Lehners Wirtshaus
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Bahnhofstraße 1, 74072 Heilbronn
Restaurant Wirtshaus Biergarten
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GastroGuide-User: Minitar
Minitar hat Lehners Wirtshaus in 74072 Heilbronn bewertet.
vor 5 Jahren
"Deutsche Hausmannskost?"
Verifiziert

Geschrieben am 01.10.2018
Besucht am 30.09.2018 Besuchszeit: Abendessen 1 Personen Rechnungsbetrag: 21 EUR
Familiäre Gründe führen mich Ende September nach Heilbronn, das zwar sehr hübsch am Neckar liegt, mir aber – städtebaulich gesehen – immer etwas Gänsehaut verursacht. Da Tante und Onkel auf ein bestimmtes Wirtshaus schwören, folge ich ihnen anstandslos, zumal der angekündigte Biergarten am letzten warmen Wochenende dieses Jahres einen verheißungsvollen Abschluss erhoffen lässt. Aber man sollte nicht zu früh frohlocken…
Lehner´s Wirtshaus gebärdet sich gern als Original und bedient damit eine allgemeingültige Sehnsucht nach Authentizität. Die Speisekarte präsentiert jede Menge vermeintlicher bayrischer Schmankerln wie Schweinshaxe und Schweinekrustenbraten, Weißwürste und Wurstsalat, Kaiserschmarrn und Obazda. Dass wir uns hier im Schwabenländle befinden, erscheint vernachlässigbar. Aber manche kuriosen Merkwürdigkeiten kann man kaum überlesen: zu den „Original Allgäuer Käsespätzle“ äußere ich mich gleich noch, doch „Allgäuer Ofenkartoffeln“ waren mir bisher als Spezialität nicht so bekannt - dass das Allgäu als Kartoffelland gelten könne, möchte ich sogar glattweg bezweifeln. Und die Schwaben machen aus der Kartoffel lieber Salat. Egal.

Lehner´s Wirtshaus befindet sich in allerbester 1a-Lage in Heilbronn: nur durch einen Fußweg vom Neckar entfernt, direkt an der Friedrich-Ebert-Brücke, unweit der Experimenta und auch unweit der 2019 hier stattfindenden Bundesgartenschau. Vom Bahnhof aus ist man in wenigen Minuten zu Fuß vor Ort, aber auch die Busse und Stadtbahnen halten vor der Haustüre. Leider liegt das Lokal in einem hässlichen Betonzweckbau, doch im Außenbereich (sprich: Biergarten) hat man alles aufgefahren, was einem zu Outdoor-Gemütlichkeit einfiel: große Sonnensegel, ein Strandkorb, mehrere Liegestühle, einige aus Holzpaletten grob zusammengezimmerte Sitzmöbel. Oha! Der Innenbereich wurde offenbar 2017 komplett runderneuert und familien- und kuscheltauglich möbliert. In manchen Bereichen soll man sich wohl wie auf einer Almhütte fühlen, inklusive aufgestapelten Holzscheiten für den nicht vorhandenen Holzofen. Mir graust schon beim Hingucken. Übrigens noch mehr beim Betreten der Toiletten. Eine regelmäßige Pflege und Wartung ist hier eher nicht vorgesehen. Es ist schmutzig, der gesamte Boden ist mit Papier, Brösel, Unrat übersät. Toilettenpapier ist ausgegangen.

Dafür ist der Service auf der Biergarten-Terrasse wirklich sehr bemüht, ausgesprochen freundlich und dazu noch überraschend flink und agil. Die jugendlichen Kräfte tragen folkloristisch Angehauchtes zu interessanten Tattoos.  Kurzfristig auftauchende Probleme werden flugs behoben. Als unsere Bedienung zum Beispiel bemerkt, dass ich dem schlichten Pfefferstreuer nichts entlocken kann, weil er bis zum Anschlag befüllt wurde, kippt sie einfach ein Viertel der Ladung ins nächste Blumenbeet. Und bringt mir eine Pfeffermühle. Also, warum nicht gleich so?

Nun zu unseren „Schmankerln". Wir entscheiden uns für „Maultaschen vom Metzger“ mit hausgemachtem Kartoffelsalat und Schwarzbiersauce, sowie für „Original Allgäuer Käsespätzle“. Dazu extra Beilagensalate (je 3,40 Euro). Die Maultaschen sind fein mit Brät und Spinat gefüllt, sanft umhüllt und von einem sämigen Kartoffelsalat begleitet. Die dunkle Sauce eignet sich hervorragend zum knätschigen Vermengen. Ob hier wirklich ein Metzger beteiligt war, entzieht sich unserer Einschätzung. Eine vegetarische Variante ist auf jeden Fall auch erhältlich. Die Spätzle sind eindeutig schnöde, fade Fertigware, Die angekündigten „Schmelzzwiebel“ sind bis zur Geschmacklosigkeit im Fett ertränkt. Auch rein optisch hat dieses Gericht nichts mit den hier bereits veröffentlichten Fotos gemein. Nur der Beilagensalat ist aufgrund seiner Frische und ehrlichen Zubereitung eine lobende Erwähnung wert. Selten so ein leichtes, doch zugleich würziges Dressing erlebt. Und alle Bestandteile glänzen durch Eigengeschmack, Möhre und Kohl sind frisch gehobelt. Obwohl meine Verwandtschaft traditionell den hiesigen Schoppenwein Trollinger zuspricht (der mir eher zu lieblich und lasch vorkommt), kann ich sie zu einem erdigen, schweren, dunklen Primitivo überreden. Herrlich auch das Angebot an Edel-Spirituosen aus der Hörbranzer Destillerie Prinz (das hier überraschend preisgünstig ausgeschenkt wird).  Serviert wird unser Essen übrigens nach weniger als einer Viertelstunde. Verdächtig! Das Servicepersonal scheint offenbar zu Schnelligkeit angehalten zu werden. Unsere Servicekraft stolpert schon mal und landet fast bäuchlings überm Tisch.

Da mir schon vor Ort einiges missfiel, habe ich zuhause etwas recherchiert. Lehner´s Wirtshaus gehört zu einer Serie systemgastronomischer Einrichtungen an verschiedenen Orten. Als Kontakt finde ich: Enchilada Franchise GmbH. Oh, isst man Enchiladas nicht in Mexiko?
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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