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Die Zecherei ist ursprünglich eine bzw. die Nikolaikirche, die aber bereits seit der Reformation keine Kirchenfunktion mehr hat- sondern Lagerraum, Gefängnis, Badehaus und alles Mögliche wie Unmögliche beherbergte. Nun ist es also ein zur regionalen Exemoel-Gruppe gehörendes Restaurant mit skurriler Mittelalter-Gastronomie: die Zecherei St. Nikolai. Direkt an einem der schönsten erhaltenen Stadttore, dem Neustädter Tor gelegen, überfliegen am frühen Abend Störche in Mengen die Altstadt von Tangermünde oder lassen von allen erhöhten Plätzen ihr lautes Balz-Klappern ertönen, während andere sich bereits im einbeinigen Schlafstand auf den Giebeln halten.
Mittelalter-Gastronomie – entsprechend markige Holzbänke und Tische stehen vor dem Eingang – durch den man in das ehemalige dunkel-düstere Kirchenschiff tritt – linker Hand gleich die zum kleinen Zweiersitzplatz umgewidmete Kanzel – an den Wänden die Sitzgruppen mit Tischen. Aus dem Dunkel schält sich das freundlich lächelndes Gesicht einer jungen Frau, die mit Berliner Akzent die freie Platzwahl ausspricht – gekleidet mit einer auf Mittelalter adaptierten Kleidung einer Schankmagd. Wir gehen in einen kleinen, etwas helleren Raum mit gotischen Fenstern, romanisch und Kreuzgewölbe und wohl dem Badezuber als große Sitzgruppe. Davor lockt uns ein kleiner runder Vierertisch mit schwerem Gestühl.
Die junge Schankmagd kommt und fragt uns, ob wir schon zu Trinken ordern möchten oder erst schauen - und bringt fein aufgerollt und mit Faden gesichert jedem seine Speiskarte. Die Rolle ist mittelalterlich gestaltet, teils mittelhochdeutsch angedeutete Bezeichnungen – nett mit diversen Erklärungen versehen, nicht allzu große Anzahl an Gerichten, aber eine breite Palette von Vorspeisen bis zum Nachtisch, von Wasser bis zu harten Getränken. Logisch möchte meine Frau das hier angebotene Kuhschwanzbier (0,25l 2,50) probieren, als Fahrer bleibe ich bei Wasser (0,25l 2,50) und der Sohn braucht zum aufpuschen eine Cola(0,25l 2,50). Als Essen hab ich für mich Hähnchenleber mit Kartoffelpüree und Salatbeilage 13,90 gewählt mein Sohn und meine Frau haben sich Hamburger Schnitzel 13,90, ausgesucht. Die Bestellaufnahme der Getränke freundlich mit Rückfrage nach Füllmenge des Bieres, Als meine Frau dann ihr Hamburger Schnitzel bestellt kommt von der netten Bedienung – ob sie eventuell eine kleine Portion (9,73) bestellen möchte, die Portionen wären reichlich. Wir finden dies unaufgeforderte Mitdenken seitens der Bedienung wirklich ungewöhnlich gut – meist muss man selbst danach fragen.
Die Getränke werden schnell gebracht, mittelalterlich in modern gestyltem Tonbecher, das Bier im kleinen Krug. Wir stoßen auf den Abend an – das Wochenende – und natürlich möchte ich wissen, wie das Bier schmeckt. Etwas flach und nicht so kohlensäurespritzig wie Bier sonst, meint meine Frau – und als die Bedienung kommt und einen Krug mit Speisewerkzeug wie sie sagt auf den Tisch stellt, fragt meine Frau nach, ob das Kuhschwanz-Bier wenig spritzig, so wie englisches Bier wäre. Oh, erschrickt die Bedienung fast, eigentlich nicht, aber es könne am Fasswechsel – dreht sich um und bringt ohne weitere Nachfrage sofort ein neues Bier, das sich dann als etwas besser erweist. Wieder eine top Service-Reaktion.
Nach sehr angenehmer Wartezeit kamen die Gerichte auf den Tisch. Meine Portion Hähnchenleber sah zunächst riesig aus, war auch recht groß – was aber durch mitgekochte Tomatenstücke und Schmorzwiebelteilen mit der braunen Jus vom Leberbraten alles nach Leber aussehen ließ.
Hähnchenleber mit Kartoffelbrei und Salat
Die Leber war hervorragend zubereitet, genau richtig im Gargrad – nicht totgebraten sondern saftig. Angenehm gewürzt hätte ich nur an Stelle der Schmorzwiebeln geröstete eher vorgezogen, aber wie gesagt die Zubereitung der Leber prima. Beim Kartoffelpüree schwanke ich – es gab da einige Bissen, bei denen neben einer teilweisen Stückigkeit also gute Stampfkartoffeln - andererseits in zwei oder drei der mit Portionierer einzeln gesetzten Halbkugeln Püreeflockengeschmack durchkam – evtl. gestreckt? Die Salatbeilage war wie mit Gemüsehäcksler erstellt – sehr klein, gabelgerecht, dazu Mais, Gurkenscheibenviertel (ungeschält) und Joghurtdressing dagegen leicht enttäuschend – doch insgesamt überraschend gut.
Die Hamburger Schnitzel – kleine Portion eins, große Portion zwei panierte Schweineschnitzel mit dem Spiegelei als Dekor waren zart und schmeckten sehr gut – waren in der Beilagenmenge nicht zu unterscheiden – gut gemachte Bratkartoffeln und dazu der gleiche Salat wie bei der Hähnchenleber die Portionsgröße bei guter Qualität ist wirklich beachtlich. Während wir essen schaut die Bedienung vorbei und fragt, ob alles wunschgerecht ist und ob Wünsche bestehen.
Offen gesagt hat die Zecherei Nikolai meine Meinung bzw. Vorurteile gegen Touristenlokale komplett widerlegt. Eine gute Küchenleitung, dazu eine sehr gute Bedienung – die gerade wieder vorbeikommt um das Geschirr abzuräumen. Wir möchten zahlen - und da wir selbst gerade beim Essen drüber sprachen, frage ich die junge Dame nach dem Baustil des Gewölbegangs der Zecherei in dem wir sitzen. Eigentlich erwarte ich hier eine ausweichende Antwort – doch auch hier – mit allen Tellern in und auf den Armen erklärt sie gotische Fenster und alle in der Kirche vorhandenen Baustile, die ja oft umgebaut wurde, dass die Zecherei nach ihrer Zeit als Kirche alle – siehe den Beginn dieser Rezension -- möglichen Nutzungen erfahren hat. 5 plus 1 Punkte für den Service!