
***
Waldmeistersorbet
Sorbet à l´aspérule
***
Glacierte Entenbrust mit Löwenzahnblütenhonig, wilder Spargel, schwarze Oliven und Orange
Magret de canard glacé au miel de fleurs de pissenlit, asperges sauvages, olives de Nyons et orange
***
After Eight version 2014 : Truffe au chocolat mit Gewürzblüten, Pistou und Sorbet von Wasserminze
After eight revisité : truffe au chocolat aux fleurs d´épices, pistou et sorbet de menthe aquatique
 
Alle Kräuter kommen von Böckingenerwiese und von den Neckar und selbst gepflückt.
Toutes les herbes viennent des champs de Böckingen et du Neckar et cueillies par nos soins.“
(Zitat Ende)
 
Der als Aperitif gebotene Schaumwein Clairette de Die war fruchtig leicht – mir etwas zu lieblich, auch wenn die Brut Version angeboten wurde. Dazu hervorragend die in Tempurateig ausgebackenen Feldklee-Blüten mit einer Fenchel-Anis-Creme-fraiche – lecker, gegenüber der  die auf der auf einem kleinen Glas des „flüssigen Wildkräutersalats“ aufliegende rosige Kalbshüfte beinahe abfiel. Der aus vielen Wiesenkräutern wie Wilde Möhre, Wiesensalbei, Luzerne, Schafgarbe und noch mehr gemixte Salatdrink war wohl aufgrund der Schafgarbe und der Oxalsäure der Luzerne mir persönlich zu bitter, dennoch interessant. In jedem Fall brachte die Feldkleeblüte mit der raffinierten Creme-Fraiche ein sich allgemein wiederholendes “mmh“ der Teilnehmer. Ein guter Einstieg und ob der verwendeten Wildkräuter - von der Wiese überraschend.
 
Nun stellte Herr Kirchner (der Weinhändler) ausführlich und nicht nur fachlich interessant seinen Corbieres rose vor, den er zu diesem Anlass als Begleitung zu einem ihm selbst unbekannten Geschmackserlebnis „Wildkräuter  und –blüten“ ausgewählt hat.
 
Ein leichter schöner Wein der gut und stimmig zum  Amuse Bouche und Vorgang passte – auch wenn ich insgesamt feststellen muss, dass bei allen sehr fein gewählten Weinen die Stimmigkeit, die wir aus dem von den Champroux’s selbst zusammengestellten Olivenölmenü kannten – an diesem Tag etwas vermissten. Aber das ist ein Kriteln auf „großer Nivea“  - Klar war für den Weinhändler nicht abschätzbar,  wie das Menu schmecken wird, denn wann bekommt man heute schon Wildkräuter und Wildblüten kredenzt?
 
Als wirklich großer Kuss stellte sich das Amuse Bouche – das Sauerkleegelee mit Ochsenherztomaten-Tartar dar, das von einem sehr leckeren Ziegenkäsemedallion und einer blauen Boretschblüte gekrönt wurde. Um zu verdeutlichen, wie gut es geschmeckt hat, möchte ich erwähnen, dass die beste aller meiner Ehefrauen, die Gelee, Aspik, Sülzen jeglicher Art abstoßend und ekelig findet – so gut wie nie noch nicht mal mit der Gabel berührt oder gar essen würde –  diese Portion bis zum letzten Fitzelchen genossen hat – und es war nicht wenig Aspikmasse! Klar machte auch das zugereichte tolle Backwerk seinen Pluspunkt dazu – aber der Ziegenkäse – mmh – Stopp – Ihr wollt ja wohl nicht in meinem Genusserlebnis versumpfen sondern vom gesamten Genuss lesen!
 
Ausdrücklich möchte ich erwähnen, dass die lange Tafel mit den 20 für ein Weinmenü  neuen Champroux-Gästen  sich als eine gelungene Form herausstellte- lauter nette Genießer, die das Ereignis mit großer Freude genossen – ein wunderbarer Abend!
 
Keine Schwäche zeigen! Eine Roulade von hausgebeizten Lammrückenfilet, mit feinem Kaffee-geschmack überflug der grob gemahlen Arabica-Espressobohnen, Pastis in Begleitung der Wiesensalbeimousseline und feinen Pilzen darauf verführte nach der ausführlichen Erläuterung der Herstellung durch Dominique die Tafel zu „gefräßigem Schweigen“ – stillem Genuss mit vielem „MMMh“ und „oh“ – und wieder, die schönste meiner Ehefrauen, die üblicherweise aufgrund traumatischer Jugenderlebnisse keine Pilze isst, war von den Pilzen mit der Mousseline derart  begeistert ! Das dünngeschnittene Lammfilet brachte mit der Kräuter-Pastis- Beize einen bissfesten Hintergrund, die gemahlenen Arabicabohnen knusperten feinsten Espresssogeschmack zum angenehm weichen Eierkuchen der Rouladenwicklung , die cremig-gelee-sahneartige, in Tropfenform ausgestochene Mousseline = eine gelungene Komposition.
 
Dazu der Rose – gut, nicht ganz ideal – und der mit 13% alkoholmäßig leichteste  Wein des Abends – lasst mich jetzt nicht abschweifen….Der nett in einem tiefen Teller angerichtete Steinbutt mit der Tapenade –hier grüne Oliven, Pinienkerne und Kräuter gesellte sich mit dem Klecks  Zitrusfrüchtepüree  zu einem zweiten geschmacklichen Höhepunkt. Fest im Biss, angenehm gewürzt –dazu ein weißer, gut gekühlter Viognier von der Domaine La Baume–mit hervorragender  information vorgestellt fesselte die Geschmacksnerven aufs Neue.
 
Um die freudig erregt diskutierende Gesellschaft wieder etwas abzukühlen, servierte Beate Champroux gekonnt das Waldmeistersorbet mit Bitte um sofortigen Verzehr vor dem Zerschmelzen. Hier ging mit dem Servieren und dem ersten Löffel eine „mmmh“- La-Ola-welle rund um den Tisch – die ersten Neidgefühle der noch nicht Habenden wurden laut, die dann von denen derer, die bereits gehabt hatten aber nun  nicht mehr hatten, abgelöst wurden. Wir konnten Dominique entlocken, wie dieses Sorbet hergestellt wurde – ein mir etwas zu süsser Ansatz – aber dennoch eine willkommende Abkühlung der sich unter den vielfältigen Eindrücken von Geschmäckern und Konsistenzen überhitzenden Papillen.
 
Der kalte Wein oder ein Schluck Wasser brachte leichte Erholung, bevor sich der Hauptgang, die mit Löwenzahnblütenhonig wunderbar saftig gebackene Entenbrust für uns serviert würde. Da die Vorbereitung etwas Zeit benötigte, servierte Herr Kirchner einen Überbrückungs-Wein – ein roter Corbieres des gleichen Guts- der mir wegen der Gerbstoffe und Tanine im Gegensatz zum willfährigen Rose  leider überhaupt nicht zusagte – aber es war auch nur ein Zwischenwein der für mich sofort in den kommenden Merlot ausgetauscht wurde.
 
Der zum Hauptgericht gebotene Merlot – eine für den Süden Frankreichs untypische Rebsorte, überraschte positiv mit einer runden, warmharzigen Note – sehr angenehm. Die reichliche Portion der Entenbrust mit zubereitungshinweisen – scharf angebraten und vom Könner bei vorsichtiger Temperatur im Backofen rose-zart  auf den Punkt gegart - zeigte, dass mit Können ein wunderbares Ergebnis erzielt wurde, von dem ich als Kochlaie zunächst erwartet hatte, dass Dominique Champroux  auf Sous Vide eingestiegen sei – falsch – da war klassisch perfekt zubereitet! An Stelle des angekündigten aber nicht auf der Wiese als verwendbar gefundenen „wilden Spargels“  griff der Koch auf dünne frische Triebe vom grünen Spargel zurück, dazu einige schwarze Oliven (leider mit Kern als beste Zahnarztvorbereitung) und  angenehm fruchtige, feste  Orangenfilets.
 
Die Gesellschaft meinte bereits den Höhepunkt des Abends erlebt zu haben, als Dominique kurz  nach Elf mit seiner Nachtischkomposition Truffe au chocolat mit Gewürzblüten, Pistou und Wasserminze-Sorbet nochmals ganz groß auftafelte. Fast zuviel des Genusses, recht süß, wieder mit unterschiedlichen Konsistenzen, Temperaturen und  Geschmacksreizen spielend. Der dazu gereichte Banyuls „Reserva“  Dessertwein glänzte mit 16% Alkohol – genauestens vom Weinhändler erläuterte geschichtliche und önologische Ausführungen konnten mich nicht dafür begeistern – zu süss, zu schwer, zu viel.
Ein Menu, ein Ereignis und ein dem Tage und Anlass gerecht werdendes Geschmackserlebnis, das ich in den monatlich wechselnden Themen jedem Geniesser nur wärmstens weiterempfehlen kann – in Preis Leistung sowohl von Küche und Service her hervorragend, nicht Schickimicki, sondern grundsolide – ein Stückchen Frankreich mitten in Heilbronn-Böckingen!   
 
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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