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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Restaurant Zum Ochsen in 76227 Karlsruhe bewertet.
vor 7 Jahren
"Farbenfrohes französisches Festival - Famos!"
Verifiziert

Geschrieben am 02.01.2017 | Aktualisiert am 05.01.2017
Besucht am 30.10.2016 Besuchszeit: Abendessen 1 Personen Rechnungsbetrag: 198 EUR
Zwischen dem "Kontrollbesuch" in der Heidelberger Studentenbude meines Sohnes und dem beruflichen Termin am Montagmorgen in Karlsruhe blieb dort noch Zeit für ein ausgedehntes Abendessen. Nun verwöhnt auch die badische Fächerstadt an einem Sonntag den Feinschmecker nicht mit vielen geöffneten Restaurants der gehobenen Klasse, auch das kürzlich wieder besternte Le Salon im Kesselhaus war geschlossen.

Also trat ich die überraschend lange Taxifahrt in das erst kurz vor dem Krieg eingemeindete, einstige Residenzstädtchen Durlach an. Beim nächsten Mal wäre wohl die Anreise mit dem Zug vom Karlsruher Hauptbahnhof die schnellere und preisgünstigere Alternative. Oder man probiert gleich die im Internet geschmackvoll aussehenden Gästezimmer des Ochsen aus, um sich nach dem Genuss der französischen Küche und der Gewächse aus dem profunden Weinkeller vor Ort wieder zu regenerieren.

Nach gleichtägiger, unproblematischer Reservierung per Telefon, umfing mich sofort beim Ankommen die warme, wohltuende Atmosphäre eines dichten lindgrünen Teppichbodens und honigfarbener Hölzer an drei Wänden hoch bis zur Decke. Der Spiegel darunter gibt dem hinteren Raum im Souterrain etwas Höhe. Neben Grünpflanzen und Porzellan in Eckschränkchen zeigen moderne Acrylgemälde Verfremdungen bekannter italienischer Szenenerien. Etwas gegen den Strich und auch nicht mein Geschmack, aber ebenfalls farbenfroh

Die Tische mit weißer Decke, drei Gläsern, schnörkellosen Stoffservietten, einer exotischen Topfpflanze und überraschend viel Silber. In den Hochlehnern mit Korbgeflecht saß es sich zunächst sehr bequem. Mit der Zeit machte sich jedoch bemerkbar, dass die Polster schon deutlich durchgesessen waren. 

Wer moderne Kühle liebt, wird sich vielleicht etwas erdrückt fühlen. 

Seit 1981 betreibt Ehepaar Jollit den Ochsen und so manches an der Einrichtung scheint noch aus dieser Zeit zu stammen, ohne unzeitgemäß zu sein. Wie auch die ruhige Höflichkeit, mit der mich der Inhaber und ebenso der langjährige Sommelier Serge Schwentzel versorgten. Ein dritter Herr im Bunde kam mit dem hier herrschenden, zurückgenommenen Ton nicht ganz zurecht. Die Begrüßung des einzelnen Borgfelders als "die Herrschaften" verbuchte ich noch als Versprecher. Der versuchten Entführung meines Brotes schon nach dem Amuse widersprach ich dagegen entschieden. Im Übrigen kann ich es nicht leiden, wenn phrasenhaft nach der Zufriedenheit gefragt wird, ich die Antwort aber schon in den Rücken des davoneilenden Kellners rufen muss. Ganz anders dagegen der elsässische Bonvivant Schwentzel. Meinungsstark ("Es gibt eh nur zwei gute Banyuls."), aber auf Nachfrage gesprächig, sehr sympathisch und auf einen offenen Dialog mit dem Gast setzend. Der Patron war etwas reservierter, drängte auch etwas zu den Alba-Trüffeln, aber insgesamt nicht unangenehm. Ich habe mich gut umsorgt gefühlt. Anfangs erhielt ich allerdings den Tisch im oberen, dem Eingang anschließenden Raum und gleich neben der Servicestation. Nachdem ich genug von dem Geklapper hatte, bat ich um einen Tisch im unteren Bereich, der mir auch anstandslos eingedeckt wurde. Warum, warum nur nicht gleich so? Am Andrang kann es nicht gelegen haben. Außer mir besuchten noch zwei Paare und eine vierköpfige Familie am Sonntag den Ochsen. Befürchten die Wirte bei meiner Figur tatsächlich, dass ich nur das ikonische Radieschen des misanthropischen Kritikers Duchemin bestelle? Vermutlich entwickle ich eine leichte Psychose, aber mag das unproblematische Tisch-Upgrade mit meiner inzwischen getätigten, gewohnt unkargen Bestellung zusammenhängen?

Fern der Heimat wählte ich aus der übergroßen, dunkelroten Menuekarte gar nicht brutal-regional zunächst Salat mit kanadischem Hummer, danach Rotbarbe, gefolgt von Seehecht. Zum Abschluss dann aber doch Rohmilchkäse aus einer Auswahl von mindestens 12 Sorten. Diese vier Gänge wurden mit 88€ als Menue saisonal abgerechnet, was ich angesichts von Qualität der Zutaten, dem Handwerk und auch der Mengen als angemessen ansehe. Als eine kleine, ebenso einheimische wie saisonal-herbstliche Ergänzung orderte ich vor dem Käse überbackene Steinpilze für 19€. Auf hohem Niveau der "schwächste" Gang, wie sich heraus stellen sollte.

Meine Entscheidung für drei Fischgänge war unter anderem dem angebotenen Wein des Monats geschuldet. Die ligurisch-piemontesische Cuvée Sambruno aus Roero Arneis und Viognier sowie Sauvignon Blanc und Timorasso vom Weingut Il Vagabondo traf meinen Geschmack nach bukettreichen, ausgewogenen Weißweinen perfekt. Der Restaurant-Preis von 48€ war noch fair.
Zusammen mit einem weißen Port als Aperitif, zwei P.X. Sherry und einem wunderbaren Sauternes (kein Wunder: Château Rieussec 2002, also ein Premier Grand Cru) blieb die Gesamtrechnung ganz knapp unter 200€.

Zunächst wurde ein ganz klassisches, erfreulich knuspriges Baguette

gereicht, dazu streichfähige Butter aus einem Silberschälchen

 Fleur de sel und grob gestoßener Pfeffer wurden ebenfalls stilvoll offeriert


Als erstes Amuse eine wunderbar duftende, krachend-fleischige Garnele auf etwas belanglosen schwarzen Linsen. Dazu eine angegrillte halbe Kirschtomate mit etwas puristischer Balsamicokunst


Gefolgt von einem nicht zu dicken Kürbiscappucino mit aufgeschlagenem Milchschaum


Das war hübsch anzuschauen, aber leider nicht sonderlich ausdrucksstark, hier ist beim Verlängern etwas verloren gegangen. Zudem war die Suppe so brutal heiß, dass ich den ersten Schluck nicht im Mund behalten, geschweige denn schlucken konnte. Kann man ja so servieren, dann aber bitte mit einem deutlichen Hinweis an den Gast! Die Reaktion, dass sonst die Gäste eher zu kalte Suppe bemängeln, war wenig hilfreich.

Der erste Gang war eine Augenweide

Drei große Stücke Hummerfleisch von Schere und Schwanz von schönem Rot. Dazu die leuchtenden Orangenfilets. Und die leicht bitteren Salatarten in grün und gelb waren ebenfalls mit einer fruchtigen Orangenbutter angemacht und mit frischem Kerbel verfeinert. Einer der schönsten Teller 2016!
Einziges Manko: Das Hummerfleisch hielt am Gaumen nicht ganz, was es auf dem Teller versprochen hatte. Geschmacklich ok, aber leider von etwas gummiartiger Beschaffenheit. Nicht wie bei tiefgefrorener Ware, aber eben auch nicht 1a-Qualität.

Als zweiter Gang eine Rhapsody in red

Ein exzellentes Rotbarbenfilet, mal nicht aus dem Mittelmeer, sondern vor der Bretagne gefangen. Knusprig auf der Haut gebraten und angesichts der gar nicht so großen Dicke überraschend saftig und ganz fein im Geschmack. Das Bett von Artischockenwürfel hat mich zwar weder optisch noch geschmacklich besonders begeistert, ganz im Gegenteil jedoch das würzig-fruchtige Tomatenconfit, dem die Zugabe von Safran Würze und ein tolles Orangerot verlieh. 

Der Hauptgang versetzte mich erneut in Entzücken

Schon die Farbenpracht des Wintergemüses, aber auch die kreative Präsentation des Colin mit Scheiben vom schwarzen Rettich als neuem Schuppenkleid - wow! 

Eigentlich gehört der Seehecht nicht zu meinen Favoriten, aber das Rückenstück dieses, in der Biskaya (oder für stolze Franzosen: Golfe de Gascogne) geangelten und dann wohl pochierten Exemplars war ausnehmend saftig und aromatisch, wirklich erstklassig! Dazu hat  mich der leicht scharfe typische Radi-Geschmack im positiven Sinne überrascht.
Mehr als nur Beilage waren die á point gegarten Scheiben und Würfel von Pastinake und Petersilienwurzel, von Chioggia-Beete und Artischocke, von Kürbis und Schalotten, deren Aromen durch Kräuter, u.a. erneut mit Kerbel verfeinert wurden. Alle Geschmäcker intensiv und zusammen ein wahres Geschmacksfestival. Kohlenhydrate wurden schließlich durch einen Klecks Kürbispüree und einen mit Sepiatinte gefärbten Reis-Chip beigesteuert.
Das zum Gang eingedeckte Laguiole-Messer beruhte wohl auf einen Irrtum der Servicecrew.

Dagegen ließ der für die Steinpilze vorgesehene Gourmetlöffel auf einen würzigen Sud hoffen.
Die leckeren Schwammerl kamen als übersichtliche Portion mit Spalten von Abatebirne und Pinienkerne und waren mit Parmesan gratiniert. Das sah sehr lecker aus

und der Geschmack war auch o.k. Aber die Erwartungen an erdig-würzig-süßen Genuss konnten nicht ganz erfüllt werden.

Eigentlich stand mir der Sinn nach Maury oder Banyuls, aber natürlich konnte ich dem stattdessen angebotenen Sauternes zum Käse nicht widerstehen. Bei der Käseauswahl 

verließ ich mich dann weitgehend auf die fachkundige Beratung von Herrn Schwentzel, nur Vacharin sollte dabei sein. Sehr gefallen hat mir, dass die Auswahl gut begründet wurde. Notizen habe ich mir dazu nicht gemacht, nur Roquefort ist mir namentlich im Gedächtnis geblieben - und, dass mir die Auswahl von mild zu etwas kräftiger phantastisch gemundet hat!

Noch war der genussvolle Abend aber nicht beendet. Wie so häufig, bestellte ich mir einen P.X. Sherry und bat dazu um etwas Schokolade. Mit peruanischer Ware (65% und 80% Kakaoanteil) von Valrhona wurde mein Wunsch erfüllt. Aber der Chef hatte noch eine ganz andere Preziose am Start: Lakritz-Schokolade von Balaguer, einem der weltbesten Chocolatiers aus Barcelona

Das Zusammenspiel des edlen Gran Orden von Garvey, der Süße und leichten Bitterkeit der Schokolade und schließlich der deutlichen Lakritznote war himmlisch! Der flüssige Süße aus Jerez ging auf meine Rechnung, die festen Glücklich- und Dickmacher sämtlichst aufs Haus. Und auch ohne Kaffee wurde die Wartezeit aufs Taxi schließlich mit einigen petits fours

versüßt.

Was für ein Feuerwerk! Was für ein Genuss! Was für ein Abend!
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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