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Zum Ambiente hat GG-Kollege carpe.diem schon alles Erwähnenswerte treffsicher beobachtet und anschaulich beschrieben. Uns gefiel die urige, etwas anachronistisch anmutende Einrichtung sehr gut und wir fühlten uns auf Anhieb wohl. Der nette Kontakt zu den Leuten am Nebentisch ermöglichte einigen „Nachzüglern“ sogar noch freie Stühle. Spontanes Zusammenschieben von Tischen scheint hier zum Plan B zu gehören. Genauso wie die rege Kommunikation am Tisch, die den Lautstärkepegel zu Stoßzeiten etwas in die Höhe trieb. Aber ganz ehrlich, diese Kneipenatmosphäre hatte mächtig Flair. Und die volle Geräuschkulisse hat uns doch früher zu Studentenzeiten auch nicht gestört. Ganz im Gegenteil: da fühlten wir uns sauwohl.
Mit der feinen Auswahl an heimischen Bieren – Verleger-Einheits-Bier („Vollbier“) (Sächsische Braukunst, Hartmannsdorf), Rechenberger Pilsner (Privatbrauerei Rechenberg, Osterzgebirge) oder 1312 Sabotage Pils (Spent Brewer’s Collective, Berlin) – wird sich die Wartezeit auf Soljanka, Würzfleisch und Co. schon ganz gut überbrücken lassen, dachten wir. An unserem Besuchsabend war jedoch die Küche dem Ansturm nicht richtig gewachsen, was die über einstündige Wartezeit auf die Vorspeisen erklären könnte. Die wirklich sehr bemühten Bedienungen konnten einem schon fast leidtun, da sie neben dem Servieren, Abkassieren und Reinigen der Tische auch noch die hungrigen Gäste vertrösten mussten („Essen kommt gleich…“).
Ich hatte mich für das mit Käse überbackene Würzfleisch vom Huhn (5,10 Euro), das originalgetreu mit Toast und Worcestersauce serviert wurde, entschieden. Meine Kollegen wählten das Aufstrich-Dreierlei (6,70 Euro) aus selbstgemachter Ziegenkäsecreme, Thymian-Zwiebel-Aufstrich bzw. Eiersalat und schmierten sich eifrig Stullen am Tisch, um dem Hungertod im Herzen der Dresdner Neustadt zu entrinnen. Weiterhin wurden das Schweineschnitzel mit Bratkartoffeln (11,80 Euro), das Grünkernrisotto mit gebratenen Pilzen und frischer Melone (9,40 Euro) sowie das Bauerfrühstück (9,90 Euro) von meinen Kolleginnen und Kollegen geordert.
Einige Klassiker der einfachen, rustikal nahrhaften DDR-Küche ringen dem hier einkehrenden Gast schon beim Lesen der Speisenkarte das ein oder andere Lächeln ab. Entweder weil einem diese „Ostgerichte“ noch in verklärt romantischer Erinnerung am geistigen Gaumen kleben oder weil man einfach verblüfft darüber ist, was früher so alles in den sozialistischen Einheitstöpfen schmorte. Für den Touri aus dem Westen kommt das Angebot einer kleinen kulinarischen Entdeckungsreise gleich, die einen mit hausgemachter Sülze, Eiersalatbroten, Bratheringsbuletten sowie Bratkartoffeln mit drei Spiegeleiern herrlich unkonventionell zum Ostgourmand werden lässt.
Da durften natürlich auch die Tomatenspaghetti mit Jagdwurstwürfeln und geriebenem Käse (8,70 Euro), die früher als „Nudeln in Feuersoße“ die Pastafreunde des Ostens begeisterten, nicht fehlen. Die sollten es zum Hauptgang werden! Die Wartezeit kam uns nun etwas kürzer vor, hatten wir doch schon Stullen, Würzfleisch und genügend flüssiges Brot zu uns genommen.
Mein Nudelklassiker war eine ansehnliche Portion. Der Soße hätte etwas mehr Schärfe gut getan, da sie gegen den dominanten Reibekäse geschmacklich schwer zu kämpfen hatte. Den Spaghetti fehlte es etwas an Biss. Sie hatten wohl die berühmten zwei Minuten zu lange heiß vor sich hin gebadet. Dennoch geriet die „DDR-Bolognese“ nicht zum Gaumendesaster, da das Gebotene nach frisch zubereiteten Produkten schmeckte und sich der Verzicht auf Convenience-Produkte positiv bemerkbar machte. Meine Kollegen lobten das saftige Schnitzel und das schlonzige Grünkernrisotto. Die Sauce Hollandaise, die zu dem Spargelgericht serviert wurde, fiel einstimmig „zu dünn“ aus. Das Beelitzer Königsgemüse hätte Besseres verdient gehabt.
Gut gesättigt verließen wir zu vorgerückter Stunde die „Plane“ und waren um ein paar kulinarische Osterfahrungen reicher. Mit der Gewissheit, dass solche Läden zur Bewahrung unseres Kulturerbes in Sachen Speis und Trank einen nicht unerheblichen Beitrag leisten, sahen wir das etwas in die Länge gezogene Dinner schon wieder mit anderen Augen und freuten uns auf die nächste Kneipe. Die mussten wir in der Louisenstraße nicht lange suchen. Tolles Viertel, ansprechende Läden! Dresdner Neustadt, wir kommen wieder!