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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Bonapart in 39104 Magdeburg bewertet.
vor 9 Jahren
"Empfehlung. Französisch inspirierte Küche in Magdeburgs Zentrum."

Geschrieben am 09.02.2015
Besucht am 13.01.2015
Französische Trilogie Part 1

Auf der Suche nach gehobener Küche in der Magdeburger Innenstadt war ich bislang nicht sonderlich erfolgreich gewesen und folgte daher gern der Empfehlung ins Bonapart. Das Restaurant hat es immerhin im Gault Millau zu einer Erwähnung und 13 Punkten geschafft, wie ich im Nachgang sehe.
In fußläufiger Nähe zum Dom, auch noch zum Hauptbahnhof und den Hotels dazwischen, liegt es am Breiten Weg im Erdgeschoss eines "repräsentativen" Büroneubaus der Nachwendezeit. Durch die verglaste Front und über die kleine Terrasse geht der Blick auf die genau gegenüber gelegene Grüne Zitadelle von Hundertwasser. Zu später Stunde machten zwei echte Gasfeuer (nicht orange angestrahlte Flattertücher) auf den kleinen Eingang aufmerksam.
Nach dem Eintreten kam ich in ein überschaubares Lokal. Der Fußboden in schönem Schachbrettmuster. An der linken Seite vor der Theke die klassische, hier mit rotem Leder bezogenen Bistrobank an der Wand, davor eingedeckte, sehr eng stehende kleine Tische und als Stühle die unbequemen hölzernen Klassiker ohne jedes Polster. Auf der rechten Seite durch einen halbhohen Raumteiler zwei Nischen mit Vierertischen. Auf den Tischen gefaltete Stoffservietten und ein Grablicht, immerhin P+S-Mühlen, dazu Trockenblumen und darüber kleine Lampen mit roten Schirmen. Aus den Lautsprechern säuselt allen Ernstes Mireille Mathieu, na ja, Geschmackssache... Ganz schnuckelig eine verglaste Ecke, die durch den Windfang entsteht, quasi ein kleiner Wintergarten. An diesem kalten Abend habe ich mich dann aber doch von den großen Glasfronten fern gehalten. Ich wurde beim Eintreten von einer lebensgroßen Figur des Namensgebers begrüßt. Auch an den Wänden und auf dem Raumteiler wird auf den Franzosenkaiser Bezug genommen.

Nachdem ich einige Zeit vergeblich gewartet hatte, ob Kollegen des großen kleinen Korsen erscheinen, machte ich mich auf die Suche nach dem Service und wurde im Untergeschoss fündig, wo eine junge Dame im schönen, ehemaligen Klostergewölbe einer lauten Herrengruppe servierte.
Also flugs zurück nach oben, wo inzwischen auch die Kollegin wohl aus der Küche gekommen war. Freie Tischwahl. Mit dem Mantel keine Hilfe, aber vielleicht war ich nur zu schnell, denn kleine Zettel mit Zahlen an den Garderobehaken deuten darauf hin, dass diese den Tischen zugeordnet werden sollen.
Als ich sitze, folgt schnell die Frage nach dem Aperitif und der Hinweis auf ein oder zwei Tagesangebote. Aber ich möchte noch in mit Muße in der Karte lesen und bekomme dann auch meine Zeit. Das Angebot ist erfreulich überschaubar. Mein Blick schweift zwischendurch zur Decke, der man den Neubau ansieht. Vor allem aber sind Holzpaneele abgehängt, nicht geschlossen, sondern auf Lücke, so dass man weiterhin den Beton sieht. Nichts halbes und nichts Ganzes. Hinzu kommen zwei große Entlüftungsrohre aus Alu. Beides passt nicht Recht zur Bistroatmosphäre, da war das Kellergewölbe wahrlich schöner. Aber ich bin nicht zum an die Decke starren gekommen, zumal der Blick in die Karte Schönes zutage fördert.

Als Aperitif ein Cremant von Louis Bouillot für noch faire 4,2€ das Glas. Gerade kalt genug, aber für meinen Geschmack zuviel Säure. Gestört hat mich, dass das Glas, wie später auch der Port, schon gar nicht auf einem Tablett serviert wurde, vielmehr schlicht (ohne Handschuhe) am Kelch gefasst. Wozu wurde eigentlich das Stielglas erfunden? Das ging übrigens so weiter, obwohl ich denke, dass eine Fachkraft oder langjährig tätige angelernte Bedienung servierte. Keine vernünftige Ansage, nachgeschenkt wurde auch nicht. Schon leidlich freundlich wurde nach dem Gefallen und weiteren Wünschen gefragt, aber das war es dann auch. So ein ganz bißchen MITROPA-Charme blitzte in meiner Einbildung noch durch, wofür die Damen aber deutlich zu jung waren.

Über das Sans-Souci-Wasser für 6,4€ den 3/4 Liter letztmalig geärgert. Zum ersten Mal hätte ich zudem fast Charakterstärke zeigen und das Restaurant wg. eines MWI verlassen müssen, er lag bei 1,04, was allerdings nicht nur am Wasser, sondern auch an den sehr günstigen 44,5€ für das 5-Gang-Menue lag. Die recht fortgeschrittene Zeit, ein kaum reduziertes Mittagessen am Tage und die nicht begeisternden Hauptgänge Perlhuhnbrust oder Lachs ließen mich indes auf eine deutlich kürzere Folge ausweichen.

Als Amuse kam einfaches Baguette mit einer sehr dunkelgrünen Tapenade. Lt. Bedienung Oliven, Kapern, Sardellen und angeblich Thunfisch, von dem aber nun gar nichts zu schmecken war. Ich hätte eher auf Grünkohl getippt. Deutlich dagegen die Kapern. Auch meine ängstliche Frage nach Knoblauchdröhnung war wahrheitsgemäß verneint worden. Ein interessante, eigenständige Mischung, die neugierig machte.
Die 6 Weinbergschnecken in Butter à la Bocuse waren für 6,9€ ebenso angenehm bepreist, wie die Tournedos von Rind und Kalbsleber mit gerahmten Ingwer-Wirsing und Zucchini-Ricotta-Sesam-Ravioli an Dijonsenf-Paprikasauce für 21,9€.

Die Schnecken waren, wie auf dem Foto gut erkennbar, recht ansehnliche Exemplare und vorzüglich. Fest im Fleisch, aber zart. In reichlich, aber nicht zuviel Kräuterbutter - ebenfalls nur dezent Knoblaucheinsatz - und nur solange überbacken, dass sich eine zarte Kruste auf der Butter bildete, aber die Kräuter noch nicht verbrannten. Ausgezeichnet, 4,5 Sterne.
Auch die Fleischkomponenten des Hauptganges waren vorzüglich. Das Rindermedaillon knapp vor medium, zart, mit kräftigem Röstaroma und auch nicht zu zaghaft gewürzt. Die Kalbsleber rosa und ebenfalls kräftig gegrillt. Fast perfekt pariert, die beste seit langem. Auch insoweit gute 4 Sterne.
Die Beilagen mit der pompösen Zutatenliste fielen deutlich ab. Zucchini und Ricotta sind nunmal keine Geschmacksgranaten, da bedarf es einer würzenden Hand, um hervor zu heben. Davon war leider wenig zu spüren. Die zugegeben schöne grüne Füllung blieb lasch. Da konnten auch die à point gegarten Teigtaschen nicht verhindern, dass ich etwas zurück gehen ließ. Sehr selten bei mir (leider). Aber es wäre nur "Sättigungsbeilage" gewesen. Die noch als Schaum versprochene Senf-Paprikasauce war auch nicht der große Wurf. Der Gemüsebestandteil war für mich nicht zu schmecken, der Senf sparsam eingesetzt. Beim Kohl war es anders, aber auch nicht gut. Zwar kräftig angebraten, aber noch sehr, sehr bissfest und vor allem mit zuviel Salz versehen. Der angekündigte Ingwer höchstens zu erahnen. Schade, die Kompositionen klangen (sic!) vielversprechender. Eher schwache drei Sterne, alles in allem 4.
Auf das Dessert habe ich dann ganz verzichtet, ist eh kein Muss für mich.
Zum Abschluss daher lieber einen Portwein. Hier Cálem Tawny für schmale 3,4€ mit mehr Holznote als Frucht, eher braun als dunkelrot. War nicht so mein Geschmack. Auf der Rechnung als Dubonnet Rouge ausgewiesen, aber der Preis stimmte.

An der Sauberkeit gab's nichts auszusetzen. Toiletten hab ich weder besucht noch gesehen, vielleicht im Keller?

Fazit: Das Ambiente ist so lala. Der Service hat Luft nach oben. Die Küche hat aus ihren Ideen in Teilen zuwenig gemacht. ABER: es gab durchaus sehr Gelungenes und statt konzeptionell gar nicht gewollter Hochküche eine eigene Handschrift. Ich traue dem Bonapart bessere Ergebnisse zu, manchmal ist es auch schlicht Tagesform (Team oder Gast!), daher eine Empfehlung und (nach "Küchenreise") doch die 4 "Gerne wieder".
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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