Ole Deele
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Heinrich-Wöhler-Str. 14, 30938 Burgwedel
Restaurant Hotel Sternerestaurant
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GastroGuide-User: tischnotizen
tischnotizen hat Ole Deele in 30938 Burgwedel bewertet.
vor 5 Jahren
"Das Maß der Dinge in der Region"

Geschrieben am 13.05.2019
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Besucht am 13.04.2019 Besuchszeit: Abendessen 6 Personen
Gerade mal ein halbes Jahr ist unser letzter Besuch her und demzufolge ist auch mein Bericht dazu noch recht frisch. Üblicherweise schreibe ich so schnell danach nicht schon wieder – außer höchstens, wenn auf einmal alles ganz anders wäre. Was bisher nicht vorkam und auch in der „Ole Deele“ nicht der Fall ist.

Unser Besuch im Oktober letzten Jahres hatte uns so gut gefallen, dass uns dieses Restaurant als der richtige Ort erschien, um mit unserer GastroGuide-Gourmetgruppe das lange geplante Wiedersehenstreffen zu begehen. Das alleine erfordert natürlich eine anständige Dokumentation und deshalb also schon wieder ein Bericht. Aber um es vorweg zu nehmen: Die Wahl war goldrichtig!

Im Rahmen des Arrangements, für das wir uns alle der Einfachheit halber entschieden hatten und das neben der Übernachtung auch sämtliche Getränke (bis auf den Digestif) enthält, wird der Apéritif wieder in der Küche eingenommen. Dieses Mal starten wir allerdings nicht mit Champagner, sondern einer Flasche Nahe-Sekt, die die liebe PetraIO der genussfreudigen Truppe kurzfristig als heimatlichen Gruß aus der online einsehbaren Weinkarte orderte. Welch eine schöne Idee, die für reichlich „Hallo“ sorgte.

Wie auch der erste Gruß, der auf einem Sauerkrautbaiser mageres, aber würziges Eisbeinfleisch mit einer Scheibe Krustentiergelee kombiniert. Letzteres bleibt etwas zurückhaltend, aber gibt dem im Grundsatz deftigen Ansatz eine feine, unterstützende Frische.

Amuse Bouche: Eisbein / Sauerkraut / Krustentier

Ich bin ein großer Freund der gefüllten Eierschalen als Amuse, die es seit langer Zeit landauf, landab und jenseits der Grenzen gibt. Mit den vielen kreativen Versionen, die wir dabei schon erleben durften, hat es jedes Mal aufs Neue etwas von Überraschungs-Eiern.
Und auch heute werden wir nicht enttäuscht. Am Boden eine Lauchmousse, ein pochiertes Wachtelei, ein Schaum von Räucherfischen aus der Wedemark, etwas Schnittlauch und Forellenkaviar ergeben einen harmonischen Grundakkord, bei dem vor allem die Räuchernote präsent ist, ohne sich penetrant in den Vordergrund zu spielen. Das ist sehr fein austariert.

Amuse Bouche: Wachtelei / Räucherfisch / Lauch

Im Glas geht es weiter mit einer Tom Ka Gai, einer Bärlauch Panna Cotta und einem extrem luftigen Schaum aus Ginger Beer, der zusätzlich eine ganz elegante Schärfe beisteuert. Kleine Stückchen gerösteter Hühnerhaut liefern Crunch und runden dieses ebenso originelle, wie gelungene Gericht ab.

Amuse Bouche: Tom Ka Gai / Bärlauch / Ginger Beer

Den Abschluss der Grüße in der Küche macht eine Komposition, die wir, zumindest was einen Gutteil der Zutaten angeht, auch beim letzten Besuch hatten, seinerzeit in einer Jakobsmuschelschale. Heute allerdings findet sich das Tatar von der Jakobsmuschel mit dem Eis vom Schafsmilchjoghurt, Sanddorngelee und weiteren acht Komponenten, darunter Austern- und Bouillabaissecreme, Krustentiergelee und Perlen vom Ostfriesentee noch komprimierter in einer einzigen Austernschale. Das kann fast ein wenig zu viel sein, denn die zweifellos handwerklich aufwändig hergestellten Bestandteile können so kaum richtig zur Geltung kommen. Andererseits vermittelt sich die Idee eines norddeutschen Geschmacksakkords unmittelbar.
In jedem Fall ist der Aufwand, der hier in die Küchengrüße gesteckt wird, beeindruckend und das Ergebnis überzeugend.

Amuse Bouche: Jakobsmuschel / Schafsmilch / Sanddorn

Noch bevor es dann am Tisch mit dem eigentlichen Menü losgeht, macht sich große Begeisterung breit, als das Brot serviert wird. Ich freue mich in erster Line zwar darüber, dass es erneut wieder herzhafte Churros gibt, die mir beim ersten Mal allerdings etwas fluffiger und würziger vorkamen. Trotzdem wieder ein Vergnügen. Derweil schnüffelt sich die übrige Tischgesellschaft am Brot in einen regelrechten Rausch. Das noch warme Brot begeistert nicht nur mit einer wunderbar röschen Kruste, sondern auch einem intensiven Geschmack, bei dem wir alle über mögliche Zutaten rätseln, bis Nico Kuckenberg das Rätsel lüftet. Gemüsebrühe und Liebstöckel verleihen dem Brot in der Tat eine ungewöhnliche Tiefe.

Brot & Churros

Die Vorspeise stellt vor allem ein hervorragendes Produkt in den Mittelpunkt. Der Balik Lachs Tsar Nikolaj aus dem Haus Prunier ist ganz mild geräuchert und gesalzen. Das Rückenfilet gehört vermutlich zu den feinsten – und auch teuersten – Teilen, die man vom Lachs bekommen kann. In der „Ole Deele“ wird er zum einen recht pur und als Tatar sowie nur mit Gurke in Texturen serviert. Die Pumpernickelcreme zum Tatar hinterlässt für mich ein etwas unangenehm, mehliges Mundgefühl, wenngleich es geschmacklich natürlich ein klassisches Geschmacksmuster bedient. Ansonsten ist dieser Teller ganz eindeutig ein Produktgang, der alleine deshalb und klugerweise auf größere Extravaganzen verzichtet.

Balik-Lachs Tsar Nicolaj / Gurke / Zitrus / Pumpernickel

Der Jahreszeit angepasst, und tatsächlich signalisieren die Außentemperaturen, dass wir den Winter erst ganz knapp verlassen haben, präsentiert sich das folgende Gericht mit einem deutlich erdigeren Grundton. Morcheln, Pilztapioka, Gerstenrisotto und eine angegossene Pilzbouillon setzen das makellos gegarte Filet vom Skrei in einen nahezu herbstlichen Kontext, dem nur ein paar Blaubeeren durch fruchtige Akzente Paroli bieten. Die Haut sowie Pinienkerne für den Crunch runden ein stimmiges Umami-üppiges Gericht ab, das auch im direkten Vergleich zur Vorspeise eine deutliche aromatische Steigerung darstellt.

Kabeljau / Spinat / Gerste / Champignon

Und noch eine Spur deftiger wird es mit Benjamin Galleins Interpretation eines lokalen Klassikers, dem Hannoverschen Zungenragout. Das vereint üblicherweise Rinderzunge, Mettbällchen und kleine Würstchen, hier Saucischen genannt. Maßgeblich ist aber vor allem die Sauce auf Basis von angeröstetem Mehl. Das kann so schwer schmecken, wie es klingt. Muss es aber nicht. Auch hier ist dieses Gericht nicht auf einmal eine luftig, leichte Angelegenheit, aber schon ein wenig entschlackt und vor allem elegant in Szene gesetzt. Mit dem dezenten Einsatz von Rhabarber gelingt Gallein zudem ein cleverer Schachzug, weil dieser mit seinem Süße-/Säurespiel das Gericht einerseits unterstützt und den nötigen Kontrapunkt setzt.

Hannoversches Zungenragout / Grüner Spargel / Rhabarber / Saucischen

Weiter geht es mit einer perfekt rosa gegarten Scheibe von der Challans-Entenbrust mit schön knuspriger Haut. Und erneut überrascht die Küche mit einer Vielzahl feiner Begleiter, angefangen vom Ravioli mit in eigenem Fett gegarten Keulenfleisch, einer Scheibe vom getrüffelten Semmelknödel, einer gefüllten Spitzkohlrolle und Schwarzwurzel. Der eigentliche Clou, neben der ganz ausgezeichneten Trüffeljus ist für mich aber das Püree von Orangenschalen, das unweigerlich eine Assoziation an Ente à l'Orange aufkommen lässt.
Erneut beweist Gallein, dass man auch klassischen Kombinationen mit klugen Interpretationen noch Neues abgewinnen kann.

Challans-Ente / Schwarzwurzel / Spitzkohl / Orangenschalenpüree

In Ergänzung zum normalen Arrangement, das eigentlich nur fünf Gänge vorsieht, hatte unser Tisch im Vorfeld auf sechs Gänge aufgestockt. Beim Lesen der Menükarte war ich zunächst etwas enttäuscht, dass es statt eines zubereiteten Gerichts Käse geben sollte. Nicht, dass ich mich gegen einen schönen Käsewagen wehren würde, aber wenn ich wählen könnte, würde ich mich immer für die kreative Zubereitung entscheiden.
Meine Zweifel verflogen jedoch ziemlich schnell, als Oliver Fabris die imposante Auswahl von mehr als 20 Sorten vom Maître Affineur Volker Waltmann aus Erlangen präsentierte. Nur noch wenige Restaurants leisten sich den Luxus, einen so gut bestückten Wagen vorzuhalten und zu pflegen, zumal wenn er dann auch noch von einem so herausragenden Affineur bezogen wird. Und so war der Tisch voller Käse-Afficionados rundweg begeistert.
Ich persönlich benötige ja keinerlei Beilagen zum Käse, aber die angebotenen Chutneys fanden ebenso anerkennende Zustimmung.

Käse vom Wagen / Volker Waltmann / Erlangen
Meine Auswahl

Die süße Abteilung leitete Nico Kuckenberg mit einem Pré-Dessert ein, das süßes Dörrobst-Couscous mit einem Ziegenkäsesorbet und Schokoladenplättchen kombinierte. Letztere waren mit Chilli und Curry aromatisiert und steuerten eine passende leichte Schärfe bei. Ein guter Übergang, der eine gekonnte Brücke vom Herzhaften zum Dessert schlägt.

Pré-Dessert: Couscous / Ziegenkäse / Schokolade

Kuckenberg gehört, wie auch Benjamin Gallein, nicht zu den Umstürzlern am Herd. Seine Sache ist auch eher das intelligente Erneuern und Modernisieren bekannter Gerichte oder Geschmacksmuster. Und so ist es auch bei seiner Interpretation des Rüblikuchens, der Karotte in diversen Texturen präsentiert, als Kuchen, als Sorbet, Creme und mariniert. Der Orangen-Apfel-Jus liefert genug Säure, damit es nicht zu einförmig wird. Sehr schön gemacht und präsentiert.

Rüblikuchen / Sorbet / Sauce / Kuchen

Gleiches gilt auch für die abschließenden Petits Fours, die handwerklich ebenso makellos gemacht sind.
Sowohl der mit Kirschsorbet gefüllte Lolly, als auch die Crème Brûlée von der Passionsfrucht, der Schoko-Crossie-Riegel mit Peta-Zeta-Britzeleffekt und der Madeleine sind ein köstlicher Abschluss.

Petits Fours

Unser zweiter Besuch innerhalb eines halben Jahres hat den hervorragenden Eindruck des Erstbesuchs ohne Zweifel untermauert. Die Küche der „Ole Deele“ ist für meinen Geschmack momentan das Maß der Dinge in der Region Hannover. Vielleicht ist es meinem Alter geschuldet, dass ich trotz allem Spaß an Avantgarde immer mehr Gefallen finde an einem Stil, der das klassische Fundament nicht verleugnet und mit klugen Modernisierungen und Interpretationen zu überzeugen weiß. Genau das erkenne ich in Benjamin Galleins Küche, der sich die Patisserie von Nico Kuckenberg nahtlos anschließt.

Was wäre aber ein kulinarisch perfekter Abend, wenn nicht auch der Service auf dem Niveau spielen würde? Oliver Fabris als humorvoller, kenntnisreicher, ebenso lockerer wie formvollendeter Gastgeber und Elke Wacker im Service bieten dafür den adäquaten Rahmen. Die genussfreudige und ausgelassene Tischgesellschaft hatte jedenfalls ihren Spaß. Und zwar von Anfang bis Ende!


Bericht wie immer auch auf meinem Blog: http://tischnotizen.de/ole-deele-burgwedel-2/
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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