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GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Landgasthaus Jägerhof in 76889 Birkenhördt bewertet.
vor 4 Monaten
"Liebenswert aus der Zeit gefallene Stätte des bewährten Geschmacks"
Verifiziert

Geschrieben am 12.01.2024 | Aktualisiert am 13.01.2024
Besucht am 20.07.2023 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 106 EUR
Im Juli waren mein Kletterkollege und ich mal wieder im Pfälzer Sandstein unterwegs. Nach ausgiebiger sportlicher Betätigung an der majestätischen Rappenwand bei Erfweiler (in der Nähe von Dahn) kam uns eine gemeinsame Einkehr zum Abendessen in den Sinn.
 
Da wir sowieso über das kleine Örtchen Birkenhördt (westlich von Bad Bergzabern) zurückfahren mussten und ich dort ein Jahr zuvor im Jägerhof der Familie Mössinger einen wunderbaren Coq au Vin verzehrt hatte, rief ich von unterwegs aus dort an, um uns einen Tisch zu organisieren.
 
Wir hatten Glück und bald darauf durften wir es uns im hübsch angelegten Außenbereich bequem machen. Parkplatzprobleme gibt es hier wirklich keine. Da findet sich meist direkt vorm Haus eine Gelegenheit, das Vehikel abzustellen. Oder schräg gegenüber auf dem größeren Platz vor dem Dorfgemeinschaftshaus.
 
Von außen wirkt der seit 1998 von der Familie Mössinger betriebene Landgasthof eher unscheinbar. Betritt man jedoch dieses gutbürgerliche Kleinod an der Birkenhördter Hauptstraße, zieht einen die heimelige Atmosphäre gleich in ihren Bann. Eine solch idyllisch angelegte Gartenterrasse würde man hier nie und nimmer vermuten.   
 
Die im Slowfood-Genussführer gelistete Einkehradresse mit dem gutbürgerlichen Namen und den sympathischen Gastgebern hat kulinarisch weit mehr zu bieten als Schnitzel mit Pommes frites oder den berühmten Pfälzerteller. Schon die von Frau Mössinger direkt neben uns aufgestellte Schiefertafel mit den Empfehlungen des Tages versprach Leckereien jenseits des üblichen Gutbürgertums.
 
Anscheinend war bei Küchenchef Bernd Mössinger gerade Lammsaison, denn als besondere Gerichte außerhalb der Karte bot er Lammleber in Champignon-Burgundersauce, Lammrollbraten mit Spätzle vom Brett und eine geschmorte Lammhaxe in Rosmarin-Sauce an. Das klang ja schon mal sehr verlockend.
 
Auch das restliche Speisenprogramm las sich wie das einfallsreich zusammengestellte Portfolio eines Allrounders am Herd, der gerne kocht, auf was er gerade Lust hat und was die Saison ihm so bietet. Von der hausgemachten Gazpacho über Russische Eier bis zum Grillkotelett vom Pfälzer Strohschwein war so ziemlich alles vertreten, was man in anderen Speiselokalen des Pfälzerwalds vergeblich suchen würde.
 
Manches davon klang herrlich zeitlos – wie direkt aus Omas Kochbuch entnommen. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, eine hausgemachte Schweinefleisch-Pilzpastete im Schinkenmantel mit Kartoffel-Endiviensalat oder ein feuriges Lammragout mit Herz jemals auf einem Speisenzettel vergleichbarer Lokalitäten entdeckt zu haben.
 
Dass neben der nicht gerade geringen Anzahl an Vor- und Hauptspeisen auch eine Handvoll sogenannter „Versucherle“ angeboten wurde, machte uns die Entscheidung nicht einfacher. Bei ihnen handelte es sich um klassische Leib- und Seelengerichte im Zwischengang-Format. So nach dem Motto: „Zwei Versucherle sind auch eine Mahlzeit!“
 
Zwei solcher „Versucherle“ bestritten bei uns das kulinarische Vorprogramm. Meinen Kletterkameraden sprachen dabei die hausgemachten Ravioli mit Salbeibutter und Parmesan (13,80 Euro) am meisten an, während ich mit dem Lammrückenmedaillon in Rosmarinsauce mit Parmesan-Kartoffelstampf (17,80 Euro) an den Start gehen wollte.
 
Da es unser Hunger zuließ, machten wir auch bei der Wahl unserer Hauptgerichte keine halben Sachen. Mein Gegenüber orderte die geschmorte Lammhaxe (26,80 Euro) von der Empfehlungstafel. Mich hingegen überzeugten die interessant klingenden Spaghetti „Bozen“ (22,80 Euro) – gibt es diese Garnitur wirklich? –, die mit frischen Pfifferlingen, Tomaten, Knoblauch und Speck ausgestattet waren und zusätzlich noch mit Parmesan überhobelt wurden.
 
Vorweg genehmigte ich mir einen mit Grenadine und Eiswasser gemischten Pernod (5,20 Euro), der hier unter dem Namen „La Tomate“ auf frankophile „Aperitiflinge“ wartete.
Die Tomate, die nach Anis schmeckte...
Die süße Frucht der Grenadine stellte sich mutig dem intensiven Anisgeschmack entgegen ohne ihn zu überdecken. Ein gut gekühlter, durchaus trinkbarer Apéro, der an diesem lauen Sommerabend seine entschleunigende Wirkung nicht verfehlte.
 
Das herbe, unfiltrierte Kellerbier von der Homburger Karlsbergbrauerei (0,5l für 4,80 Euro) war uns als veritabler Durstlöscher nach anstrengender Kletterei gerade recht. 
Die Durstlöschabteilung
Die mit einer guten Portion Humor ausgestattete und um keinen Spruch verlegene Hausherrin Frau Dagmar Mössinger versorgte uns zeitnah mit zwei Schoppen des trüben Gerstensafts, der mich meine (berechtigten) Vorurteile gegenüber Bieren von der Karlsbergbrauerei noch einmal überdenken ließ. Denn: ihr mit dezenter Malznote und herbem Hopfenaroma gesegnetes Kellerbier mundete uns ganz vorzüglich. Schade, dass wir mit dem Auto unterwegs waren…
 
Das Lammrückenmedaillon und die beiden hausgemachten Ravioli machten den Auftakt. Zwei ordentliche Pfundskerle, die von ihrer Größe eher an Maultaschen erinnerten, zierten das weiße Rund meines Kollegeen.
Hausgemachte Ravioli mit Salbeibutter und Parmesan
Frittierte Salbeiblätter, frisch geriebener Parmesan und geschmolzene Butter verliehen der herzhaft gefüllten Pfälzerwald-Pasta zusätzlichen Schmackes. Nicht nur mein Kletterfreund staunte über die Qualität seiner leckeren Nudeltaschen, die man so nicht unbedingt in einem gutbürgerlichen Landgasthof erwarten würde.
Mehr als nur ein "Versucherle"!
Mein mit röscher Kruste ausgestattetes Medaillon vom Lammrücken offenbarte beim Anschnitt sein saftig-zartes Rosa. 
So muss das!
Es thronte auf einem ansehnlichen Hügel aus fachkundig zubereitetem Kartoffelstampf, dessen vollmundiger Geschmack vom Parmesankäse herrührte.
Lammrückenmedaillon in Rosmarinsauce mit Parmesan-Kartoffelstampf
Das war nicht gerade eine homöopathische Vorspeisendosis, die ich mir da verabreichte. Aber zusammen mit der aromatischen Rosmarinsauce rutschte auch die cremig-stückige Erdapfelmasse prima runter.
 
Nach diesen beiden alles andere als bescheiden portionierten Eröffnungstellern, hatte sich der erste Hunger bereits etwas gelegt. Wahrscheinlich um sich für die bald folgenden Aufgaben zu wappnen. Gut, dass wir uns im Vorfeld körperlich ertüchtigt hatten. Sonst wäre unser Nahrungsbedarf wohl schon nach den Vorgerichten gedeckt gewesen.
 
Ich muss zugeben, dass ich beim Anblick der geschmorten Lammhaxe große Augen machte. 
Geschmorte Lammhaxe mit Bohnen-Kartoffelstampf und Rosmarinsauce
Unter dem prächtigen Exemplar lugte der mit Bohnen durchmengte Kartoffelstampf hervor. Die gleiche tiefgründige Rosmarinsauce – nur etwas großzügiger beigegossen – bedeckte den Boden des Tellers. Meinem Mitstreiter war mit einem Mal ganz provenzalisch zumute. Kein Wunder, denn das zarte, fast vom Knochen fallende Lammfleisch duftete herrlich nach mediterranen Kräutern und Knoblauch. Keine Frage, hier handelte es sich zweifellos um das Ergebnis einer handwerklich tadellosen Schmorküche. Die Begeisterung meines Tischgenossen war nachvollziehbar.
I call it a "Prachtexemplar"!
Mich hatte es – zumindest namentlich – in die norditalienische Provinz Südtirol verschlagen. Da mir an jenem Abend ein paar zusätzliche Kohlenhydrate gut zu Gewicht standen, hatte ich mich für die Spaghetti „Bozen“ entschieden. 
Spaghetti „Bozen“ mit frischen Pfifferlingen, Tomaten, Knoblauch und Speck
Die mit umami-lastiger Tomatensauce servierte Nudelkombi schmeckte mir besser als in so manchem Pastalokal. Die etwas dickeren Spaghetti hatte man zur richtigen Zeit aus dem Salzwasserbad geholt. Dementsprechend bissfest fielen sie aus.
 
Aber auch die aus Tomaten, Pfifferlingen, Speck und frischen Kräutern erköchelte Sauce erfreute meine Geschmacksknospen. Da ging „Soßengott“ Bernd Mössinger beim Abschmecken seinem Faible fürs Mediterrane nach, denn Thymian, Rosmarin und Salbei waren hier mit von der Partie. 
Geschmacklich einwandfreier Nudelteller
Frisch darüber geriebener, wunderbar würziger Parmesankäse (der besseren Art) verlieh dem an sich schon leckeren Nudelteller noch einen zusätzlichen Geschmacksschub. In der Summe ergab das ein sommerliches Wohlfühlgericht, das mich satt und zufrieden den letzten Schluck meines naturtrüben Bieres leeren ließ.
 
An einen Nachtisch war nicht mehr zu denken. Dafür waren die Portionen dann doch zu mächtig. Nach einem netten Plausch mit der Chefin ging es wieder zurück in Richtung Rheinebene. Solche Ausflüge in den Pfälzerwald sind mir nach wie vor am liebsten. Klettern und Kulinarik müssen sich ja nicht ausschließen, sondern lassen sich wie in diesem familiär geführten Vorzeigegasthof im Ortskern von Birkenhördt perfekt miteinander verbinden.
 
Wer auf grundehrlich zubereitete Landküche mit gutem Preis-Genuss-Verhältnis steht, ist hier seit vielen Jahren richtig oder eben längst Stammgast geworden. Die kulinarischen Ausflüge des Küchenchefs in südlichere Gefilde, sein Faible für die Zubereitung substanzieller Saucen, Wildgerichte und Innereien, die hauseigene Räucherei zur Herstellung von Wildschinken, Speck oder Entenbrust sowie die Rückbesinnung auf aus der Mode gekommene Klassiker machen den Jägerhof der Familie Mössinger nicht nur zu einer außergewöhnlichen Einkehradresse, sondern auch zu einer liebenswert aus der Zeit gefallenen Stätte des bewährten Geschmacks.
 
Ich freue mich schon, wenn im Frühjahr die Freiluft-Klettersaison beginnt und es mich wieder öfter in den so geliebten Pfälzerwald verschlägt. Denn dann werde ich mit Sicherheit mal wieder in Birkenhördt anhalten, um das zeitlose Küchenhandwerk des erfahrenen Chefkochs und Inhabers Bernd Mössinger zu genießen. Man weiß schließlich nie, wie lange es solche gastronomischen Raritäten noch gibt…
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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