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An diesem Freitagabend war gehörig was los und sogar im kleinen Kronprinzenstübchen vis-à-vis vom Hauptgastraum und quasi über den Innenhof erreichbar, waren alle Plätze belegt. Gut, dass wir reserviert hatten. Unser Zweiertisch befand sich in Raummitte der Gaststube und war der einzige freie Tisch weit und breit. Es ging drinnen etwas trubelig zu, was uns nicht störte. Das Publikum war bunt zusammengewürfelt. Ein paar Familien (mit Kindern), ältere und jüngere Pärchen, kulinarische Haudegen mit Degustationshintergrund sowie junge Feinschmecker mit Anhang. Das nenn ich mal einen gesunden Altersquerschnitt durch die Genussfraktion. Dazu einige Hotelgäste, die vielleicht ein Schlemmer-Wochenende im „Kronprinzen“ gebucht hatten. Dass ausgerechnet sie die mit Abstand nervigsten Gäste waren, stellte sich im Laufe des Abends noch heraus.
Zur Historie des Lokals, den Räumlichkeiten und den Stationen des Küchenchefs Simon Seiler habe ich mich schon bei meiner ersten Rezension geäußert. Und seinem Credo, dass gute Küche bezahlbar sein sollte, bleibt er nach wie vor treu. Auch beibehalten hat er die gutgemeinten Portionsgrößen, von denen unser Daueresser aus der Quadratestadt heute noch schwärmt. Hier geht keiner hungrig raus und schon gar nicht mit dem Gefühl zu viel bezahlt zu haben. Das PLV ist hier einfach unglaublich und wenn Weyher in unserer Nachbarschaft liegen würde, wäre der „Kronprinz“ sicherlich eines meiner Stammlokale.
Frau Seiler kann sich heute auf die Hilfe einer zweiten Servicekraft stützen. Das ist bei dem Andrang auch notwendig. Selbst Herr Seiler sen., der eigentlich in der Küche an der Seite seines Sohnes wirkt, hilft zusätzlich beim Raustragen der Teller. So geht Familienunternehmen: wenn’s eng wird, packen alle mit an. Und auch mit schwierigen Gästen (Extrawünsche mit der Bitte um zeitnahe Erfüllung trotz vollem Haus, aufdringlich lautes Telefonieren mit dem Handy im Gastraum, Trinkgeld-Geiz etc.) weiß das umsichtig agierende Service-Team gekonnt umzugehen.
Auf den herbstlich eingedeckten Tischen liegt einiges an Lesestoff herum. Zunächst fällt mir ein Faltblatt mit der Aufschrift „Aus Omas Rezeptbuch“ ins Auge. Es handelt sich dabei um drei Empfehlungen aus der Pfälzer Regionalküche. Kastaniensuppe (4,90 Euro), Wildbratwurst mit Rotkohl und Kartoffel-Karotten-Stampf (12,90 Euro) und Eis vom „Neuen Wein“ mit Traubensalat (6,90 Euro) können auch für schlanke 19,90 Euro zusammen als 3-Gang-Menü bestellt werden. Wobei es zur Hauptspeise noch einen Beilagensalat gibt, womit wir eigentlich wieder bei vier Gängen wären.
Wem die Empfehlungen aus Großmutters Regionalküche nicht reichen, für den gibt es ja noch das im Rahmen des Wettbewerbs „So schmeckt die Südpfalz 2016“ angebotene „Apfel-Menü“ (in zwei Varianten). Nach meinem Besuch in der „Bärenklause“ (Herxheim) und dem „Lamm“ (Neupotz) vor ein paar Wochen, hatte ich nun bei Simon Seiler schon wieder die Gelegenheit, das von mir nicht besonders gemochte Obst in diversen Gerichten entsprechend veredelt zu genießen. Naja, aller guten Dinge sind drei, also entschied ich mich für das Apfel-Menü, das hier mit 26 Euro sehr freundlich kalkuliert war. Es bestand aus karamellisiertem Erdesbacher Ziegenkäse mit Apfelchutney und etwas Grünzeug, einer „Kleinen Schweinerei“ (der Herr Daueresser möge sich erinnern…) sowie einem Ofenschlupfer vom Apfel, Salzkaramelleis und Mandelcreme. Lediglich die Vorspeise war nicht so meine, weshalb sich meine freundliche Begleitung dazu bereit erklärte, diese zu übernehmen. Als adäquaten Ersatz wählte ich die Kastaniensuppe von der brutal-regionalen „Oma-Karte“. Ihre Hauptgangentscheidung fiel nach langem Abwägen auf das Hirschgulasch mit Pfifferlingen, Preiselbeeren und Spätzle. Für den Preis von 15,90 Euro war bei diesem Gericht noch ein Beilagensalat inklusive.
Obwohl ich mich an jenem Abend schon frühzeitig entschieden hatte, musste ein beiläufiger Blick in die eigentliche Speisenkarte schon sein. Man will ja wissen, ob sich da etwas verändert hat. Und siehe da: alles wie gehabt. Seiler greift in seiner kulinarischen Auswahl auf sein bewährtes 4-9-4-4-System zurück. Vier Vorspeisen (darunter zwei Suppen), neun Hauptgerichte (zweimal Fisch, zweimal Veggie, fünfmal „etwas Richtiges“), vier Pfälzer Schmankerl sowie vier verschiedene Vesperteller für hungrige Wanderer, die schon um 17.30 Uhr vor der Tür stehen.
Die Auswahl der Speisen ist bunt gemischt und versucht eine große Bandbreite verschiedener Geschmäcker abzudecken. Sauerkrautsuppe (4,90 Euro), Zanderfilet in Rieslingsoße mit Pfifferlingen (18,90 Euro), veganes Pfifferlingrisotto (13,90 Euro), Kalbszunge in Sherryrahmsoße (13,90 Euro) und ein wirklich prachtvoller „Pfälzer Teller“ (13,90 Euro) seien an dieser Stelle beispielhaft genannt. Bei allen Gerichten gilt als gemeinsamer kulinarischer Nenner die Verwertung regionaler Produkte. Bodenständiges wird hier gekonnt in Szene gesetzt und wohl portioniert. Je nach Marktlage und Saison variiert Chefkoch Seiler das Angebot auf seiner Karte. Er tut das mit Bedacht, denn er weiß genau, dass es durchaus Sinn macht, den ein oder anderen „Klassiker des Gutbürgertums“ durchgehend und unverändert darauf zu belassen. Kulinarische Fixpunkte für Leute, die nicht ganz so auf Abwechslung stehen, muss es schließlich auch geben.
Als besonderen Aperitif stand passend zum Menü ein alkoholfreier Apfelsecco (0,1 l für 1,90 Euro) als Empfehlung bereit. Er schmeckte eigentlich wie Apfelsaftschorle, nur im Finish hatte er etwas mehr Konzentration und Säure. Die Standardflasche Mineralwasser (0,7l für 4,80 Euro) kam genauso umgehend an den Tisch wie das aus der gut bestückten Weinkarte ausgewählte Viertel Merlot vom ortsansässigen Weingut Bachtler (5,90 Euro). Der im Holzfass gereifte trocken ausgebaute QbA-Wein hatte ordentlich „Wumms im Glas“ (=Alkoholgehalt), ohne zu fett aufzutragen. Er war, wie sich noch herausstellen sollte, ein durchaus würdiger, da ausgewogener Essensbegleiter.
Über die Weinkarte der Seilers habe ich mich schon bei meinem letzten Bericht lobend ausgelassen. Beim Durchblättern fallen mir einmal mehr die durchweg kundenfreundlich berechneten Flaschenweinpreise auf. Und dass man sich hier ausgiebig aus dem unmittelbaren Winzerumfeld von Weyher und Rhodt bedient, macht natürlich Sinn. Die Weingüter Bachtler, Möwes und allen voran Valentin Ziegler Sohn (mit Shootingstar Georg Meier) liefern richtig gute Qualitäten zu bezahlbaren Preisen. Und warum denn Weine aus der Ferne saufen, wenn der gute wächst so nah?
Schön, dass schon bei unserer Ankunft etwas Brot, Oliven und eine Art Currybutter auf unserem Tisch bereit standen. Da wurde der erste Hunger gleich einmal „weggeschmiert“. Der später servierte Küchengruß fiel diesmal etwas rustikaler aus. Anscheinend waren die mit kleinen Leckereien gehäuften „Amuse-Löffel“ heute aus, denn es wurde uns ein Stück trockengeräucherte Mettwurst mit Gewürzgurke gereicht. Das ging früher etwas kreativer, aber war sicherlich dem großen Andrang geschuldet. Da an die meisten Tische schon die Hauptgänge gebracht wurden, hielt sich die Wartezeit aufs Essen in Grenzen.
Los ging es mit der Kastaniensuppe und dem Ziegenkäse. Und ehrlich gesagt, es spielt überhaupt keine Rolle, welche Suppe man aus Simon Seilers Repertoire wählt – denn sie schmecken alle. Bei meinen Besuchen habe ich jedes Mal ein anderes Süppchen kredenzt bekommen und fand sie ausnahmslos lecker. Auch die Kastaniensuppe hatte ordentlich Würze abbekommen und schmeckte im Gegensatz zu vielen ihrer „Schüsselgenossen“ kein bisschen fade. Gott sei Dank hat Chefkoch Seiler bei seiner Version nicht den Sahne-Hammer kreisen lassen. Im pürierten „Keschde-Sud“ schwammen noch kleine, weich gekochte Maronenstückchen. Herbstlicher kann man in der Pfalz kaum „vorspeisen“. Der Ziegenkäse vom Biohof der Stichlmeiers aus dem westpfälzischen Erdesbach bei Kusel gilt bei vielen Pfälzer Gastronomen mit Slow-Food-Attitüde als das regionale Qualitätsprodukt in diesem Bereich, weshalb ich ihn schon auf etlichen Speisenkarten in unserer Gegend gefunden habe. Simon Seiler hat ihn karamellisiert und mit einem leckeren Apfelchutney sowie ein paar Gartenkräutern (z.B. Petersilie) verfeinert. Das sah nicht nur gut aus, es schmeckte laut meiner Begleitung auch ganz hervorragend.
Gleiches galt für das Hirschgulasch, das in einer ansehnlichen dunklen Soße schwamm und mit frischen Preiselbeeren und Pfifferlingen veredelt wurde. Das hätte Hubertus von Lüttich nicht nur am 3.November geschmeckt, soviel ist sicher. Die Fleischstücke vom König des Rotwilds waren äußerst zart, was auf ein langes Schmoren hindeutete. Der feine Aromenkontrast von fruchtig-süß und kräftig-herzhaft verlieh dem Gericht das gewisse Etwas. Die leuchtend gelben Spätzle brachten beide Komponenten gut zur Geltung.
Ich dachte noch an die Jungs von „Fettes Brot“ als sie in den 90ern in ihrem Lied „Jein“ die Frage aufkommen ließen: „Na Kleiner, hast du Bock auf Schweinerei?“. „Ja klar…äh nein…ich mein…jein“ war an diesem Abend definitiv nicht die passende Antwort. Schon gar nicht, als ich den besagten Schweineteller vor mir stehen hatte. Der daueressende Kollege aus Monnem (sicherlich auch bekennender „Ferkel-Fanatiker“) hatte sich bei seinem Besuch im Mai für das Schweineschnitzel mit Spargel entschieden und dafür der kulinarischen Sauerei schweren Herzens abgeschworen. Dass Simon Seiler in dieses saumäßig leckere Gericht nun etwas Apfel „reingebastelt“ hat, um daraus den Hauptgang in seinem „So-schmeckt-die-Südpfalz-Menü“ zu kreieren und um mal richtig die Sau heraus zulassen, ist legitim. Und auf dem Teller lag anständig Schweinekram: zwei butterzarte Bäckchen, zweimal mit Speck ummanteltes, perfekt gegartes Filet, das obligatorische Stückchen Saumagen und eine Mini-Tranche vom Schweinebauch, ebenfalls schön geschmeidig von der Konsistenz her. Die einzelnen Fleischstücke lagen auf delikatem Kartoffelstampf, bei dem der Einsatz von Butter uns Sahne nicht übertrieben wurde. Die nötige Würze erhielt das Gericht durch eine handwerklich äußerst gelungene dunkle Soße mit Senfkörnern drin. Ein paar dünne Stängel angebratener, junger Lauch komplettierte diese Gaumenfreude, die mich schon ganz schön sättigte.
Doch es folgte ja noch der Dessert-Gang. Der „Ofenschlupfer“ (in manchen Regionen auch „Scheiterhaufen“ genannt) war gar nicht so schlüpfrig, wie er sich anhörte, sondern thronte stolz auf einem kleinen Häuflein Apfelklein neben dem sündhaft-leckeren, vor sich hinschmelzenden Salzkaramelleis. Dazu ein Bällchen Schoko-Mousse und eine Scheibe Parfait von irgendwas, das hervorragend mit dem Rest harmonierte und wir waren im siebten Nachtischhimmel. Dazu passte übrigens die Rieslaner Auslese vom Weingut Möwes (das Achtel für 3 Euro) außerordentlich gut.
Und wieder einmal außerordentlich gut hat uns dieser Abend im „Kronprinzen“ gefallen. Der lockere Plausch mit Simon Seiler am Tisch rundete das Ganze noch ab. Hier bekommt man wirklich gutes, handwerklich sauber gekochtes und dazu noch schön arrangiertes Essen für sein Geld. Und dass bei diesen Voraussetzungen das Lokal so voll ist, wundert sicherlich keinen. Tipp: nur mit Reservierung hingehen!