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GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Sokrates in 76137 Karlsruhe bewertet.
vor 3 Jahren
"Von flüssigen Mythen, maritimen Mezes und einem längst überfälligen Treffen bei unserem Karlsruher Lieblingsgriechen"
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Geschrieben am 26.07.2021 | Aktualisiert am 26.07.2021
Besucht am 30.06.2021 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 64 EUR
Nach den geradezu euphorischen Worten des Bad Herrenalber Gastrosophen meines Vertrauens kommt nun also die linksrheinische Sichtweise unseres schon lange erhofften und Ende Juni endlich realisierten Treffens, das wir ganz im Sinne einer fairen Anfahrtspolitik in der baustellenreichen Fächerstadt Karlsruhe abhielten.
 
Die bereits seit längerem ins Auge gefasste Ausgangsgleichung 2*x = Yangda (wobei x für die beiden männlichen Essakteure steht und das Yangda ein schon vor Monaten anvisiertes China-Restaurant im Karlsruher Stadtteil Rüppur darstellt) wurde in 2*x + 2*y = Sokrates überführt. Dies bedeutete zwar rein formal eine Gleichung mit zwei Unbekannten, aber gleichzeitig auch eine prächtige Gelegenheit, sich in entspannter Atmosphäre und bei nicht gerade alltäglicher Griechenkost (noch) besser kennenzulernen.  
 
Nun wissen wahrscheinlich nicht nur Mathematiker, dass eine Gleichung mit zwei Unbekannten generell nicht lösbar ist. Aber das war uns an jenem Abend so ziemlich Raki wie Ouzo. Denn schnell wurde eins klar: die Wellenlängen der vier Tischgenossinnen und -genossen passten wie das Gyros ins Pita-Brot. Anregende Konversation traf auf ansteckendes Lachen. „Bad Herrenalbern“ versus „Pälzer Gosch“ – das ergab in der Summe eine durchaus muntere Mischung. Da hatten sich scheinbar vier Genießer mit dem gleichen Sinn für Humor und gutes Essen gefunden.
 
Vielen Dank an dieser Stelle an den guten Oparazzo, dessen philosophisch angehauchte Nachbetrachtung dieses denkwürdigen „Dates“ mir aus der Seele sprach. Mit seinem zeitnahen Bericht hat sich der (Epi)Kurstädter aus dem Nordschwarzwald ja schon mächtig ins Zeug gelegt und einige schöne Vorlagen gebastelt, die ich selbstverständlich gerne aufnehme.
 
Apropos Epikur: geht auf ihn nicht die Aussage zurück, dass die Wurzel aller Vergnügen die Zufriedenheit des Magens sei? Nun, da hat der alte Grieche schon Recht. Doch wenn man sich diese Zufriedenheit dann noch im Rahmen einer solch entspannten Tischgesellschaft erfuttern darf, dann hat sich selbst für den gemeinen Pfälzer der Aufenthalt auf badischem Boden voll gelohnt.
 
„Oma- und Oparazzo“ saßen bereits im ansprechend eingerichteten Gastraum und warteten auf die mit ihnen verabredete „Pälzer Bagage“, die ihr leichtes Zuspätkommen mit der Parkplatzsuche vor Ort begründete. Im Wohnviertel rund um die Welfenstraße – südliche Karlsruher Südweststadt – waren an diesem Abend freie Parkplätze eher rar gesät. In der Nähe des Sokrates herrschte sogar glatte Fehlanzeige. Da war ein kleiner Fußmarsch von Nöten, um zur sympathischen Hellenenklause zu gelangen.
 
An ein Essen unter freiem Himmel war nicht zu denken. Die unsichere Witterung Ende Juni ließ dies leider nicht zu. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ja noch niemand, welche verheerenden Folgen die noch bevorstehenden Regenmassen der folgenden Wochen im Norden von Rheinland-Pfalz und in NRW haben würden.
 
Demgegenüber erscheint unser zähneknirschend akzeptierter Gang nach Drinnen geradezu lächerlich. Zähneknirschend deshalb, weil sich meine - zu der Zeit erst einmal geimpfte - Gattin im Inneren von Lokalen noch nicht so wohl fühlte und lieber auf der ansehnlichen Terrasse Platz genommen hätte. Naja Schwamm drüber oder besser gesagt: Maske auf und rein in die gute Stube, wo uns zwei liebenswürdige Menschen sehr herzlich empfingen.
 
„Weintausch statt Weinrausch!“ lautete zunächst die Devise und der Herr Oparazzo zeigte sich von seiner generösen Seite, indem er der Pfalzweindrossel zwei badische Kennertropfen unterjubelte. Der lediglich mit einer Flasche Assyrtiko bewaffnete Jubelpfälzer – um Grieches Willen plünderte der tanninfixierte Rotweinrebell zu Hause sein bescheidenes Weißweinreservoir – sah sich zumindest nach Flaschenzahl einer drohenden 1:2-Niederlage konfrontiert, die er später mit einem halben Liter Malagousia-Weißwein wieder wettzumachen versuchte.
 
Doch die paar cl fielen kaum ins Gewicht, denn von Beginn an wurde munter drauflos kommuniziert, als hätte sich die griechische Sippschaft der Betreiberfamilie nach vielen Jahren mal wieder an einem Tisch versammelt. Von Bestellen oder in die Karte schauen konnte keine Rede sein. Der freundliche junge Mann vom Service nahm es mit levantinischer Gelassenheit. Auch unsere spaßeshalber gemachte „Androhung“, den selbst mitgebrachten Wein gleich zu entkorken, brachte ihn nicht aus der Fassung.     
 
Über die stilvolle, nahezu komplett aus dunklem Holz „geschnitzte“ Einrichtung habe ich mich schon vor ein paar Jahren lobend ausgelassen. Daran hat sich nicht merklich etwas geändert.
Gastraumimpression
Den Verzicht auf folkloristischen Dekoplunder rechne ich dem Laden nach wie vor hoch an. Bei einbrechender Dunkelheit trugen dann die frei von der Decke baumelnden Glühbirnen der Ausleuchtung des Raumes auf angenehm zeitgeistige Weise Rechnung.
Gastraumimpression 2
Kurzum: ein wertiges Interieur, das zum Wohlfühlen animiert und eine gemütliche Kulisse für einen genussvollen Abend abgab.
 
Die Abstände zwischen den Tischen entsprachen voll den derzeitigen Pandemieauflagen. Um ehrlich zu sein finde ich als Gast diese Abstandsgebote im Inneren der Lokale sogar sehr angenehm, da es der Atmosphäre am Tisch sehr zuträglich ist. Aber das sehen die meisten Gastronomen wahrscheinlich ganz anders, da ihnen dadurch Umsatz flöten geht.
 
Im Sokrates fährt man seit der Wiedereröffnung ein reduziertes Speisenangebot, was mir persönlich gar nichts ausmacht, da mich die üblichen „Telefonbücher“ der hierzulande operierenden Standardgriechen mit ihrem immerzu gleichen, viel zu üppigen Angebot an Grillgerichten eher langweilen. Außerdem war mir die Saloniki-Platte aus Maikammer in fleischhaftiger Erinnerung, was mich ganz instinktiv zu Fisch und Meeresfrüchten tendieren ließ.
 
Und dann war da ja auch noch der Yufka-Döner, der mich mittags im Maximilian-Center zu Wörth vor dem sicheren Hungertod bewahrt hatte. Im Nachhinein natürlich ein kulinarischer Schuss ins Knie, den ich spätestens bei der Ankunft im Sokrates bitter bereute. Aber alles Jammern half nichts, der Bestellvorgang ließ sich nicht länger hinauszögern. Der Plan, zunächst mit einem Bierchen den Appetit zu wecken – klappt bei mir übrigens sehr gut – wurde mit einer Flasche Mythos (0,33l für 3,40 Euro) in die Tat umgesetzt.
It's not a myth, it's a Mythos! 
Das sokratische Köchelverzeichnis passte auf eine laminierte Doppelseite im DIN-A4-Format und gab sich zumindest bei den ca. 20 gelisteten Hauptgerichten recht fleischlastig. Mit Souvlaki, Suzukakia, Bifteki, Gyros und Lammkoteletts hatte man die gängigen Grillklassiker im Repertoire. Einen gefüllten Kalamar gab es auch. Die von mir sehr geschätzte Moussaka durfte da nicht fehlen.
 
Anhand des Durcheinanders bei der Nummerierung der Gerichte wurde deutlich, dass man hier aus der wesentlich üppiger bestückten Standardkarte eine Auswahl getroffen hatte. Eine etwas abgespeckte Wiedereröffnungskarte also, wie man sie in vielen Gastronomien derzeit vorfindet.
 
Was aussah wie ein akkurat bedruckter Spickzettel – Erinnerungen an meine von Betrug gekennzeichneten Kursarbeiten im Biologie-Grundkurs der Oberstufe wurden wach –, war in Wirklichkeit eine Empfehlungskarte im Kleinstformat, die mit einem guten halben Dutzend „Außer-der-Reihe-Gerichten“ auf sich aufmerksam machte. Die meisten der hier gelisteten Köstlichkeiten griechischen Provenienz sagten mir vom Namen her nichts. Gut, dass die deutsche Erklärung in Klammer gleich mitgeliefert wurde.
 
Gebackene Sardellen, eine Mezes-Variation aus dem Meer für Zwei, überbackenes Gyros in Cognac-Sauce, gefüllte Teigtaschen, ein gemischter Fischteller, Tomatenbällchen an Joghurt-Dip, griechischer Grillkäse und ein traditionelles Gemista (= mit Reis bzw. Reisnudeln gefülltes Gemüse…hauptsächlich Paprika) klangen dabei genauso vielversprechend wie abwechslungsreich.
 
Vorweg griffen meine Frau und ich auf Bewährtes zurück. Die gegrillten Peperoni (6,70 Euro) mit ordentlich Knoblauch drauf erschienen uns mehr als adäquat, um auch gustatorisch die richtige Würze ins Spiel zu bringen.
Gegrillter Knoblauch mit ein paar Peperoni
Mein Gegenüber labte sich derweil an einem sommerlich frischen Tintenfischsalat, der auch optisch einiges hermachte.
Tintenfischsalat des Kollegen
Einen Probierhappen ließ er rüberwachsen, was meine vorher getroffene Entscheidung, die maritimen Mezes für Zwei als Hauptgericht zu ordern, bestätigte. Auch hier war nämlich der Tintenfischsalat – natürlich in einer viel kleineren Portion – mit von der Partie. Die recht geschmacksneutralen Auberginensticks mit Tzatziki, für die sich seine Frau entschieden hatte, erwähne ich an dieser Stelle nur fürs Protokoll.
Auberginensticks (geschmacksneutral)
Mittlerweile hatte das erste Mythos-Bier meinem Nachdurst – ich sag nur „Yufka!“ – Rechnung getragen und die Lust auf einen griechischen Weißwein brach sich so langsam in mir Bahn. Oparazzo hielt sich bei der Weinauswahl vornehm zurück, was den bereits erwähnten halben Liter Malagousia (11,20 Euro) zur Folge hatte.
 
Ein fruchtig-trockener Sommerwein, der mit gemäßigter Säure und gefälligen Zitrusaromen die Leckereien von Land und Meer korrespondieren sollte. Auch mein Genusskollege war von ihm angetan – auch wenn er sich vielleicht zu seinen Lammkoteletts eher etwas „Rotes“ gewünscht hätte…
 
Dann wurde hauptgerichtlich gegen uns vorgegangen. Oparazzos Lammkoteletts dufteten verdächtig nach ägäischem Grillglück.
Razzos Lammkoteletts
Gleich vier super saftige, auf den Punkt gegrillte „Chops“ zierten in imposanter Weise seinen Teller.
Ein wahrlich saftiges Unterfangen!
Neben den stattlichen „Paidakia fantastica“ wirkte der Fischteller seiner Frau fast schon gewöhnlich. War er aber gar nicht. Zumindest die Tranche vom Lachs war von Könnerhand gebraten, wie mir ein Probierhappen verriet.
Der Fischteller von des Razzos Gattin
Meine Frau erfreute sich am rein vegetarischen Gemista (14,50 Euro), bei dem mich allein die Betonung auf dem „a“ an die liebe Georgia aus Leonidio erinnerte, die uns beim letzten Griechenlandurlaub im Oktober 2019 nicht nur beherbergte, sondern auch mehrere Male sehr großzügig bekochte.
 
Hier waren es mit Reis und Reisnudeln gefüllte Paprika und Tomate, die neben aromatisch duftenden Ofenkartoffeln in einer tiefen Keramikschale serviert wurden. Etwas Schafskäse verlieh der mit kleingehäckseltem Gemüse durchmengten Reis/Nudelfüllung zusätzlichen Schmackes.
Gemista mit Betonung auf dem "a"
Meine in mehreren kleinen Schälchen servierten Mezes Psarikon für Zwei (16,70 Euro) passten bis auf das separat gelieferte Knobi-Brot alle auf ein Tablett. Ein hübsch anzusehendes, nahezu komplett maritimes Potpourri unterschiedlichster Köstlichkeiten tat sich da vor mir auf.
Die Mezes Psarikon für Zwei...äh Einen!
Der Kalamarosalata (Tintenfischsalat), den ich vorher schon beim Kurstadtgourmet probieren durfte, war auch hier mit von der Partie.
Kalamarosalata (in klein)
Zwei Scampis in anständiger Sortierung und fast schon unanständig saftiger Textur lagen in pikant-fruchtiger Tomatensauce auf der Lauer. Sie wurden noch zusätzlich von etwas Schafskäse on Top „umamisiert“. Klein aber ganz fein.
Scampis in Tomatensauce mit Schafskäse-Topping
Auch die beiden etwas verloren in ihrer Keramikschüssel wirkenden Tintenfischringe entstammten frischester Ware. Leicht mehliert und kurz frittiert – so die einfache Vorgeschichte der beiden ringförmig geschnittenen Bestandteile des beliebten Kopffüßers.
Zwei zarte Tintenfischringe (ohne Gummi)
Daneben „vegetarisierte“ ein griechischer Salat aus Tomaten, Gurken, roter Zwiebel und frischer grüner Peperoni vor sich hin. Natürlich auch mit einem gewissen Quäntchen an käsiger Schafswürze versehen. Bis auf die Gurken war das genau mein Ding.
Greek Salad
Die vier knusprig frittierten Sardellen, die es sich zusammen mit einem Schnitz Zitrone auf der anderen Seite des reich bestückten Tabletts gemütlich machten, sollten nicht unerwähnt bleiben. Zumal die „Mittelmeersprotten“ nach ihrer Zitrusdusche säurefrisch und aromatisch zugleich ihrem Komplettverzehr entgegensahen.
Mittelmeersprotten (mehliert und frittiert)
Und dann waren da ja noch die drei wunderbar saftigen Scheiben vom Knobi-Brot, dessen gut gebutterte Seite von frischen Kräutern kündete und eben auch genau danach duftete.
Knobi-Brot mit Kräuterschwerpunkt
Da war kein vampirvertreibender Knollengeruch auszumachen, was mich nicht im Geringsten störte. Zusammen mit dem leichten Joghurt-Dill-Dip genossen, ergab das eine einfache, aber durchaus passende Ergänzungsbeilage zu den wohlfrittierten bzw. marinierten Raffinessen aus dem Meer.
 
Aber wie wäre unser kulinarischer Kurzurlaub im griechischen Teil der Karlsruher Welfenstraße ohne die beiden „Razzos“ verlaufen? Definitiv nicht so lustig und unterhaltsam. Natürlich wurde mächtig über nichtanwesende GG’ler am Tisch geplaudert (nur Lob! Isch schwör…). Besonders dem befreundeten Weser-Wesir und dem nicht minder vertrauten Solinger „Jeepster“ müssen die Ohren im Minutentakt geklingelt haben, während unseres kollegialen Austausches der manchmal gar einem kulinarischen Kolloquium glich. Dass man sich dabei flüssiger Mythen bediente, war von rein durstlöschenden Natur.
 
Es war ein rundum gelungener Abend, von dem wir uns noch „manni“gfaltige Wiederholungen wünschen. Und so möchte ich diesmal – die köstlichen Mezes aus dem Meer würdigend – mit einem kleinen Gedicht von Carl Zuckmayer („Hauptmann von Köpenick“) schließen.
 
„Vorspeisen sind wie Segel über Buchten,

schlank und zum Hafen schnellend in erregter Fahrt,

indes die schweren Fleischgerichte wuchten

gewaltig über Wiesen von Gemüsen zart.“

 
In diesem Sinne würden wir mit den Oparazzos auch jederzeit die beiden letzten Verse des Gedichts in gastronomische Taten umsetzen. Ohne Wenn und Aber.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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