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Umso überraschter bin ich an diesem Sonntag Mittag, ein voll besetztes Haus zu erleben. In einem etwas abgetrennten Raum eine Familienfeier und auch alle übrigen Plätze sind belegt. Spontanbesucher ziehen im Akkord wieder von dannen, Cordula Gerasch trägt mehr als einmal das Reservierungsbuch an Tische, um neue Buchungen aufzunehmen. Im vergangenen Jahr hatte man im Sommer auf der Homepage eine beeindruckende Liste von Tagen mit geschlossenen Veranstaltungen gepostet. Auf dem Köthnerberg werden scheinbar gerne Hochzeiten gefeiert. Das Risiko hat sich also offenbar ausgezahlt für Oliver Gerasch und seine Frau. Es läuft.
Die Karte weist einige mehrheitsfähige Gerichte auf, die sowohl Mediterranes als auch Deutsches und Regionales abdecken. Daneben gibt es ein saisonales und ein größeres Empfehlungsmenü, wobei alle Gerichte auch á la Carte bestellt werden können. Aus beiden Menüs treffen wir unsere Wahl.
Als Gruß schickt die Küche dünn aufgeschnittene Champignons auf einer Schwarzbrotmasse mit einer Petersiliencreme. Diese Kleinigkeit balanciert originell zwischen kräutrig und süß – sehr schön.
Wir starten beide mit Oktopus, Apfel, Birne, Bottarga, der Vorspeise aus dem großen Menü. Der Tintenfisch ist zart gegart, mit Petersilie und Zwiebeln nicht überladen abgeschmeckt. Ungewohnt, aber durchaus passend, ist zunächst die fruchtige Einfassung mit Äpfeln und Birnen. Allerdings sind die Früchte und auch das Sorbet recht süß, so dass sich das Gericht mit der Zeit für mich zu sehr in die Richtung verschiebt. Daran kann auch der separat dosierte Bottarga nicht viel ändern. Meinem Mann gefällt der Gang so, wie er ist. Ich persönlich hätte mir noch eine frische, säurebetonte Komponente gut vorstellen können.
Mit einer klassischen Wildkraftbrühe geht es auf der anderen Seite weiter. Dampfend heiß, mit Juliennes von Wurzelgemüse und einem Eigelb ist das geschmacksintensiv und beweist klassisches Handwerk.
Ganz großartig ist mein Teller. Ein prächtiges Exemplar eines Kaisergranats von ausgezeichneter Qualität thront auf Kalbskopf-Aprikosengraupen, dazu eine cremige Sauce mit herzhaft würzigem Speckaroma. Besonders gut gefällt mir die Graupenbeilage. Oliver Gerasch wählt kleine Graupen, so dass sich zusammen mit dem Kalbskopf und den Aprikosen eine recht homogene Masse ergibt, in der die Einzelkomponenten aufgehen und den süffigen Charakter noch zusätzlich unterstreichen.
Der Zander meines Mannes ist perfekt kross gebraten, Blattspinat und Kartoffelpüree traditionelle und tadellose Beilagen. Hervorragend die Pommery-Senf-Sauce. Hier gibt es überhaupt nichts zu meckern.
Für mich gibt es kurz gebratene Rehmedaillons. Wenn es nicht auf der Karte stünde, könnte man glatt annehmen, dass es sich um edle Rückenstücke handelt. Tatsächlich aber ist es Fleisch aus der Keule – verblüffend. Preiselbeeren dazu sind zwar klassisch, aber noch nie wirklich mein Favorit gewesen. Das kann hier niemand wissen, tut mir aber auch nicht weh. Schön hingegen die Buchenpilze im Rahm und auch für mich das Kartoffelpüree. Angegossen wird noch eine sehr aromatische Schmorsauce, die erfreulicherweise am Tisch verbleibt. Auf dem Teller ist noch etwas Weißkohlgemüse. Wenn es als Sauerkraut gedacht war, fehlt definitiv Säure und auch ansonsten ist es sehr mild abgeschmeckt. Mir ist das einfach zu laff und ich hätte es bei der Anzahl der übrigen Mitspieler auch nicht benötigt. Davon abgesehen ist das ein runder und gut schmeckender Gang.
Beim Dessert wählen wir erneut aus beiden Menüs. Zum einen gibt es Rosmarinmerengue mit Quitte als Kompott und Eis sowie eine Calvadoszabaione. Die Merengue sind hier bereits in kleine Stücke portioniert, was klug gemacht ist, zumal sie, wie oft anderswo erlebt, auch gerne mal in großen Stücken serviert werden und dann ein eher klebriges Mundgefühl hinterlassen können. Nicht so hier. Das ist texturell abwechslungsreich und schön in die Jahreszeit passend.
Ich entscheide mich für den Granatapfelbrownie mit schaumigem Joghurt und einem Sorbet von exotischen Früchten. Letzteres gefällt mir gut. Der Brownie ist einen Tick zu trocken geraten, schmeckt aber, gerade auch in Verbindung mit den Granatapfelkernen, gut.
Das war ein sehr angenehmer Mittag. Dass es auch bei vollem Haus und gleichzeitiger größerer Gesellschaft keine Wartezeiten gab, spricht für die exzellente Organisation und den sehr aufmerksamen und freundlichen Service.
Die Küche ist im besten Sinne gut bürgerlich mit einem erkennbaren Faible für Ausflüge nach Italien und auch den ein oder anderen kreativen Schlenker erlaubt man sich. Zum Zeitpunkt unseres Besuches hätte man aber durchaus auch noch Ente oder Gänsebraten haben können. Ich habe keinen Zweifel, dass auch das sehr schmackhaft gewesen wäre. Das passt also alles sehr gut zusammen und handwerklich gut gemacht ist das sowieso. Meine kleinen Anmerkungen zum Finetuning an der ein oder anderen Stelle fallen hier insgesamt nicht ins Gewicht.
Mit dem sehr angemessenen Preisniveau erfüllt das Berggasthaus tatsächlich alle Kriterien, die den Bib Gourmand vom Michelin mehr als rechtfertigen.
Da ich mir ein paar alkoholfreie Wochen auferlegt hatte und daher den Fahrer gab, konnte ich nicht von der kleinen, aber ausreichenden und fair kalkulierten Weinkarte probieren. Der Pfälzer Chardonnay aus dem Barrique, den mein Mann hatte, war aber zumindest in der Nase so vielversprechend (und nach seinen Worten auch so lecker), dass wir zum nächsten Besuch entweder die Rollen tauschen müssen oder doch mal schauen, wie man mit dem ÖPNV am besten auf den Berg kommt. Es lohnt sich.
Bericht wie immer auch auf meinem Blog unter: http://tischnotizen.de/berggasthaus-niedersachsen-gehrden/