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findet sich das Landhotel de Weimar, der Name eine Reminiszenz an eine einst in den Norden verheiratete, wohltätig wirkende Prinzessin.
Das Gebäude wurde nach der Wende restauriert und für eine Hotelnutzung ausgestattet, nachempfundene Stilmöbel, nicht aus der teuersten Kategorie. Geschmacksache. Das kleine Foyer ist mit Blumen aufgehübscht, vor dem Haupteingang lädt eine gemütliche Sitzgruppe nicht nur Raucher zum entspannten Verweilen ein. Der Altbau hat auch innen Charme, das neue Gebäude, in das ich aufgrund einer Außendienstlertagung zunächst verbannt war, deutlich schlichter. Ich konnte mit etwas Überzeugungskraft das Zimmer wechseln, auch, weil ich an der sonnendurchglühten Südwestseite kaum nächtliche Erholung gefunden hätte. Den Blick in den sehr gepflegten Garten musste ich eben drangeben. Die Verbindungsflure zwischen Vorder- und Hinterhaus schaffen einen Innenhof
der überglast ist und mit Schachbrettfliesen und schwarzem Flügel ein wirklich ansprechendes Refugium bildet. Der schöne hohe mit rotem Ziegelwerk versehene Raum dient dem Hotel als Frühstückssaal. An dieser Stelle ein Lob für die vielen einfallsreichen, im Haus selbstgekochten Marmeladen. Normalerweise tafeln hier tagsüber und Abend auch die Restaurantgäste. Durch eine Auftaktveranstaltung für den soeben zu Ende gegangenen Landeswahlkampf war er aber damals durch eine größere Gruppe belegt. So hätte ich z. B. auf dem Platz vor der Haus sitzen können, wohl beschirmt. Da nicht zum ersten Mal in LuLu, wusste ich jedoch, dass das Kopfsteinpflaster der Schlossstraße zwar sehr pittoresk wirkt. Aber leider auch jedes vorüber fahrende Kfz einen Höllenlärm erzeugt. Außerdem war es noch recht warm. Also wählte ich den kleinen Saal
der mich mit dunklem Parkett und teilweise rot-goldenen Tapeten
neugierig machte. Auch hier nachempfundene Stilmöbel italienischer Massenhersteller und preiswerte Reproduktionen einerseits, aber unverdeckte weiße Flachheizkörper, ein moderner Deckenfluter und ein LED-Bildschirm. Ungewöhnlich die langen fast schwarzen Tischdecken (Kontrast durch weiße Stoffservietten) und die unterschiedlich farbigen Weinrömer, von denen sich etwas skurril jeweils einer (!) auf den hier großzügig gestellten Tischen befand. Auch unterschiedlich auf jedem Tisch der Blumenschmuck. Der angenehm breite Stuhl war anfangs bequem, mit der Zeit machte sich leider bemerkbar, dass er schon recht durchgesessen war. Insgesamt hat sich vor Jahren jemand Gedanken um die Gestaltung aus einem Guss gemacht, aber an vielen Kleinigkeiten hapert es (inzwischen?). Vielleicht ist man zu sehr abhängig von (Familien-)Gesellschaften und deren Bedürfnissen. Der Abendumsatz war jedenfalls überschaubar, ich blieb abgesehen von der großen Gruppe der einzige Gast zum Essen und konnte mir den Tisch am Fenster mit Orchidee aussuchen.
An der Sauberkeit hier nicht auszusetzen, die Toiletten hätten jedoch häufiger überprüft werden müssen, man weiß doch, dass eine Veranstaltung im Hause ist. Dafür Abzug.
Ein blonder Jüngling in schwarzer Hose und kräftig blauem Oberhemd - ich würde denken, vor noch nicht allzu langer Zeit ausgelernt - eilte herbei und entzündete sogleich die Kerze im silberfarbenen Leuchter. Wobei "eilte" einer kurzen Betrachtung des Mecklenburger Wesens bedarf. Konnte ich doch nach dem Abend und erst recht am folgenden Mittag (nach der Betreuung durch eine weibliche Servicefee in den besten Jahren) bestätigen, was das Netz dem Menschenschlag im Land der Wälder und Seen nachsagt: "Beharrlichkeit" ist noch die netteste Umschreibung. Von Herzlichkeit wird dagegen weniger berichtet. Also eher selten. Im Ergebnis eigentlich nie. Wie wahr. Schlussendlich war es kein schlechter Service. Ich habe alles bekommen, was ich wollte, auch Sonderwünsche wurden letztlich erfüllt. Aber Geduld und Vertrauen sollte der Gast schon mitbringen. Schweigender Abgang nach einem Wunsch ist keine Unhöflichkeit, sondern notwendiger Bewegungsablauf zum Beschaffen des Gewollten. Und wenn die Karte französischen Käse verspricht, dann wird die irritierte Nachfrage des einzelnen Herren zum (exquisiten) Stilton eben stoisch beschieden "Wir haben nur französischen Käse." Beharrlich halt...
Was kam außer dem offenbar multinationalen Milchprodukt sonst noch auf den Teller?
Nun, nachdem das Mittagessen noch aus trockenem Weißbrot und Kamillentee bestand (vom "Frühstück" soll besser geschwiegen werden), kam mir die ansonsten ausgesucht regionale und saisonale Karte sehr entgegen:
Saiblingstatar
Tafelspitzsülze
Rehrücken
Erdbeeren "klassisch"
Zunächst grüßte die Küche mit einigen Scheiben von drei langweiligen Stangenbroten. Dazu ein Schnitt handelsüblicher Butter. Zu meiner gewissen Überraschung auf einer Untertasse serviert, auch der Brotteller entpuppte sich als solche. Auf neugierige Nachfrage erfuhr ich, dass für eine große Veranstaltung alle kleinen Teller gebraucht werden. Nun, im Nachhinein erscheint deren überschaubare Resonanz wie ein Menetekel für den geringen Wahlerfolg. Aber die Gestaltung des Porzellans ist ja dem Genuss nicht abträglich. Schon eher, dass die Butter leicht verschmiert kam, immerhin waren es keine Fingerspuren. Kein guter Auftakt.
Nur etwas besser der annoncierte
Hausgebeizter Pfefferlachs
Das Fleisch war sehr fest und leider sehr salzig, vom Pfeffer habe ich nichts geschmeckt. Vermutlich selbst gebeizt. Begleitet war der Fisch von einer gut ausbalancierten Orangenvinaigrette und einer sehr scharfen, schnittfesten Meerrettich-Mousse.
Inzwischen war die georderte Flasche Wasser gebracht worden, ein regionales Erzeugnis für noch annehmbare 6€/0,75l. Erfreulich, dass nicht wie andernorts unverschämter Weise ungefragt eines der teureren von der Karte gebracht wurde. Warum allerdings die Alternativen nach der schlichten Bestellung von Wasser nicht wenigstens angeboten wurden, ist mir schleierhaft. Vermutlich auch hier die Gewissheit, dem Gast doch gegeben zu haben, was des Gastes (Wunsch) ist.
Die Weinkarte blieb an diesem Abend geschlossen, mir war irgendwie nicht danach...
Meine Vorspeise bestand aus frisch geschnittenem, sauber pariertem
Saiblingstatar mit Müritzer Maränenkaviar
in runde Form gebracht, darüber eine Schicht Schmand mit Schnittlauch, gekrönt von Müritzer Maränenkaviar mit feinem Korn und angenehm leichtem Fischaroma. Optischer Hingucker ein getrocknetes Blatt von der Saiblingshaut. Durchscheinend mit der hübschen Zeichnung des Fisches. Der Service gab die Information der Küche weiter, dass die Haut essbar sei. Hätte er besser geschwiegen. Eine geschmacklose und überaus zähe Angelegenheit, wie der einzige Versuch zeigte. Ja, bestätigte der junge Mann lachend, das habe er genauso empfunden...?...Q.e.d.
Klassische Beilagen wie Kapern, grüner Pfeffer, Schalotten und Würfel vom Tomatenfleisch wurden nach Art eines Poesiealbums um das Fleisch verteilt. (In allen vier Ecken soll Geschmack drin stecken!) Erneut einige schön ausgebrachte Tropfen der schon bekannten, ausgewogene Orangenvinaigrette.
Ein frischer, tadelloser Gang für recht hoch gegriffene 16€.
Als Zwischengang kam eine
Tafelspitzsülze
mit intensiver Kräuternote. Das Rindfleisch nicht trocken, im Geschmack aufzufinden, leicht säuerlich. Sehr gelungen. begleitet von einer Remoulade mit roten Beeten. Feinknusprige Pellkartoffeln und krosser Bacon auf Spieß (Yummi!). Ein Salat, der entfernt wie Wakame-Algen aussah, entpuppte sich als Julienne von grünen Bohnenstreifen mit Schalotten nach Art eine Gurkensalats eingelegt. Leider etwas zu salzig, aber eine überraschende Zubereitung. Ein farbenfroher Teller, bei dem wieder die quadratischer Präsentation auffiel. Fast perfekt und mit 10€ eher preiswert.
Zur Erfrischung kam ein nicht berechnetes
Sauerkirschsorbet
mit einer (Süß-)Kirsche als Garnitur. Sehr aromatisch, aber als Erfrischung zu süß, da war der Sauerkirsche ihr Biss genommen worden, schade.
Hauptgang
Rehrücken
höchstwahrscheinlich aus hiesiger Jagd. Zwei Tranchen vom Rücken, etwas putzig garniert mit einem Kräuterseitling. Eine Scheibe noch rosa, eine schon fast durch, aber beide zart bis sehr zart. Als fruchtige Komponente nicht die erwartbaren Preiselbeeren, sondern Himbeeren mit ihrem Gelee. Ein paar Streifen frittiertes Kartoffelstroh, reduzierte Jus. Erneut "geradlinig" angerichtet. À part weitere Pilze, mehr lecker Sösken und etwas Rundes, Frittiertes
das der Blonde auch nicht kannte. Hielt ihn aber nicht davon ab, mal zu raten ("Kartoffelkloß, vielleicht?"). Ich bat um Nachfrage in der Küche. Tatsächlich ein schön fluffiger
Frittierter Topfenknödel mit Rosinenfüllung
Geschmacklich alles sehr intensiv, zuvörderst das Reh. Alles stimmig mit eigenständigen Akzenten. Ein sehr guter Teller. Aber, aber, aber: Der Preis von 44€ ist dafür nicht nachvollziehbar. Natürlich ist einheimisches Reh nichts für Schnäppchenjäger, aber doch kein absoluter Luxus. Auch die Menge rechtfertigt diese Summe für das Einzelgericht m. E. nach nicht. Die Kritik gilt übrigens auch für das Menue. Für 4 Gänge wurden hier 80€ verlangt. Ich bin ein großer Freund von regionalen und saisonalen Zutaten. Aber für Saibling, Tafelspitz und Erdbeeren im Juni oder vergleichbare Produkte müssen auch bei guter Qualität keine Unsummen eingesetzt werden.
(Nachtrag: Inzwischen steht ein Teller mit Rehrücken und Taubenbrust für 48€ auf der Karte. Und das Menue bietet nun für die 80€ nur noch drei Gänge. Wenn das mal gut geht im Nordosten, die Gesprächspartner am nächsten Tag sprachen von sich aus gleich die hohen Preise an.)
Mein ausgemergelter Körper forderte jedenfalls mal wieder einen Nachtisch
Erdbeeren klassisch
das waren 5 reife, vollmundige Exemplare. Dazu geschlagene Sahne, Vanille-Eis und eine gut gelungene Crème Brûlée. Überhaupt nichts auszusetzen. Klassisch, halt. Die 12€ dafür waren wohl wieder mehr dem aufwändigen Handwerk, als dem Einkaufspreis geschuldet und sicher mit ordentlichem Deckungsbeitrag.
Trotz des Nachtisches wollte ich auf die Auswahl
Französische Rohmilchkäse und Stilton
nicht verzichten, die auf dem Brett präsentiert und am Tisch geschnitten wurde. U.a. Comte, eine Ziegenkäserolle und - das wissen ja die wenigsten - die schon erwähnte ur-französische Spezialität Stilton...
In den Nebenrollen Aprikosensenf, Nüsse und eine sicher selbst hergestellte gefällige Tomaten-Chili-Marmelade. Ein guter Abschluss, ebenfalls für 12€.
Als flüssiger Begleiter war der in der Gastro recht häufig anzutreffende 10-jährige Port von Taylor's zur Neige gegangen. Man diskutierte in den hinteren Räumen über Ersatz. Wusste ich aber nicht, so dass ich - ganz ungeduldiger Großstädter - schon nach ca. 15 Minuten auf die Suche nach der verlorenen Bedienung ging. Um erfreut zu hören, dass der Chef sich nicht lumpen ließ und einen 30-jährigen Ramos Pinto spendierte(!), der Ansage nach aus "eigenen" Beständen. Wunderbar! Eine Empfehlung an alle Portweinfreunde und -Freundinnen. Leider kam der Hausherr nicht aus der Küche. Daher an dieser Stelle: Herzlichen Dank, das war sehr großzügig.
Kurze Ergänzung:
Das Essen am folgenden Mittag bestätigte die Eindrücke. Geeiste Tomatenessenz handwerklich und geschmacklich wieder klasse und aus dem Teekännchen witzig serviert, aber teuer mit 11€. Die hausgemachte Pasta, ebenfalls sehr gut, schlug mit 14€ zu Buche. 0,2l Softdrink für 2,9€ waren schon heftig, wurden aber von 3,5€ für einen Espresso locker getoppt.
Fazit:
Kulinarik und Ambiente sind eigenständiger hot-shit. Wilfried Glania-Brachmann ist ein Könner seines Fachs, keine Frage. Der eigene Anspruch wird von der Küche eingelöst. Ein paar Nachlässigkeiten fielen auf, sollten abstellbar sein, waren aber vielleicht tatsächlich der Veranstaltung geschuldet. Der Service muss dagegen dringend geschult werden. Der junge Mann war eben im Rahmen seiner Möglichkeiten engagiert und freundlich. Die Kollegin am Tage danach weder das eine, noch das andere. Das ist für die Klasse und den finanziellen Einsatz des Publikums eindeutig zu wenig.
Ob man sich dieses Preisniveau wirklich leisten will, muss schließlich jeder selbst entscheiden.