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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Akzent Hotel & Gasthof Schatten in 82467 Garmisch-Partenkirchen bewertet.
vor 8 Jahren
"Hock di hera, samma mehra – viel Licht im Schatten!"
Verifiziert

Geschrieben am 04.09.2016 | Aktualisiert am 05.09.2016
Besucht am 22.08.2016 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 34 EUR
Nutzungshinweis: Es folgen lange Zeilen, bisweilen voller kulinarisch völlig belangloser Details, gespickt mit Anklängen von Humor und Selbstironie. Wer bei der DNA-Ausgabe in den letzten beiden Disziplinen deutlich zu kurz gekommen ist soll bitte auf das Lesen verzichten und weiterhin das Impressum des Feinschmeckers studieren. ;-)

Griaß eich!

Am Ende des diesjährigen Sommer-Urlaubes bewahrheitet sich wieder einmal auf drastische Weise ein gerne von mir hervorgekramtes Sprichwort, daß ich immer gerne bemühe, wenn es gilt, im konkreten Zusammenhang Reste von klassischer humanistischer Bildung vorzutäuschen:

„Ist es das Gute selbst an der schlimmsten Zeit, daß sie vergeht, ist eben dies das Schlimme auch an der besten.“

Eben diese beste Zeit, auf die ich mich sehr lange gefreut hatte, waren einige Tage im schönen Werdenfelser Land: Hurra hurra, endlich zu Besuch in Garmisch bei Obacht! und ihrem Schatzl.

Berge, Kühe, Wiesen, Schmankerl, Sonne und endlich ein sympathischer bayrischer Dialekt (ich mag England zwar, aber einige Zeit mal kein tägliches nordenglisches Gebrabbel zu ertragen, das für Ungeübte leichte Anklänge an das Klingonische besitzt, klang verlockend) waren die erhofften Aussichten für die Sommerfrische in „Murmeltierland“ (©hbeermann 2015).

Der Wetterbericht klang hervorragend – First hätte an meiner statt daher schon begeistert seine geliebten Sandalen mit den Tennissocken fit gemacht, inklusive ¾ Cargo-Hose natürlich  - und so fuhren wir an diesem Montag entspannt der Sonne entgegen, bloß weg aus dem verregneten NRW, und nicht weit hinter Frankfurt, mittlerweile auf der A7, rissen die Wolken auf und strahlender Sonnenschein sollte uns ab diesem Moment die ganze Woche begleiten.

Ich habe zwar dank einer Ferienwohnung meines Onkels – Gott hab ihn selig –viele Urlaube der Kindheit im schönen Reit im Winkl verbracht, die letzten 20 Jahre aber keinen einzigen mehr in Bayern, umso mehr freute ich mich auf der Fahrt über die zunehmend alpine Landschaft und Architektur, die viele schöne Erinnerungen an vergangene, sorgenlose Tage lebendig machten.

Nachdem wir dann am späten Nachmittag, nach einer gewohnt fantastischen Autofahrer-Performance von Herrn S. - laut eigener, bescheidener Aussage neugekrönter „König der A7“ -in unserem schnuckligen Hotel ankamen, erstmals den fantastischen Blick von unserem Balkon genossen und ich mir dort ein eiskaltes Willkommens-Weizen gönnte, wuchs die Vorfreude auf das zünftige Abendessen mit unseren lieben Freunden noch einmal mehr.

Mein Willkommens-Weizen auf dem Balkon :-)

Obacht! und Schatzl holten uns ab, pünktlich wie angekündigt hieß es dann gegen 19:50h Abfahrt am Hotel, aber natürlich erst, nachdem die beidseitige stürmisch-herzliche Begrüßung gebührend Zeit in Anspruch genommen hatte.

Bog mas!

Für den ersten Abend hatte Obacht! uns einen Besuch in bester oberbayrischer Wirtshaus-Tradition versprochen und ihr könnt euch gar nicht vorstellen, welche Ur-Gelüste der Vorabend-Check der Karte des Gasthof Schatten in mir auslöste- Devise: ICH WILL ALLES, SOFORT!

Neben Gasthaus-Klassikern und Brotzeitschmankerln auch Fisch und Vegetarisches, das alles zu Preisen, die für einen Tourismus Hot-Spot wie Garmisch sehr günstig anmuten.

Die Fahrt von Garmisch in den Ortsteil Partenkirchen hat für Touristen nichts Besonderes. Laut einer launigen Anmerkung des Senior-Chefs unseres  Hotels, dem wir sagten, wo wir heute einkehren würden, scheint das für Garmischer Eingeborene mit separatistischen Neigungen aber ungefähr so reizvoll zu sein, wie für einen Ur-Kölner ein Abend in der Düsseldorfer Altstadt mit entsprechender lokaler Bierbegleitung.

Das Hotel-Gasthof Schatten ist äußerlich all das, was man als Preuße von einem oberbayrischen Wirtshaus gemeinhin erwartet: Blumen überall, zwei mit Lüftlmalerei verzierte Stockwerke, Fensterladen und Holz wohin man schaut.

Außenansicht

Wir ergatterten einen der raren Parkplätze direkt vor dem Gebäude, ich genoss selig die Atmosphäre und Entspannung nach fast sieben Stunden Autofahrt, wir traten ein in die gepflegte, von hellen Hölzern geprägte Stube und der dezente, typische Wirtshaus-Geruch nach Braten und Kraut lullte mich derart ein, daß ich einer günstig sitzenden älteren Dame auf dem Weg zu unserem reservierten Tisch gerne schon einen Knödel vom Teller geklaut hätte.

Der Service hatte mich schon ab der ersten Sekunde gewonnen, Obachts Schatzl wurde vom Kellner lautstark mit (Bayern mögen mir meine fehlerhafte Wiedergabe verzeihen): „Wos, du hier? Hams di echt schon wieda nausgelossen ausm Knast?“ begrüßt; sehr schön, man kennt sich, das mag ich.

Unser uriger Ecktisch erlaubte uns einen Ausblick in den schönen Gastraum, durch die Fenster war im Sonnenuntergang noch der nicht minder einladende Bier- bzw. Wirtsgarten mit Panorama-Ausblick zu erkennen.

Der Kellner (auf dem Bon steht Wolfgang, Herr Obacht meinte aber ich solle ihn Manfred nennen, das würde ihn freuen :-D) fragte in bester bajuwarischer Manier nach ersten Getränkewünschen, die Damen labten sich an Rhabarber Schorle (0,5l zu 3,60€), die Herren frönten dem Bier, ich erhielt eine vorbildlich gezapfte Urweiße von Erdinger, der halbe Liter zu sehr erträglichen 3,40€.

Auftritt Tagesempfehlung Manfred: „A supa Haxn hoab i doa!“ - das verfing bei Madame und Herrn Obacht, ich träumte seit Tagen von bayrischem Schweinsbrat`n mit rescher Kruste und blieb dabei, Obacht, die mondäne Grand Dame der Werdenfelser Gastro-Kritik (ich hoffe, ich höre jetzt ein Lachen aus GAP) war nicht nach Fleischbergen und wählte ein feines Hirsch-Filet mit frischen Pfifferlingen.

Vorab aber bittschön für jeden einmal der Klassiker, mit dem Obacht! mich seit jeher bei Whatsapp vor allem im Winter demütigt und grün vor Neid werden lässt: Pfannkuchensuppe!

Die gibt’s bei uns fei ned, na, ned für Geld und gute Worte, gibt’s ned, das Bergische Land kennt Rinderbrühen von sehr schwankender Qualität oder gerne Kartoffelsuppen mit Mett. Wenn man das Glück hat und von Letzterer eine erwischt, die in erster Linie nicht nur als Spachtelmaße für Raufaser-Reparaturen geeignet ist, macht diese garantiert so satt, daß ein Essen danach erst in Tagen wieder möglich scheint…

Pfannkuchensuppe – 3,90 €


Pfannkuchensuppe


Obacht erzählte mir, der Koch und Sohn des Hauses habe neben einer vorangegangenen Metzgerlehre in seinen Lehr- und Wanderjahren in einigen gehobenen, besternten Lokalen gekocht, sich aber in der elterlichen Tradition für ein Wirken in der Küche des Familienbetriebes entschieden hat.

Was auch immer er aus seiner Lehrzeit mitgenommen hat, sein Handwerk hat er gelernt, die Suppe sah nicht nur köstlich aus, sie schmeckte auch entsprechend.

Der Fond hätte geschmacklich nicht weiter entfernt von gekörnter Brühe sein können, intensiv, ehrlich und beherzt mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt, ein Hauch Muskat in den Pfannkuchen, der frische Schnittlauch rundete nicht nur optisch stimmig ab.

Über diese Suppe einen Roman zu schreiben schaffe selbst ich nicht, ich ließ mir dazu die leicht süffige Ur-Weiße schmecken und genoss tiefenentspannt den lange ersehnten Moment.

Vielleicht etwas zu viel der Entspannung….

Schweinsbraten - 10,50€

Foto der Schande als Symbolfoto für meinen vergessenen Schweinebraten

…denn vor lauter Plauderei, Bewunderung der knusprigen Haxen und folgenden Knipserei (…) der Gerichte der anderen (…) vergaß der „König der A7“ zum ersten Mal bei einem Essen, bei dem eine Kritik geplant war, sein bald darauf serviertes Hauptgericht abzulichten, ein unfassbares und unverzeihliches Versagen.

Strafe muss sein, eigentlich hatte ich vor irgendeinen Schweinebraten-Cartoon als Symbolbild hochzuladen, erinnerte mich aber an das obige, unvorteilhafte, belastende Foto-Dokument, das nach Durchwandern der Partnachklamm neben einem kleinen Gasthaus entstand.

Mein denkbar niveauvolles Foody T-Shirt, das Sir-Mix-A-Lots unvergessenen Superhit aus den 90ern reminisziert – hier eine seltene Aufnahme von 2014, geneigte Zeitzeugen der frühen 90er werden sich dran erfreuen: https://youtu.be/w59e20ijOpE?t=2m42s – und das dezente, „tierische“ Werbeschild schienen ein gelungener Urlaubs-Schnappschuss; heraus kam ein dicker Mann neben einer Baustelle, Augen auf bei der Motivwahl, ich mahne und warne!

Aber angesichts der extrem hohen Burka-Dichte in GAP, das unter arabischen Gästen im Juli und August ein zunehmend beliebtes Urlaubsziel darstellt, war ich auf infantile Art und Weise auch stolz darauf, ein eindeutiges Statement für westliche kulinarische Werte im Straßenbild darzustellen. :-)

Vorab wurde zum Braten ein bayrischer Speck-Krautsalat serviert, leicht süß-sauer angemacht, der Kümmel durfte natürlich nicht fehlen. Der Salat war von A-Z hausgemacht, knackig und frisch, der Speck aromatisch und stimmig dosiert, grundsolide und einfach gut.

Vom Schweinebraten erhielt ich zwei große Scheiben auf einem großzügigen Spiegel (eher ein kleiner See) einer köstlichen Dunkelbiersauce, die Schwarte vorbildlich knusprig, geräuschlos war dieser köstliche Braten nicht zu essen, soviel stand fest.

Zum zarten wie saftigen Braten wurden zwei große Knödel gereicht, ein Semmelknödel und ein Kartoffelknödel, letzterer getoppt von in Nussbutter gebräunten Brotkrumen, Kalorienzählen sollte man besser woanders.
 
Beide Knödel großartig, schöne, lockere Konsistenz, hatten diesen „wie von Muttern“-Touch, jeder Sonntagsbraten wäre stolz auf diese Begleitung.

Ich war selig, in dieser Küche lass ich mir Kümmel in jeder Form gerne gefallen der auch in der Sauce verwendet wurde, daheim verwenden wir zwar gerne Kreuzkümmel für türkische oder nahöstliche Gerichte, den anderen aber eher selten bis gar nicht, er schmeckt ja auch komplett unterschiedlich.

Zur Wiedergutmachung für das fehlende Foto, hier Bilder von Madames Haxe und Obachts Hirsch-Filet, die Haxe habe ich probiert, und ja, sie war so knusprig wie sie aussieht, das Fleisch war ebenfalls angenehm zart und auch diese Sauce intensiv und ehrlich:

Knusprige Schweinshaxe mit Semmelknödeln - 13,50€

Hirschfilet mit frischen Pfifferlingen

Zum Abschluss noch ein Nuss-Brand auf Empfehlung und Einladung von Frau Obacht! - köstlich, das letzte Mal, daß ich solch einen hochwertigen Nussbrand kosten bzw. schnuppern konnte, war in der Brennerei Habbels in Sprockhövel, seinerzeit traf ich Obacht! das erst Mal „offline“ wie mir gerade einfällt.

Die Kartenzahlung konnte bequem am Tisch erledigt werden. Da Kellner Manfred im Verlaufe des Essens von Obachts Schatzl noch ein paar zünftige Sprüche reingedrückt bekam, entwickelte sich noch eine spaßige Unterhaltung, der Senior des Hauses kam dazu, ein Original wie aus dem Bilderbuch in Lederhosen und Loferln (Wadenwärmer), schwer zu verstehen aber ebenfalls mit bestem Humor gesegnet.

Service-Rakete Manfred ist Österreicher, um ihn wieder auf dem Boden der Tatsachen zu holen erwähnte Obacht! beiläufig genüsslich die beeindruckende Medaillenbilanz von Team Austria in Rio von genau einer (1) Medaille.

Ich fragte irritiert, seit wann Zwiebel-Wettschälen oder Germknödel-Wettessen olympisch seien, was Manfred und Senior zwar ein breites Grinsen abverlangte, Reste von Nationalstolz verlangten aber von Manfred, daß er mir mein Plastikgeld bei der Rückgabe in gespielter Herablassung abschätzig vor mir auf den Tisch warf. :-))

Fazit

Dieses Haus wird auch von Restaurantführern gelobt und ich habe verstanden warum, schörkellose, traditionelle oberbayrische Küche mit besten, regionalen Zutaten, dazu ehrliches Handwerk in der Küche, deren Leistung kann man wirklich nur loben.

Der Service handfest und witzig, zuvorkommend und präsent, ebenso, wie man es sich wünscht in einem solchen Haus. Senior und Junior ließen es sich nicht nehmen, bei den Gästen persönlich die Zufriedenheit zu erfragen, sehr herzlicher Stil ohne jegliches, operettenhaftes Touristen-Theater.

Ambiente und Sauberkeit? Ersteres genau die richtige Mischung aus alpiner Gemütlichkeit und klassischem Wirtshaus, keine Wolpertinger in jeder Ecke dafür schönes Holz und geschmackvolle Farben.

Zum PLV muss man hier nichts sagen, vielleicht ist das meine NRW Brille und die Bayern sind anderer Meinung, für mich aber genauso herausragend wie die Küche.

Was bleibt? Vorfreude! Vorfreude auf den nächsten Abend in diesem Gasthof in der gleichen, netten Runde, es war ein herrlicher Urlaubsauftakt, herzlichen Dank nochmal an Obacht! und ihre dynamische besseren Hälfte mit dem guten Auto-Geschmack! :-)
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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