Grüner Jäger
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An der B76, 24340 Altenhof
Restaurant Biergarten Gasthof
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GastroGuide-User: stekis
stekis hat Grüner Jäger in 24340 Altenhof bewertet.
vor 10 Jahren
"Landgasthof mit fragwürdigem Ambiente"
Verifiziert

Geschrieben am 22.03.2015
Besucht am 25.02.2013
Seit Wochen schon hatte ich einen Janker auf Grünkohl, hatte ich doch des Norddeutschen liebstes Winteressen in dieser Saison erst einmal gehabt, doch immer war etwas dazwischen gekommen. Heute jedoch bot sich die Gelegenheit, und nach kurzer Überlegung steuerte ich den „Grünen Jäger“ in Altenhof an. Doch schon der Aushang im Schaukasten gab unter „Termine“ bekannt: „Saisonabschluss – Grünkohl satt 24.02.2013“.
 
Ich ging trotzdem hinein, kam hinter der Außentür in einen Flur, wo die Türen sowohl nach rechts als auch nach links mit „Gaststube“ bezeichnet waren. Nach kurzem Blick durch das Türglas wandte ich mich nach rechts, wo ich den Tresen erspäht hatte. Im Tresenraum waren zwei der vier Tische besetzt, durch eine Türöffnung am anderen Ende konnte man weitere Tische sehen. Eine Bedienung war an einem der Tische mit den Gästen beschäftigt, eine Begrüßung erfolgte nur äußerst knapp, eine Tischzuweisung nicht. Ich nahm an einem der freien Tische Platz, und nachdem die Bedienung die anderen Gäste verabschiedet hatte, kam sie zu mir, begrüßte mich noch einmal und reichte mir die Speisekarte.
 
Die Karte bietet die üblichen Standards der schleswig-holsteinischen Landhausküche, dazu etliche Schnitzelvariationen und ein umfangreiches Fischangebot. Während ich noch die Karte studierte, klingelte das Telefon und die Bedienung verschwand durch die offene Küchentür, um das Gespräch anzunehmen. Ich konnte problemlos mithören, dass sich wohl jemand nach Grünkohl erkundigte und die Bedienung ihm erklärte, dass es keinen Grünkohl mehr gebe. Daraufhin wurde das Gespräch wohl abrupt beendet und die Bedienung kam in den Gastraum zurück.
 
 „Schade“, sagte ich und bedeutete ihr, dass ich auch hauptsächlich wegen Grünkohl gekommen sei. „Moment, ich frage mal den Koch“, sagte sie und verschwand nach hinten. Teile ihrer Diskussion mit dem Koch konnte ich mithören, und nach etwa zwei Minuten präsentierte sie mir das Ergebnis: Grünkohl mit Kasseler und Kochwurst wäre machbar, aber ohne Schweinebacke. Das war mir auch recht, denn um Schweinebacke so richtig zu genießen, muss man entweder in Schleswig-Holstein geboren sein oder als Zugewanderter seit mindestens dreißig Jahren hier leben, und diese Wartezeit habe ich noch nicht ganz voll. So einigten wir uns auf die Grünkohlplatte mit Kasseler und Kochwurst, dazu bestellte ich ein alkoholfreies Hefeweißbier. Das wurde nach der minimalen, für das Einschenken erforderlichen, Zeit serviert, dann kam der Koch aus der Küche und fragte, ob ich süße oder salzige Kartoffeln dazu haben wollte. Nun ja, so lange lebe ich aber immerhin schon im schönsten Bundesland der Welt, dass ich zu Grünkohl süße Kartoffeln esse, und das sagte ich auch dem Koch.
 
Die Einrichtung dieses Landgasthofes ist etwas speziell. Sämtliche Türen, Türrahmen und alle Holzteile am Tresen sind kräftig Grün gestrichen, das Mobiliar ist in Eiche rustikal, die Tische mit pflegeleichten Resopal-Platten. Darauf liegen jeweils nur Tischläufer, besetzt mit einem Gesteck aus künstlichen Blumen, Salz- und Pfefferstreuer in gemeinsamem Halter und eine Kerze im Glasleuchter, An den Wänden hängen mehrere großformatige Schinken in Öl vom Typ „Röhrender Hirsch am Bergsee“, teilweise stark nachgedunkelt, teilweise von der Sonne ins rötliche verfärbt.
 
Dann brachte die Bedienung einen Teller mit Besteck und Serviette und einen weiteren kleinen Teller mit einem Glasschälchen mit Senf. Das Besteck erwies sich beim näheren Hinsehen als Steakbesteck der billigsten Sorte mit Plastikgriffen, sozusagen aus dem „Ein-Euro-Laden“.
 
Nur wenig später brachte die Bedienung einen Teller mit Grünkohl, darauf eine Kochwurst und zwei Scheiben Kasseler, dazu in einer separaten Schüssel die süßen Kartoffeln. Deren Aussehen irritierte mich etwas, denn statt einer relativ festen karamellisierten Kruste waren sie von einer dicklichen Flüssigkeit überzogen. Diesen Aggregatzustand schrieb ich im ersten Moment, als ich mir daran die Zunge verbrannt hatte, der hohen Temperatur der Kartoffeln zu, doch auch im Zuge der weiteren Abkühlung blieb ein Teil des Überzugs flüssig, während sich an einigen Stellen kleine Zuckerinseln bildeten. Das habe ich in verschiedenen anderen Häusern schon deutlich besser bekommen.
 
Der Grünkohl war jedenfalls gut bis sehr gut, ebenso die Kochwurst, während die beiden Scheiben Kasseler klar erkennen ließen, dass sie bereits am Vorabend zum „Grünkohl satt“ in den Startlöchern gestanden hatten. Aber, so dachte ich mir, besser so als gar kein Grünkohl!
 
Was das Ambiente angeht, muss man den Begriff „Historischer Gasthof“ so eng auslegen? Ich kenne etliche traditionsreiche Häuser, die wesentlich geschickter modernisiert wurden, ohne ihr antikes Flair zu verlieren. Die nahezu allgegenwärtige grüne Farbe in diesem Haus ist dagegen eher ein Hilfeschrei: Saniere nie ein Haus zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz!
 
Fazit: Ja, irgendwie hatte das schon seinen Grund, warum ich es in den letzten 25 Jahren noch nie in den Grünen Jäger geschafft habe, und dieser erste wird wohl auch mein letzter Besuch dort sein. Da gibt es in der Umgebung ebenfalls traditionsreiche, aber wesentlich angenehmere Landgasthöfe.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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