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GastroGuide-User: tischnotizen
tischnotizen hat OLIVO im Steigenberger Graf Zeppelin in 70173 Stuttgart bewertet.
vor 8 Jahren
"Perfekter Lunch - die Zweite!"
Verifiziert

Geschrieben am 14.04.2017 | Aktualisiert am 15.04.2017
Besucht am 12.04.2017 Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 319 EUR
Wenn eine Kritik es schafft, soviel Appetit und Neugier zu wecken, dass man am liebsten selbst im besprochenen Haus einkehren möchte, hat der Schreiber sein Ziel wohl erreicht. In dem Sinne meinen herzlichen Glückwunsch und ebensolchen Dank an den Borgfelder, der es geschafft hat, dass wir bei unserem jüngsten Trip in die baden-württembergische Landeshauptstadt das Olivo kurzfristig in unser Programm eingeschoben haben. Hier also mein Bericht:

Vom Zug direkt an den Tisch. Machen wir auch nicht allzu oft, aber hier bietet es sich an. Unser Ziel liegt gleich gegenüber der vermutlich schlimmsten Bahnhofsbaustelle der Republik im ersten Stock des Steigenberger Hotels. 


Das Olivo, obwohl seit Jahren konstant zu den bestbewerteten Restaurants der schwäbischen Landeshauptstadt zu zählen, ist nicht besonders präsent in der überregionalen Wahrnehmung. Warum das so ist, wird sich uns auch nach diesem Lunch nicht erschließen, denn, um es vorweg zu nehmen, das Essen ist ausgezeichnet.


Mittags bietet das Olivo eine reduzierte Auswahl von Gerichten aus dem Abendmenü zu etwas günstigerem, aber immer noch vom Schnapperpreis entfernten Tarif. Man kann wahlweise 3 oder 4 Gänge (82€ / 94€) wählen. Zum Apéritif schickt die Küche einige bereits sehr fein gearbeitete Snacks: einen Krabbensalat mit Yuzugel auf Algenchip, Thunfischtatar im Knusperröllchen, Gazpacho, Erdnussbuttersandwich und die hier offenbar obligate Olivensphäre. Bis auf das Erdnussbuttersandwich, das mir trotz der überschaubaren Größe einfach zu massig im Mund wirkt, gefallen diese Kleinigkeiten bereits sehr und machen deutlich, wie präzise und handwerklich akkurat die Küche von Nico Burkhardt ist, der nach Stationen bei Heinz Winkler und Karl-Heinz Hauser mittlerweile auch schon seit 2011 im Haus ist.



Snack #1 - Krabbensalat





Es folgen verschiedene gute Brotsorten, Echiré-Butter, festes Olivenöl und aufgeschlagener Schmand.




Dass auch mittags hier ansonsten nicht weniger aufwändig aufgefahren wird als am Abend, zeigt auch das abschließende Amuse Bouche, das einen Waldspaziergang darstellen soll. In einem dreiteiligen Arrangement befindet sich auf Birkenstämmen ein kleiner Chip mit einem Pilz- und Wildkräutersalat, in einem kleinen Fläschchen eine Pilzessenz und im Schälchen ein Pilzragout mit Ei unter einer schaumigen Sauce. Vor allem letzteres begeistert durch die herzhafte Süffigkeit.



Amuse Bouche - Pilzsalat

Amuse Bouche - Pilzessenz

Amuse Bouche - Pilzragout

Das Menü startet mit sehr gutem, festfleischigen Matjes und diversen Variationen von Zwiebeln, Pumpernickel, Schmand und Granny Smith. Im Grunde nimmt dieses auch optisch sehr schöne Gericht auf gekonnte Art alle Elemente des norddeutschen Klassikers auf und setzt sie in einen modernen Kontext. Die unterschiedlichen Texturen ermöglichen viele Variationsmöglichkeiten und so lässt sich zwischen elegant und rustikal munter hin- und herspielen. Separat gibt es noch einen Würfel Matjesmousse, der ebenfalls noch einmal alle Elemente aufnimmt, insgesamt jedoch eher etwas zurückhaltend bleibt.



Matjeshering / Granny Smith Apfel / Zwiebel / Pumpernickel / Schmand

à part: Matjesmousse

Deutlich deftiger wird es mit dem Zwischengang, der als "Schweinerei" betitelt ist. Die butterzart geschmorte Backe vom Ibericoschwein findet sich in einem intensiven Schmorfond und wird frisch abgepuffert von Erbsen und dünn geschnittenem Rettich. Einige Brotchips sorgen für knusprige Textur. Kein besonders intellektuelles, aber dafür ein leicht zugängliches Wohlfühlgericht.


"Schweinerei" / Iberico Schweinebacke / Rettich / Erbse / Schwarzbrot

Im Hauptgang trennen sich die Wege am Tisch. Ich entscheide mich für den Stör mit Spargel, Bärlauch und Kaviar und bin sehr zufrieden. Das Gericht kommt ausgesprochen elegant daher und überzeugt mich vor allem in der Feinabstimmung aller Komponenten. Der Kaviar setzt nur sehr milde salzige Akzente, der Bärlauch ist als Püree ebenfalls sparsam eingesetzt und so bleiben der fabelhaft gegarte Stör und der Spargel die eindeutigen Protagonisten. Kartoffelcreme und eine samtige Spargelvelouté umspielen diesen Gang vorzüglich und sorgen so für echtes Frühlings-Feeling.


Lombardei Stör / Spargel / Bärlauch / Kartffelcreme / Kaviar

Auf der anderen Seite des Tisches bekommt Lammrücken seinen Auftritt mit diversen Texturen von Karotte. Ein klassischer und dunkel-samtiger Fond sowie etwas am Tisch über das Fleisch gehobelte Belper Knolle runden das Gericht ab. Bei Karottenvariationen habe ich immer die Befürchtung, dass das Ganze zu sehr ins Süße abrutschen könnte. Dem kommt Nico Burkhardt entgegen, indem er mit einigen Orangenfilets für dezente Säurespitzen sorgt. Die makellos schöne Präsentation steht ohnehin für sich.


Lammrücken / Karotten-Textur / Orange / Belper Knolle / Mole

Das Dessert sieht nur auf den ersten Blick etwas unscheinbar aus. Erneut variiert Burkhardt geschickt eine Zutat, hier vor allem Valrhona Schokolade, mit Pistaziensponge und einem frisch säuerlichen Eis. Blickfang indes ist eine Figur, die dem Gericht den Namen gibt, nämlich "Moai" und Steinstatuen auf den Osterinseln nachempfunden ist. Im Inneren verbirgt sich eine leckere Käsekuchencreme. Insgesamt ist auch dies ein unkomplizierter Spaß zum Querdurchlöffeln, cremig und schokoladig, aber nicht zu eindimensional, wie es bei Schokoladendesserts sonst gerne mal passieren kann.


"Moai" / Valrhona Schokolade / Yuzu / Pistazie / Käsekuchencreme

Zum Kaffee schickt die Küche noch einmal einige nette Petits Fours, bei denen lediglich der graue Brombeer-Macaron etwas abfällt. Über die Farbe könnte man streiten, über die Konsistenz eher weniger. Das geht durchaus etwas saftiger und den Brombeergeschmack könnte man auch deutlicher herausarbeiten.







Aber das ist angesichts der Gesamtleistung eine zu vernachlässigende Kleinigkeit. Dieser Lunch hat uns ausgesprochen viel Spaß gemacht. Der Service unter Christiaan van Berkel agiert souverän und professionell im lichten Ambiente dieses Restaurants.


Die Weinkarte ist naturgemäß gut in Württemberg sortiert, aber hält auch aus anderen Regionen Deutschlands und Europas einiges Spannendes bereit - allerdings auch zu durchaus selbstbewusstem Preis. Der von uns gewählte Pinot Blanc Barrique von Ostertag aus dem Elsass nimmt sich dagegen fast schon wie ein Schnäppchen aus. Die saftige Fülle und der nur leichte Holzton traf genau unseren Geschmack und gewann im Laufe der Zeit noch an Format. Zum Lamm gab es einen offenen Pannobile von Claus Preisinger vom Neusiedler See - unbesehen sowieso eine sichere Bank.


Pinot Blanc / Domaine Ostertag

Nico Burkhardts Küche ist klassisch fundiert, aber zeitgemäß und modern in der Ausführung. Neuinterpretationen werden hier scheinbar eher behutsam, aber gut durchdacht vorgenommen. Mit seiner stets eleganten Umsetzung bedient er so die Anhänger traditionellerer Gourmetküche ebenso wie Freunde einer modernen Präsentation. Und das will ja auch erst mal gekonnt sein.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


Jens und 15 andere finden diese Bewertung hilfreich.

DerBorgfelder und 15 andere finden diese Bewertung gut geschrieben.