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Meine Idee: wir speisen in einem UNESCO-Weltkulturerbe, das hat man ja nicht so oft! Das über 600 Jahre alte Gemäuer des Bremer Ratskellers passte ja ganz gut in die Reihe der unbedingt zu besuchenden Örtlichkeiten und die Schiefertafel mit dem Mittagsangebot versprach eine angemessene Auswahl zu moderaten Preisen. Beim Eintritt in das altehrwürdige Kellergewölbe kamen Erinnerungen an meinen damaligen Besuch des Auerbacher Kellers zu Leipzig hoch. Ein Hauch von Geschichte umweht solche gastronomischen Traditionshäuser und wären nicht die vielen Touristen (oh je ich war ja selbst einer…), man wäre fast geneigt zu sagen: hier scheint die Zeit noch still zu stehen.
Das tat sie im Bremer Ratskeller wahrhaft nicht. Dafür war es im mit dunklem Holz vertäfelten Inneren viel zu betriebsam. Man könnte durchaus von „Gewusel“ sprechen. Eine der reichlich unter Strom stehenden Bedienungen wollte uns einen Tisch in einer Art Separee (mich erinnerte die Holzkoje gleich an einen Beichtstuhl) andrehen, aber da hätten wir vom historischen Ambiente wenig mitbekommen. Etwas versteckt neben einem der großen Weinfässer fanden wir dann doch noch in der „Historischen Halle“ Platz. Wie schon erwähnt zieren rustikales Eichenmobiliar und riesige „Schmuckfässer“ das dreischiffige Gemäuer. 20 Säulen tragen dieses mächtige Gewölbe und wirken raumteilend. Viele kleine Nischen und Sitzecken entstehen. Verwinkelt und etwas schummrig beleuchtet, besitzt der Speisesaal durchaus antikes Flair. Die geschäftstüchtigen Bedienungen sind auf Besucher aller Herrenländer eingestellt und dementsprechend flott unterwegs.
Die Mittagskarte wechselt wöchentlich und steht dem Gast von 12 bis 14.30 Uhr zur Verfügung. Auf ihr befanden sich eine kleine Vorspeise (Salatteller), fünf Hauptgerichte und ein Dessert (Schokopudding). Die Hauptgänge waren sauber aufgeteilt in zweimal Fleisch bzw. Fisch und ein vegetarisches Gericht. Für jeden Geschmack war also etwas dabei. Preislich lagen die Mahlzeiten zwischen 7 und 10 Euro. Vor- und Nachspeise um die 4 Euro. Dennoch blätterte ich interessiert in der opulent bestückten Speisenkarte und stieß auf eine Auswahl saisonal inspirierter Pfifferlingsgerichte. Die Rahmsuppe von Pfifferlingen (stolze 5 Euro das Tässchen) sollte es als Vorspeise sein.
Hätte ich doch das Geld einem der Panflöte spielenden Peruaner ins Säckchen geworfen. Mit dem ersten Löffel war klar: hier hat sich einer beim Ablöschen mit Sherry gründlich vertan. Das Süppchen schmeckte so sehr nach dem südspanischen Starkwein, dass jede andere Geschmacksnuance am Pfifferlingsstiel erstickt wurde. Der ganze Mansch hatte aber auch gar nichts von einem fein abgeschmeckten, leicht moussierenden Schaumsüppchen, so wie ich das kenne. Nur Sahne- und Alkoholgeschmack. Was hätte da mein Bremer Kritikerkollege Borgfelder wohl gesagt? Sein „GastroGeist“ schwebte plötzlich über mir und hielt sich vor Lachen den Bremer Bauch. „Warum musstest du auch im größten Touri-Gasthaus der Stadt einkehren?“ hörte ich ihn sagen. Seine fein beschriebenen Bremen-Tipps glatt ignorierend (welch Fehler!!!) bin ich nun hier aufgeschlagen. Und mir schien, dass die kulinarische Retourkutsche gerade auf dem Rathausplatz vorfuhr. Oh je, mein Hauptgang: gebratenes Lachsfilet mit Zitronenbutter, Salzkartoffeln und Gemüsestroh (9,90 Euro) stand ja noch aus.
Ich nehm’s vorweg. Die grauen Haupt(gang)haare, die mir nach dem Süppchen wuchsen, waren dennoch unbegründet. Die beiden Lachsfilets waren ordentlich. Nicht zu trocken geraten und mit der Zitronenbutter als frischem Akzent durchaus lecker. Die vier Salzkartoffeln hatten noch genügend Biss. Das frittierte Gemüsestroh war mir etwas zu fettig. Da hätte knackig gebratenes Gemüse meiner Ansicht nach besser gepasst, aber die 9,90 Euro müssen ja auch betriebswirtschaftlich lohnend durchkalkuliert sein.
Meine beiden Begleiterinnen hatten die Filetspitzen „Stroganoff“ mit Reisrand und Roter Beete (8,90 Euro) sowie einen „Pfälzer Flammkuchen“ (die vegetarische Version mit Champignons für 9,95 Euro). Liebes Ratskeller-Team, es gibt keinen Pfälzer Flammkuchen. Dieser kommt ursprünglich aus dem benachbarten Elsass und ist normalerweise bzw. traditionell mit Zwiebeln, Speck und einer Masse aus Schmand und Sahne belegt. Eine „Pfalz-Variante“ mit Champignons ist ein Fantasie-Produkt, das mir im Ratskeller nicht besonders schmeckte. Zu dominant war hier der Kräuterschmand und zu wenig saftig die gesamte „tarte flambée“. Das kenne ich aus meiner Heimat besser. Im Elsass wäre diese Ovalbackware sicherlich unangetastet zurückgegangen. Das „Stroganoff“ war anständig, jedoch für 8,90 Euro hätte durchaus noch etwas davon mehr auf dem Teller landen können. Egal, es war eine Mittagsportion und deshalb wohl eher knapp bemessen.
Noch ein paar Worte zu den Weinen. Diese werden laut Karte als 0,2-Liter-Schoppen (was soll das denn sein bitte?) oder 0,5-Liter-Krüge angeboten und stammen aus verschiedenen Weinbauregionen unseres Landes (Mosel, Nahe, Rheingau, Württemberg, Franken und Pfalz). 10 Euro für einen halben Liter Pfälzer Dornfelder, der zudem noch von der Winzergenossenschaft (Massenwein) stammt, sind nicht gerade schüchtern kalkuliert. Und warum kein anständiges Viertel ausgeschenkt wird, bleibt mir sowieso ein ewiges Gastro-Rätsel.
Mein Fazit:
Bei meinem nächsten Bremen-Trip (und der kommt bestimmt…) werde ich im Vorfeld sorgsam die Berichte vom Mann aus dem Ortsteil Borgfeld studieren und sicherlich das „Schwarze Schaf“ mal ins kulinarische Visier nehmen. Mein Bedarf an Touri-Lokalen ist für dieses Jahr hinreichend gedeckt, was nicht heißt, dass mir der Besuch dort gänzlich missfiel. Schon allein wegen den einzigartigen Räumlichkeiten hat uns die kleine Stippvisite gut getan. Dass man in so bekannten Traditionshäusern auch richtig gut isst, scheint wohl eher doch eine Ausnahme. Aber vielleicht geht man da ja auch nicht nur wegen dem Essen hin…