Zurück zu Zum Deutschhaus
GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Zum Deutschhaus in 66117 Saarbrücken bewertet.
vor 10 Jahren
"Qualität kommt nicht aus der Mode. Superlative sind nicht nötig."
Verifiziert

Geschrieben am 12.08.2015
Besucht am 21.07.2015
Für meinen zweiten Saarbrücken-Aufenthalt in diesem Jahr hatte ich mir ein Lokal ausgesucht, das auf diesem Portal noch gar nicht, dafür auf anderen höchst unterschiedlich bewertet wurde. Von "weltbeste Rumpsteaks" bis "die unverschämteste Bedienung ever" reichen die Meinungen.

Nach einem strammen Fußmarsch bei gut 30 Grad erreichte ich doch etwas ermattet das für seine Steaks gerühmte Deutschhaus. Nach einem Umzug vor einigen Jahren bleibt die Lage doch suboptimal. Am Rande von Alt-Saarbrücken an einer größeren Straße gelegen, geht der Blick auf Brachen und Industrieruinen. Auch ein sog. sozialer Brennpunkt ist nicht weit entfernt. Da warf der Borgfelder trotz reserviertem Tisch doch erst einmal einen vorsichtigen Blick durch die Tür in den dunklen Raum. Vor der Eichenholztheke sitzen zwei ältere Herrschaften, beide um die 80, wie ich später (u. a.) erfahre und essen ein Butterbrot, zu dem sie sich von einer Fleischwurst dicke Scheiben abschneiden. Eine "altmodische" Halbliterflasche Bier steht auf dem Tisch. Kann es ein Vertrauens erweckenderes Bild geben?

Nach einem Gruß und meinem Eintreten finde ich mich in einer typischen Gastwirtschaft wieder. Rote quadratische Fliesen auf dem Boden, Gardinen, allerlei Schnickschnack. Ein vermutlich nicht genutzter Kamin, auf dem Sims ein Bild des vor einiger Zeit verstorbenen Sohnes. Die Holztische mit einer hellen Tischdecke mit gewebter Blütenstruktur. Darüber jeweils ein breiter Vliesläufer im farbig-floralen Design der 80er. Nur die Stühle fallen etwas aus dem Rahmen, drei unterschiedliche Generationen Gastro-Geschmack (also 1970-1990er). Auch Besteck und z.B. die Beilagenschüsseln aus Chromagan zeigen, dass man sich vor (vielen) Jahren mit solider Qualität eingedeckt hat. Nicht modern, aber in Aussehen und Qualität tadellos.
Ich lande an einem Zweier-Tisch in der 70er-Variante, Eiche mit fester Sitzpolsterung. Der Laden ist zwar bis auf die älteren Herrschaften, die natürlich die Wirtsleute Karrer sind, und mir leer. Allerdings sind alle anderen Tische reserviert. Oha, das wird ja noch trubelig, denke ich. Aber weit gefehlt, um 20:00 Uhr ist das Abendgeschäft schon durch und für den nächsten Tag eingedeckt. Gegessen wird früh im Saarland!

Da ich der einzige Gast bleibe und ich mich von der Schlagermusik aus dem Radio ablenken muss, frage ich dann doch mal nach den vielen Urkunden an den Wänden, ein gewisser Kontrast zu dem Foto, das Horst Lichter Arm in Arm mit der Wirtin zeigt. Freunde: Reisen bildet! Nicht nur erfahre ich, dass auf den Weiden von St. Arnual einst Bundes- und Klassensieger standen, auch über die Grüne Woche im Allgemeinen, die Unterbringungs-, Sanitär- und Freizeitsituation der Angus-Rinderzüchter daselbst im Besonderen und, wie sich nach 1989 alles geändert hat, gibt es einiges zu berichten. Nebenher wird der Herzinfarkt des Gemahls erwähnt. Die Abwesenheit von Tochter und Sohn, beide in einem anderen Portal als ebenso muffelig wie unverschämt bezeichnet, beruht auf deren Teilnahme an der Beerdigung eines Stammgastes; nur deswegen sei man heute allein. Meine höfliche Frage nach Enkeln wird damit beantwortet, dass der Ur(!)-Enkel inzwischen 15 Jahre zähle. Nicht nur gegessen wird früh hier...

Die Pläuschchen werden souverän in den gastronomischen Ablauf eingeschoben. Das Karlsberg-UrPils kommt ordentlich gezapft und löscht den ersten Durst. Später folgt ein Cremant für 4€, der leider etwas flach schmeckt.
Die Speisekarte ist übersichtlich; Die Küche beschränkt sich auf das, was man - soviel sei vorweggenommen - kann: Fleisch braten. Aus eigener Schlachtung gibt's vom Rinderfilet, Rumpsteak oder, quasi als Kombi-Angebot, T-Bone-Steak. Wer kein Fleisch mag, weicht auf Schweineschnitzel aus ;-)). Auch das Beilagenangebot mit kluger Beschränkung. Möglichkeit 1: Pommes und Champignons mit geschmorten Zwiebeln. Möglichkeit 2: In Pfeffer-Sauce.
Für mich das T-Bone in der Kartoffel-Zwiebelvariante. Von der Baukasten-Abzocke der Steakhäuser hält man nichts. Hier gibt's das komplette Gericht einschließlich Salat für einen Preis, in meinem Falle 23,5€. Der gewünschte Gargrad wird nicht erfragt. Na, wenn es die Spezialität des Hauses ist, wird's schon gutgehen...

Während ein wirklich lautes Brutzeln aus der Küche beweist, dass Anbraten hier noch ernst genommen wird, werde ich ans Salatbuffet "gebeten". Das ist, wie auch auf anderen Portalen angemerkt, eher schlicht. Im üblichen Wagen - helles Holz, Metallbehälter - finden sich gekühlt Frisée, Lollo Rosso, Krautsalat weiß und rot, dazu große Peperoni und gefärbte schwarze Oliven. Der Salat sauber gelesen, in mundgerechte Stücke gezupft und ohne bräunliche Ränder etc. Lobenswert die Aufbewahrung der Tomatenviertel außerhalb der Kühlung, so dass sich Aroma entfalten konnte. Die zwei Saucen - Joghurt, Kräuter - nach meinem Dafürhalten Industrieware, schade.

Nun zur Hauptsache: Das auch für gute Esser angemessen große Steak kam augenscheinlich aus einer Grillpfanne und war genau richtig angebraten. Liebhaber amerikanischer Karzinogen-Varianten mögen es als zu blass ansehen, mir gaben die dunklen Streifen genügend Röstnoten, ohne, dass es irgendwo in Richtung schwarz ging. Die Scheibe Kräuterbutter mit einem kleinen (nur zufällig) österreichischen Fähnchen zeugte von vergangenem Deko-Geschmack. Ulkiger Weise war das Filet ausgelöst und separat gebraten. Vermutlich wird mehr Filet als T-Bone geordert und man hat schon vorgearbeitet. Das Fleisch war bereits gewürzt, so dass ich kein Salz brauchte und auch die Pfeffermühle, die ich vorsorglich anstelle der vorhandenen Tischasche geordert hatte, nur noch sehr sparsam zum Einsatz brachte.
Wie war's? Nein, es war nicht das beste Steak der Welt (wer wollte das ernsthaft beurteilen?), auch nicht das Beste, das ich je gegessen habe. Aber ein sehr gutes Stück Fleisch mit fester Struktur und Eigengeschmack. Nicht "butter"zart, aber höchst saftig, echt eben, wie alles hier. Die Qualität muss auch gut sein, denn die Zubereitung lässt nichts durchgehen. Konnte das Filet noch gerade als medium rare gelten, war der große Rest eindeutig rare. Aber auslaufen tat da nichts. Mein vorsichtiger Hinweis, dass nicht jeder so blutiges Fleisch bevorzuge, wurde mit einem resoluten "So schmeckt's am Besten!" weg gewischt. Na, dann. Wäre das ja geklärt..
Die Beilagen waren ebenfalls gut. Die Pommes frites außen knusprig, innen heiß und kartoffelig. Für mich hätten Sie etwas länger bräunen können, Geschmackssache. Trotz der unregelmäßigen Größe tippe ich allerdings doch auf Fertigware. Aber vielleicht tue ich Frau Wirtin da Unrecht. Eindeutiger Sieger des kulinarischen Wettstreits waren die recht kleinen, geviertelten Pilze mit ganz vorsichtig geschmorten, wunderbar süß-würzigen Zwiebeln. Alles mit leichtem Biss und vor allem nicht so Fett triefend. Etwas frische Petersilie darüber, ein Gedicht.
Insgesamt gute 4 Sterne für das Essen, das PLV möchte ich darüber ansiedeln. "Rechnung" = drei Zahlen handschriftlich auf dem Brauerei-Block. Hat wirklich jemand etwas anderes erwartet? Ich nicht.

Sauberkeit: Im Gastraum alles picobello. Die sanitären Anlagen nicht besucht.

Fazit: Gute Qualität war noch alle Zeit ein erfolgreiches Konzept. Der Rest: Wer's mag, mag's mögen. Wer nicht mag, mag's eben nicht.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


Ehemalige User und 29 andere finden diese Bewertung hilfreich.

Ehemalige User und 30 andere finden diese Bewertung gut geschrieben.