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GastroGuide-User: Gast im Haus
Gast im Haus hat Rebstock | La petite provence in 74080 Heilbronn bewertet.
vor 8 Jahren
"Exzellentes Weinmenu "Schwäbische Küche trifft Provence""
Verifiziert

Geschrieben am 03.10.2016
Besucht am 30.09.2016 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 150 EUR
Wie meine verehrten Rezensenten-Kollegen hier auf GG bereits einer anderen Kritik entnehmen konnten, feierte die mir legal anvertraute frühere Freundin wieder mal Geburtstag, wie gehabt, ihren 26sten. Wir halten das seit Längerem so und immer wenn es etwas besonders Schönes zu feiern gibt, dann weist mein innerer „Guide Manche“ auf Beate und Dominique Champrouxs Rebstock – la petite provence in Heilbronn, (das auch bei Rach’s Lieblingslokal unter den Finalisten war). Das ist für uns, was für Andere hier Ant Boll, Tesoro oder was auch immer.


Glücklicher Weise steht am 30.9. auch noch ein "Weinmenü" auf dem Spielplan – ein Grund mehr, uns zum Mit-weinen anzumelden  - und eine Reservierungsbestätigung sogar aus dem Urlaub derChamprouxs pünktlich zum Geburtstag meiner Frau zu erhalten. 

Auf nach Heilbronn! Wir wollen zwecks Parkplatz und möglicher Staus auf der A6 frühzeitig dort sein und geben uns 50 Minuten Pufferzeit zur reichlich bemessenen Fahrtzeit – die allerdings ein 14km Stau zwischen Bad Rappenau und dem Weinsberger Kreuz völlig aufbraucht und uns im Restaurant erst kurz nach Beginn der Veranstaltung eintreffen lässt – allerdings haben wir einen genialen Parkplatz gefunden.


Das Weinmenu ist eine Veranstaltung der Champrouxs in Zusammenarbeit mit dem regionalen Weinhändler, Herrn Kirchner, der üblicher Weise auf französische Weine zurückgreift, aber auch die regionalen Tropfen empfiehlt. Das Motto des Abends ist „Schwäbische Küche trifft Provence“ – nicht nur, weil die Weine aus Heilbronner Weingütern stammen, sondern auch die Zutaten, die regionalbezogen entsprechend provenzalisch  oder schwäbisch interpretiert werden.
Zur Begrüßung wurde ein Rieslingsekt vom Weingut Schäfer-Heinrich gereicht, dazu als Appetizer eine Couscous-Dattel-Komposition oder ein Schmacklöffel mit einer ich würde sagen Tapenade-ähnlichen cremig-stückigen Zubereitung. Das Weinmenu ist eine geschlossene Veranstaltung, bei der 20 oder 22 Gäste ähnlich wie in Frankreich an einer großen Tafel gemeinsam den Abend genießen – Erfahrungen austauschen oder einfach sich am Geschmack erfreuen.  



So nehmen wir an der Tafel Platz und erhalten als Amuse bouche  eine Zick von Hohenlohe – Ziegenkäse Zubereitung mit Lavendelhonig und Kräutersalat. Zur Gepflogenheit im Rebstock gehört, dass Dominique Champroux eine ausführliche Erläuterung nicht nur zur Speise, sondern auch deren Herstellung gibt. So erfahren wir, dass der schwäbische Ziegenkäse mit Joghurt und provenzalischem Lavendelhonig angemacht und die Nocken nun im Kräutersalat serviert werden – der Kräutersalat  verflüssigt ist – in Milch aufgekocht mit Gewürz verfeinert dann passiert wurde und somit wie ein Soßenspiegel unter den kleinen Käsenocken liegt, weiter wird die Herstellung eines knusprigen Kräuterkeks aus einem Flüssigteig in der Mikrowelle beschrieben der wie ein Soufflé aufgeht, aber dank Zubereitungsart als knuspriger Keks eingelegt wird. 



So aufgeklärt machen wir uns alle über das Amuse Bouche genüsslich her – dazu reicht Herr Kirchner wie auch für den ersten Gang einen Rose aus 2015, der mit leichter angenehmer Süße hervorragend zur Säure und Herbe des Amuse harmoniert.  Das Weißbrot in verschieden Arten das in verschiedenen Arten auf den Tisch kommt und die Gespräche untereinander lassen die Zeit bis zum ersten Gang im Nu verfliegen. Ein aufwendig drapierter Teller mit Gelee von Rinderkraftbrühe mit herbstlichen Gemüse, Kartoffelspätzle und Mousseline von gerösteten Zwiebeln entlock den Anwesenden bewundernde Ohs und Ahs. Das Möhrchen steht in einem weißen, hohen Lauchring, die Rinderkraftbrühe ist ein langer Geleestreifen, ein kleiner dunkelroter, fast brauner Würfel erweist sich von der Konsistenz her wie zu Tomatenmark geriebene trockene Tomaten – ist aber in Wirklichkeit Rotkraut mit etwas Balsamico-Essig gewürzt -  ich streiche mir das auf die Geleeschlange – herrlich der Kitzel am Gaumen, die verschiedenen Konsistenz-  und Geschmacksrichtungen, die aufeinanderprallen, sich vermischen und neue Eindrücke erzeugen.  Auf dem Teller finden sich weiter in verschiedener Zubereitung, sei es mit Salz, Essig oder anderen zur Gemüse-Zubereitung genutzten Weisen Gurke, Kartoffel, Rettich, Kohlrabi, Spinat und, und, und. Gaumen und Sinne sind gefordert, lassen uns raten, wie was nun wie gemacht ist. Süßes Empfinden lässt manche auf Honig schließen, was sich als Balsamico herausstellt, Säure wiederum lassen Essig vermuten, wird aber zu Orangensaft und so explodiert der Mund mit jedem Bissen. Da am Tisch auch kaltes Wasser gereicht wird, kann man die Papillen wieder freispülen für neue Eindrücke. Dann klärt Dominique uns wie gesagt auf Fragen hin auf,  z.B. wie er die Mousseline in der gebratenen Zwiebel macht und welche unerwarteten Zutaten tatsächlich verwendet wurden. Die Kartoffelspätzle sind z.B. aus den lilafarbenen französischen Vitelotte-Kartoffeln hergestellt.


 
Nach dem Spannenden ersten Gang kommt ein neuer Wein zur Vorstellung, trockener, junger 2015er hiesiger Muskat-Trollinger – kein Verschnitt zweier Trauben sondern eine eigene, selten angebaute Traubenart. Er glänzt dunkelgelb im Glas, schön kühl entfaltet er dennoch reiches Bukett – und bläht sich nach dem Schluck dann nochmals im Nachhauch geschmacklich auf. Mir selbst dennoch etwas zu süß in der Geschmacksgesamtnote. Das leitet über zum zweiten Gang – knuspriges Forellenfilet von Familie Ulrich aus Löwenstein mit Alblinsen, Orangen-Olivenölcoulis und Thymianmilch. Nie wäre ich darauf gekommen, Forelle mit Linsen zu kombinieren! Champroux hat das Filet in einem feinen Wan-Tan-Teig- Päckchen knusprig gebacken – das bereits eine irre Konsistenz-Geschmackskombi von Fisch und Teig – darunter die Alblinsen, die relativ fest in der Struktur bleiben, was zum Beißen, nicht breiig, die Orangencoulis geben eine Geschmacksnote dazu, die unerwartet genau passt – und obwohl ich überhaupt kein Espuma-Schaum-fan bin, die schaumige Thymianmilch rühre ich mir dazu unter die Linsen – Thymian und Linsen ergänzen sich lecker, ohne sich zu vermischen!


 
Nach kurzer Zeit kommt Dominique Champroux mit einer Box voll Reagenzgläser an den Tisch und bemerkt, dass wir wohl für den Hauptgang nach dem Fisch einen „Platzschaffer“ benötigen. Recht hat er – er reicht jedem ein verschlossenes Reagenzglas mit der Bitte es umgehend zu schütteln und dann erst zu öffnen und zu trinken: Waldholderbeer-Sorbet mit Williams-Chris-Birne-Schnaps übergossen – wahnsinnig, wie das mundet – ich bin kein Schnaps-Liebhaber –aber der gute Willi ist hier notwendig!

 
Der dritte Gang ist nun der zentrale Hauptgang des Abends, die ultimative Vermischung schwäbischer mit Provenzalischer Küche: Schwäbisch-Hällisches- Schweinecarre, glaciert mit Bier, Hokkaidokürismouseline mit vier Gewürzen und Apfel-Blutwurst-Gratin. Wir trauen unseren Augen kaum, was in welch großer Portion uns da serviert wird. Eine große, massive Scheibe vom Schweinscarre, darauf ein in heißem Olivenöl quasi zur Knusperschaumkruste gebratenes Stück Schweinekruste – auf dem Mousseline-Spiegel etwas, was wie ein Stück Torte aussieht – und sich nach dem Anschnitt als Apfel-Blutwurst-Gratin outet – ein Gedicht kann ich nur sagen –ich hätte das nicht erwartet. Die Menge insgesamt ist für manchen im Rahmen des Menüs sehr reichlich, aber der gute Zweck hier erzwingt quasi den Verzehr.  Der dazu gereichte trockene, frische Grauburgunder 2015 rundet den Genuss mit sehr leichter Säure ab.



Für den Dessert-Gang hatte sich Dominique Champroux einen Cocktail aus einem provenzalischen Kaffee-likör, der mit Schokolade und Gewürz von ihm verfeinert wurde und dann mit Sekt aufgegossen wird ausgedacht. Doch für mich verblasst der gegenüber dem, was da auf dem Teller präsentiert wird: Süße Schokoladenmaultaschen gefüllt mit Orangeblütenwasserkompotee, Macis-Sabayon, Walnüsse und Rosmarineis. Auch wenn ich kein ausgesprochener „Süßer“ bin – dies hier war genial in Geschmack und Zusammensetzung. Dem nicht zu süßen Schokoladenmaultaschenteig stand die herbe Frische der Füllung entgegen, die mit dem Muskatnussblütengewürz geadelte Zabaione war cremige Ergänzung und ließ das Rosmarinaroma des Eises hervortreten – zum Reinlegen.


 
Fazit nach Küchenreise 5 – auf jeden Fall -  (zumal die aufgerufenen 75€/Person sicher nicht übertrieben sind.)
DETAILBEWERTUNG
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