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GastroGuide-User: Hanseat1957
Hanseat1957 hat Gasthaus Hierl in 66125 Saarbrücken bewertet.
vor 7 Jahren
"Simba sei Dank! Zeitreise in die 70er mit französischer Hausmannskost – Gehört auf die Rote Liste"
Verifiziert

Geschrieben am 03.09.2017 | Aktualisiert am 06.09.2017
Besucht am 30.08.2017 Besuchszeit: Abendessen 1 Personen Rechnungsbetrag: 46 EUR
Allgemein:

Nach der ärztlichen Schelte, in Saarbrücken Griechen aufzusuchen (zuletzt Kastro), hatte mir Simba fürsorglich Adressen für französische Kulinarik aufgegeben. Ich habe mir das Gasthaus Hierl rausgesucht. Einmal, weil es in Saarbrücken liegt, mit Bushaltestelle vor der Tür und weil ich Traditionelles vermute, wenn ein Restaurant etwas altbacken „Gasthaus“ im Namen führt.

Es war in jeder Hinsicht ein Volltreffer und die gut 30 Minuten Fahrzeit von der Innenstadt in den Stadtteil Dudweiler haben sich gelohnt.

Laut Homepage besteht das Gasthaus Hierl seit 50 Jahren und ich vermute, dass die Einrichtung seit der Eröffnung erhalten geblieben ist! Auch wenn die Wirtsleute Achim und Corinna Steffen wohl noch nicht seit der 1. Stunde dabei sein dürften; in die Jahre gekommen sind sie und mit ihnen etliche Stammgäste, die ich am besuchten Mittwochabend beobachten konnte. Aber auch jüngeres Publikum, meist persönlich von der Wirtsfrau begrüßt, konnte ich sehen. Um 19:30 Uhr waren alle Tische besetzt.

Auf der Homepage preist man die gepflegte saarländische Gastlichkeit und hervorragende Küche an. Mal nicht zu dick aufgetragen (http://www.gasthaushierl.de/). Man sieht die übersichtliche Speisekarte einschließlich Wochenplan für den Mittagstisch (10,00 €), nicht hingegen die Getränkekarte.

Das Gasthaus Hierl ist nichts für „Hipster“, Vegetarier oder gar Veganer. Hier gibt es anständig was auf den Teller, bodenständig und handwerklich gschmackig zubereitet. Die Preise sind angesichts des Gebotenen sehr fair und mir die Höchstnote für das Preis-Leistungsverhältnis wert!

Service:

Empfangen wurde ich von Frau Steffen, eine reife, gepflegte und sorgfältig geschminkte Dame. Sie bot mir einen Ecktisch an, der als Beobachtungsposten hervorragend geeignet war. Sie wurde unterstützt von einer jungen Frau in schlichter Freizeitgarderobe. Es begann höflich und endete, als ich das Essen lobte und erzählte, dass ich auf Empfehlung gekommen sei und über meinen Besuch schreiben werde, in fröhlich guter Laune. Dazwischen wurden die Getränke schnell auf den Tisch gebracht und die Abfolge der vier Gänge ließ mir genügend Zeit für genussvolles Essen und Beobachtung. Die Fragen, ob es denn schmecke, schienen aufrichtig, ebenso das Lächeln, wenn ich es bejahte.

Um ältere Gäste kümmerte man sich intensiv bis zum Hinsetzen am Tisch.

Für den Service 4 Sterne.

Die Getränke haben ein mittleres Preisniveau: 0,3 l Karlsberger kommen auf 2,50 €, die Flasche Wasser 0,75 l auf 5,00 € und die 12 offenen Weine liegen für das Viertel in der Spanne zwischen 5,30 und 7,00 €. Mein Rosé aus der Provence ohne nähere Ursprungsangabe kam auf 5,50 €, war fast korrekt temperiert und war keiner von der modischen Sorte mit viel Fruchtigkeit und gut Restzucker.

Essen:

Die Karte des Gasthauses Hierl ist nicht sehr umfangreich, bietet aber viele Klassiker, vornehmlich aus der französischen Küche wie Zwiebel- oder Fischsuppe, Froschschenkel, Schnecken, Cordon bleu oder Schweinefilet in Roquefortsoße.

Aber erst einmal gibt es ein Schälchen mit Griebenschmalz und Salzstreuer und ein Korb mit etlichen Scheiben eines rustikalen Stangenbrots. Die Kruste kross und die Krume sehr grobporig. Daran hätte ich mich schon ein wenig sättigen können, blieb aber diszipliniert, obwohl das leicht gesalzene Schmalz auf dem Brot zu gefallen wusste. Der eigentliche Küchengruß – zu meiner Überraschung – kam erst später in Form eines kleinen Einweckglases mit Knödelsuppe und einem Stück Flammkuchen.

Auch hier wurde nicht gespart. Die Suppe gut heiß und mit viel Einlage eines aufgelösten Leberknödels und ein paar Spätzle (Laut Wochenplan hatte es wochenanfangs Leberknödel gegeben, also eine sinnvolle Zweitverwertung). Klare Lebernote und obenauf Ringe von der Frühlingszwiebel. Deftig auch der Flammkuchen mit Speck.
Mein georderter erster Gang war die Marseiller Fischsuppe (10,50 €) mit den üblichen Beilagen (mit Käse gratinierte Scheibe Stangenbrot, Käse und Rouille).

Die Basis und Farbe der Fischsuppe entsprachen voll meiner Erwartungshaltung. Als Blickfang obenauf eine aufgeschnittene Garnele. Zwei kleine Abstriche: Die reichliche Gemüseeinlage schwächte etwas den Fischgeschmack ab und die Rouille war eindeutig zu senflastig und damit arg säuerlich. Deswegen nur knappe vier Sterne für die Suppe.

Eine Pfeffermühle und ein Salzstreuer wurden unaufgefordert gebracht.

Simba hatte bei der Empfehlung den Hinweis gegeben, dass man im Gasthaus Hierl auch Kalbsnierchen bekäme und so war klar, dass ich als Hauptgericht Dreierleich vom Kalb nahm (20,50 €). Neben den Nierchen wurden Kalbsbäckchen und Kalbsfilet mit Calvadossenfsoße, Spätzle und Salat serviert.

Der Beilagensalat löblich frei von Eisbergsalat, dafür obenauf Feldsalat und Chicorée. Darunter drei sehr gut angemachte Salate mit Möhre, Buschbohne und Weißkraut.

Die Gemüsebeilage war leider auf einem Extraschälchen in die Soße auf den Teller gestellt worden, was ich gar nicht mag. Es beinhaltete gestovte Erbsen, Brokkoli und Blumenkohl. Die Spätzle wurden reichlich getrennt serviert.
Nach der säuerlichen Rouille hatte ich die Befürchtung, dass die Soße zum Dreierlei vom Kalb auch zu kräftig mit Estragonsenf bedacht worden sein könnte. Aber das war nicht der Fall. Hier hatte der Koch ein gutes Händchen und die helle Senfsoße verband sich mit köstlichem Ergebnis mit dem dunklen Bratenfond.

Das Bäckchen war schnittfest und noch einen Hauch rosa. Das große Stück vom Filet war nicht nach Art eines Steaks gebraten oder gegrillt worden. Es ließ sich mit der Gabel zerpflücken und war so zart, dass auch Zahnlose ihre Freude gehabt hätten. Für mich war es geschmort worden. Die drei Segmente vom Nierchen natürlich fester, sauber pariert und eher mild im Geschmack. Insgesamt mit der reichlichen Soße ein wunderbares Potpourri, auch wieder großzügig portioniert.

Man kann sich vorstellen, dass ich in jeder Hinsicht wohlgesättigt aus dem Gasthaus Hierl meine Rückreise mit dem Bus antreten konnte.

Für das Hauptgericht sollen es 4,5 Sterne sein.

Ambiente:

Das Gasthaus Hierl liegt zwischen der Hauptstraße nach Saarbrücken und einer Wohnstraße in einem unansehnlichen, dreigeschossigen Flachdachbau aus den Sechzigern. Vor dem Eingang ein Parkplatz mit primitivem Rotsplitbelag. Links vom Eingang die Terrasse, vielleicht halb gepflastert, ansonsten steht das Mobiliar auf Rasen.

Der eigentliche Gastraum mit gezählten acht Tischen und der Theke weist viele Einrichtungsmerkmale lange vergangener Zeiten auf. Gelbe Bodenfliesen, leicht gedrechselte Stühle, Heizkörper mit tiefen Rippen, breite Blumenbank (mit Orchideen), Blumenbänke aus Holz als Raumteiler, Hängeleuchten mit Spiralkabel usw. Es fügt sich zu einer klassischen Gaststätte aus den sechziger und siebziger Jahren. Die wenige Deko, wie Mirodrucke beißt leicht ins Auge. Im Feuchtbereich des Herren ging es ohne stilistischen Bruch so  weiter.
Ein Nebenraum wurde von einer kleinen Gesellschaft bevölkert.

Sauberkeit:

Natürlich Gebrauchsspuren an den Stühlen und Tischbeinen. Auf den sorgfältig eingedeckten Tischen eine Stofftischdecke, geschützt durch eine gut aufliegende, ebenfalls weiße Papiertischdecke mit genauem Tischmaß.  Insgesamt in die Jahre gekommen, aber gepflegt.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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