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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Entenstuben in 90489 Nürnberg bewertet.
vor 6 Jahren
"Ein angenehmer Abend mit Überraschungen"
Verifiziert

Geschrieben am 19.03.2018 | Aktualisiert am 30.03.2018
Besucht am 25.01.2018 Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Man muss ja nicht alles verstehen, was einem gefällt.
Dachte ich bei mir, als ich rundum zufrieden das Restaurant in der ruhigen Wohnstraße am Rande der Nürnberger Innenstadt verließ. Vom Hauptbahnhof in vielleicht 15 bis 20 Minuten zu Fuß durch einen Park zu erreichen, der mich mit einem Biber-Reservat überraschte. Mit der Straßenbahtgn mögen es drei Stationen sein.
Von einem freundlichen jungen Herrn schon an der Tür in Empfang genommen und um meine Garderobe erleichtert, nahm ich sehr positiv die renovierte Raumgestaltung zur Kenntnis. Bei meinem letzten Besuch noch zu Zeiten des im Nürnberger Raum bekannten Manfred Burr tafelte man in einer Versace-Ausstellung - von den Lampen bis zu den Tellern barocke Formen und Goldrausch. Nun ein angenehm klarer Stil in warmen Brauntönen. Eine der Wände mit einem warmen Holzfurnier, die anderen mit einem glitzernden Stoff bespannt. Was sehr gut zu dem „Sternenhimmel“ aus kleinen LED-Leuchten passte, den Inhaber und Chef Fabian Denninger wohl gern entfernt hätte, aber am Veto des Verpächters scheiterte. Mir gefielen die funkelnden Punkte unter der Decke. Zusammen mit braun bezogenen Eames-Chairs, einem zurückhaltenden Teppichboden und überwiegend indirektem Licht eine Wohlfühlatmosphäre ohne jede Puppigkeit

Im ansonsten ähnlich gestalteten Nebenraum leistet man sich die Retro-Verspieltheit von Yucca-Palme, Ficus, Kaktus und Araukarie

Eher seltene Gäste in der aktuellen Sterne-Gastro-Innengestaltung. Auch die dunkle Eichenholz-Vitrine mit Edel-Bränden war überraschend, aber nicht unpassend.
Musikalisch wurde Jazz serviert, definitiv keine Fahrstuhlmusik. Als der Feierabend nahte, wurde die Lautstärke allerdings recht deutlich hoch gedreht. Bei an Profitmaximierung interessierten Gastronomen ein beliebtes Mittel, um Tische schnell zu drehen, fand ich es hier etwas befremdlich.

Die Tische gleichfalls elegant-schlicht mit zwei Decken, darauf ein kleines Grablicht und eine kleine Vase mit Tulpen. Ach, der Frühling war noch weit... Aufgerollt die übergroße Serviette, nicht gefaltet. Das Silberbesteck klassisch auf Bänkchen. Als Setzteller diente eine Glasplatte, unter der das Menü lag

 Pfiffig! Weniger Hantieren am Tisch mit großen Karten nebst Scherbenrisiko und trotzdem immer den kommenden Gang buchstäblich vor Augen. Sympathisch auch, dass unter den Willkommensgrüßen in der Weinkarte das gesamte Team unterschrieben hat.

Die Tische stehen nicht zu eng, aber eine passive Teilnahme am Leben der Anderen ist nicht völlig zu vermeiden. Einerseits kam ich so in den zweifelhaften Genuss mehrerer Gratulationstelefonate der Geburtstagsgesellschaft in der Ecke. Aber auch der Schlagfertigkeit einer hochbetagten Dame am Nebentisch, die schon die Aufzählung der Aperitife mit der trockenen Bemerkung unterbrach, dass sie nichts gegen Champagner einzuwenden habe. Als später etwas manieriert ein Zweitwein als „Kleiner Bruder von...“ angepriesen wurde, legte sie kokett nach: „Gegen kleine Brüder hab ich eigentlich auch nichts.“ Lady, you made my day!

Auffällig ein einzelner Herr, der ebenfalls Fotos machte. Ha! Etwa ein Kollege von Gastroguide? Beim Verlassen des Lokals stürzte ihm der Chef hinterher und erschien auch nach erst 10 Minuten wieder. Meine Nachfrage bestätigte der Service, allerdings vermutete man hier keinen GG-, sondern vielmehr den Michelin-Kritiker auf Wiederholungsbesuch. Aber die machen ja auch einen ganz guten Job...

Die Toiletten nach der Renovierung sehr ansprechend gestaltet, ein Stapel Gästehandtücher in verschiedenen kräftigen Farben machte (mir) gute Laune.

Zum angenehmen Aufenthalt trug der Service durch Sommelier Herrn Vietzhum bei, der von einem jungen, gut ausgebildeten Kollegen unterstützt wurde. Beide agierten souverän und freundlich, dabei klassisch von der Hilfe mit dem Stuhl, über das Tischchen für die Handtasche bis zur persönlichen Verabschiedung an der Haustür. Auch ein Taxi wurde angeboten.

Schon gab die Küche auf drei Probierlöffeln eine erste Probe ihres Könnens

Ein kleines Stück Waller mit schöner Röstnote und frischer Begleitung von Apfel und Beete war mein Favorit. Auch die Buchweizencrême mit Enoki auf einem sehr knusprigen selbst gebackenen Knäckebrot hat überzeugt. Beim Stück von der Königskrabbe irritierte etwas Wässrigkeit, zudem kam die Süße der Karotte nicht gegen einen unerkannten, sauren Mitspieler an.
Vielfalt schien hier Programm zu sein.

Der zweite Gruß war noch besser

Die saftige Wachtelroulade mit ausgelassenen Lardo-Streifen und Röstzwiebelpüree war zum „Reinsetzen“ umami.

Die Weinberatung nahm meine Wünsche gut auf. In der überlegt sortierten Karte mit einem Schwerpunkt fränkischer Gewächse findet sich nur die alte Welt, was mit der rhetorischen Frage erläutert wurde: „Welchen Sinn macht es, zum regionalen Rehrücken argentinischen Malbec zu servieren?“ Das kann man unter Nachhaltigkeitsaspekten so sehen.
Wir einigten uns als Headliner auf einen Chassagne-Montrachet Les Macherelles 2014 von Thomas Morey, der trotz seiner Jugend (also der Wein - Herrn Morey kenne ich ja gar nicht) schon kraftvoll und komplex war. Dekantiert trat das Holz zurück und der Wein gewann von Minute zu Minute. Sehr fein, dass die Flasche nur kurz im Eis war, der Dekanter dann AUF den Sektkühler kam. Der beste junge Chardonnay der letzten Monate. Um die vielen Euros tat es mir nicht einen Augenblick Leid.
Sidekicks waren ein Campari-Orange zum Auftakt und ein Martini Gran Lusso zum Käse. Und dann zum Abschluss noch eine süße rote Vendage tardive von den Côtes du Rhône - einfach so, weil ich Lust drauf hatte.

Ich ließ an diesem Tag überhaupt meinem Geschmack freien Lauf und achtete nicht auf Wiederholungen oder Abfolgen. Hat mir auch nicht geschadet, der famose Franzose im Glas trug mich souverän durch den Abend:

Confiertes Wildschwein
Lauwarmer Pulpo
Donau-Huchen
Gebratener Adlerfisch
Rosa Entenbrust
Fränkischer Heumilchkäse

Das Sechsgang-Menü mit 92€ absolut fair bepreist.

Zur Begleitung wurden 5(!) eigene Brotsorten angeboten, alle gut

Die knusprigen Hefeteigstangen mit Tomaten schmeckten mir besonders gut. Dazu gesalzene Butter und eine schmackhafte, vollfette Kräutercrême.

Mit dem ersten Menü-Gang kamen vom derzeit bemitleidenswerten Schwarzkittel mehrere Scheiben confierter Speck

Es ging also mollig, vor allem aber intensiv weiter. Mit den zahlreichen weiteren Bestandteilen konnte ich weniger anfangen. Recht naturbelassene, schmackhafte Salzkartoffeln, lauwarm und exakt gegart. Majonäse mit ein paar Kümmelkörnern, ein deutlich zu groß geratener Klecks Meerettichsahne, Kartoffelchips für den Crunch, ein paar Kräutlein. Sah aus wie ein etwas dekonstruiertes, mir aber unbekanntes fränkisches Gericht. Alles lecker, die Kombi hab ich nicht verstanden. Franggen, klären Sie mich auf!i

Der Pulpo des nächsten Tellers war wohl vor dem Anbraten sous vide gegart worden, superzart bis hin zu einer etwas irritierenden Weichheit. Geschmacklich aber 1a, lauwarm mit schönen Röstnoten. Dazu Kopfsalat und Schwarzwurzel en texture

Beides am Gaumen deutlich identifizierbar. Schmeckte alles für sich vergnüglich. Aber irgendeinen Zusammenhang mit dem Oktopus konnte ich beim besten Willen nicht herstellen. Hätte ich eher beim Wildschwein erwartet.

Rundum zufrieden war ich mit dem ersten Fischgang

Anstelle Saibling war ich auf den Huchen gespannt. Ein Lachsartiger, wie auch im Anschnitt zu erkennen

 Leicht glasig, wunderbar saftig und mit perfekt knuspriger Haut. Statt Zitrusfrüchten setzte Chef Denninger mit Schaum und Kernen des Granatapfels fruchtige Akzente. Die Graupen-Nocke hätte ich nicht gebraucht. Sehr gelungen auch die begleitenden Variationen vom Grünkohl: Püree, klassisch (aber fettfrei) gedünstet, roh süß-sauer-pikant eingelegt und schließlich auch noch frittiert. Das war spannend, auch wenn weniger nicht geschadet hätte. Das überfordert mich und dann wird nur noch abgearbeitet.

Im Menü folgte Adlerfisch ebenfalls auf der Haut gebraten

Ich unterstelle, dass der etatmäßige Saibling anders zubereitet gewesen wäre.
Der weiße Fleisch etwas weiter gegart, aber tadellos, ebenfalls die Haut. Fruchtsäure kam dieses Mal von Pomelostückchen, die etwas sparsam portioniert wirkten. Was auch an den überbordenden Varianten von Sellerie und Weizen gelegen haben mochte. Etwas viel l‘art pour l‘art, auch wenn mir die frittierte Knolle und das gepuffte Getreide schon gut gefallen haben.

Vor dem Hauptgang ein Gin-Granité mit Bitterzitronen-Gel zur Erfrischung

An sich bin ich für Sorbets und Granités mit Alkohol wegen der leichten Bitterkeit durchaus zu haben. Hier verstärkten sich die Komponenten in dieser Hinsicht aber doch zu stark.

Die Abteilung Fleisch war durch eine dann wieder famose Entenbrust in zwei dicken Scheiben vertreten

Und auch hier die Haut mit schönen Röstnoten und einem feinem Knusper. Mit dem Salamander kann die Küche bestens umgehen.
Das intensive Geflügel nur knapp rosa, nicht bei allen geliebt, aber ich mag es durchaus.
Die Beilagen - Steckrüben und Spinat - passten gut und paradierten wieder in diversen Zubereitungen. Alles schmackhaft, aber keine bleibende Erinnerung. Die Currysauce mit schöner Kardamomnote und nicht zu scharf brachte eine schöne Exotik ins Spiel.

Der abschließende regionale Heukäse zeigte, dass weniger eben mehr sein kann

Mandarine als Gel und Filets mit feiner Schärfe einerseits. Und andererseits Fenchel mariniert, als Crême und nur wenige Samenkörner. Beide Zutaten zauberten viele spannende Kombinationen. Da musste ich aufpassen, dass die beiden Käsestücke nicht zu schnell verschwanden. Manchmal ist weniger leider auch weniger!
Die bittrig-würzige Martini gab weitere interessante Geschmacksnuancen dazu, eine durchaus schlaue Wahl des Hauses.

Die abschließende Spätlese von der Rhône war ok. Aber wenn schon rot und süß, dann lieber einen kalifornischen Zinfandel.
Die Entenstuben verabschiedeten mich satt und zufrieden mit vier Kleinigkeiten in die Nacht

Ein Marzipan mit Quittengel, ein Brownie mit Topping von weißer Schokolade, ein Zimt-Marshmallow und - mein Favorit - ein Whisky-Zitrus-Gelee.

Fazit:
Der immer noch junge Fabian Denninger probiert weiter aus. Geschmacklich schon auf einem sehr guten Weg, verirrt er sich derzeit bei zu vielen Spielereien. Bei größerer Konzentration auf die Produkte ist hier noch erhebliches Potenzial. Leckere Wohlfühlküche war es aber auch jetzt schon.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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