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GastroGuide-User: rr_blaubaer
rr_blaubaer hat Pasteria dai vieni in 60325 Frankfurt am Main bewertet.
vor 9 Jahren
"Durchschnittliche Pasteria mit gewöhnungsbedürftigem Weinkonzept"
Verifiziert

Geschrieben am 06.03.2015
Besucht am 03.03.2015
Lange ist's her, dass ich dazu gekommen bin, meine Erlebnisse mit der Gastronomie im Allgemeinen und einzelnen Lokalitäten im Besonderen zu beschreiben. Aber alles hat ein Ende, so auch meine Schreibblockade.

Auslöser für die heutige Kritik war mein Besuch in der Pasteria dai vieni. Aber der Reihe nach.

Eigentlich wollte ich mir ja für den Abend nur eine Brötchen aus dem nahe gelegenen Supermarkt holen und mit auf mein Hotelzimmer nehmen. Auf dem Weg kam ich dann aber an besagter Pasteria vorbei.
Von außen sieht das Lokal nett und einladend aus. Auf den ersten Blick ist durch die helle Fensterfront zu erkennen, dass es man hier eher einfacher (im positiven Sinn) unterwegs ist und ich auch mit Regenjacke und Rucksack durchaus ins Bild passe.

Beim Betreten werde ich von einem Herrn mittleren Alters kurz begrüßt. Auf meine Frage, ob ich mir einfach einen Platz aussuchen könne meint er nur "bitte" und macht eine Geste, die mir die freie Auswahl andeutet.
Außer mir befinden sich noch 4 weitere Gäste an 2 Tischen im Restaurant.

Der einfach gestaltete Raum ohne viel Schnickschnack ist in 2 Bereiche gegliedert. Linker Hand gibt es hohe Tische mit einer Art Barstühlen, rechts "normal" hohe Tische mit Bänken (ohne Rückenlehne). Alles in dunklen Farben gehalten und durchaus ansprechend. Soviel zur Optik.

Zum längeren Verweilen halte ich persönlich diese Art der Einrichtung nicht für geeignet. Ich möchte wenigsten eine Lehne am Stuhl haben.
Da mich die hohen Tische immer ein wenig an Imbissbude erinnern, nehme ich an einem der freien Tische auf einer Bank Platz.
Servietten und Besteck stehen in einem Holzkasten auf dem Tisch.

Als Speisekarte bringt mir der Kellner (ich nehme an, es ist der Chef) 2 lose Din-A4 Blätter, welche eine überschaubare Anzahl an Pasta Gerichten, aber auch ein paar Fleisch- und Fischgerichte enthalten. Nachdem ich auf der Karte Spaghetti Carbonara entdecke und die Beschreibung von Ei, Speck und Parmesan spricht, ohne das Wort Sahne zu verwenden, bin ich zwar schwer versucht diese zu bestellen, in meinen Gedanken haben sich aber schon die Tagliatelle mit Tomatensoße und Kalbfleisch verfangen, die dann auch meine Wahl waren.

Da es kalt und regnerisch war, durfte es aber gerne vorab eine Suppe sein. Die Karte gab hier nur die Auskunft, dass es eine Tagessuppe gäbe. Die Rückfrage beim Patrone ergab, dass es sich wohl um "eine Zucchini, Auberginene und äh, … eine Gemüsesuppe halt" handle. Mutig wie ich war bestellte ich diese daher vorab.

Bislang lag soweit alles im Bereich meines Erwartungshorizontes. Das sollte sich aber bei der Getränkebestellung ändern.
Auf meine Frage, welche offenen Weine es denn gäbe, musste der Chef etwas weiter ausholen und meinte dazu müsse ich auch aufstehen und mitkommen, damit er mir ihr Konzept erläutern könne.
Ich war gespannt, was nun auf mich warten würde und mir stand sicher auch ein großes Fragezeichen ins Gesicht geschrieben, aber ich ging natürlich brav dem Chef nach an die hintere Seite des Lokals.
Dort gab es eine Apparatur, in der auf der einen Seite 4 Flaschen Weißwein, auf der anderen Seite 4 Flasche Rotwein eingespannt waren. An dieser "Zapfstation" kann der Gast nun wählen, ob er einen kleinen Probeschluck des Weines möchte, eine 0,1l Befüllung, oder ein 0,2l Befüllung.
Der Wein wird dann (ich vermute per Druckluft) in das unter den Auslass gehaltene Glas gefüllt (Achtung bei weißen Hemden => Spritzgefahr).
Das kann und muss der Gast selbst machen (d.h. man muss jedes Mal selbst aufstehen und sich seinen Wein holen).
Ich finde ja den Gedanken, dass ich einen Wein vorab probieren kann durchaus gut, ich würde dies aber lieber im Zwiegespräch und auf Empfehlung eines Kellners tun. Das hier angebotene Konzept scheint mir eher zu einer Lokalität wie dem Vapiano zu passen. Für ein kleines Lokal wie das hier beschriebene ist das eher eine Spielerei, die mir als Gast eine Pflicht aufbürdet, die ich nun wirklich nicht haben will.

Ich habe mich dann nach 2 „Probeschlucken“ für einen mir unbekannten Rotwein entschieden (es sei mir bitte verziehen, dass ich mir unter den gegebenen Umständen - die Flasche konnte man natürlich nicht in die Hand nehmen - nicht merken konnte um was es sich genau handelte). Preis für 01,l 3,90 €. Dafür bekam ich einen akzeptablen, trockenen Rotwein. Der Preis war, zumindest inklusive der Zugabe durch den Chef (siehe folgender Satz) in Ordnung.
Der Patron nahm mir dann auf dem Weg zum Tisch das Glas nochmal aus der Hand und meinte, da ich zum ersten Mal da sein, gibt er noch etwas oben drauf.

Außer dem Wein bestellte ich dann noch ein kleines Wasser (0,2l 2,- €).

Zum Essen orderte ich wie bereits geschrieben die Tagessuppe (4,50 € - lt. Chef Zucchini, Aubergine, ähhh, Gemüsesuppe) und Tagliatelle mit Tomatensoße und Kalbfleisch (9,50 €).


Die Suppe kam in einer recht großen Schale an den Tisch. Dazu gab es ein Körbchen mit Baguette. Ein kurzer Blick des bedienenden Patron in das Besteck-Kästchen auf dem Tisch ("Löffel ist noch da...")
Es wurde noch ein guter Appetit gewünscht, dann war ich alleine mit meiner "Gemüsesuppe".

Zunächst zum Baguette: Leider war es nicht frisch. Ich vermute mal, es wäre auch am Morgen nicht frisch gewesen. Die Menge war zwar üppig ausgelegt, aber das machte leider das sehr knusprige (fast harte) und teilweise zähe Erscheinungsbild des Brotes nicht wett.
Die Suppe, eine sehr mächtige Portion, war optisch nicht wirklich ansprechend.
Eine passierte, grünliche Masse mit Resten dunkelgrüner, kleingeschnittener Blätter sowie etwas verstreuter Käse, den ich aufgrund seines Aussehens irrtümlicher Weise zunächst für Koksraspel hielt starrten mich aus den Tiefen der Schale an. Das hätte mein Mensakoch früher besser hin bekommen.
Geschmacklich war die Suppe durchaus in Ordnung. Auf jeden Fall selbst gekocht, keine Fertigware. Allerdings traue ich mir nicht zu, alle Bestandteile zu identifizieren, die sich in der Masse verbargen. Das Ganze war gut abgeschmeckt, eher würzig, fast pfeffrig gehalten. Mir wäre zwar eine nicht passierte Variante lieber gewesen, war aber auch so OK.
Der Käse (die Identifikation erfolgt dann später), der in einigen Raspeln auf der Oberfläche der Suppe verteilte war, hat mich aufgrund seines Aussehens zunächst an Kokosraspel erinnert. Nach einem ersten Versuch war dann aber klar: Käse oder so was ähnliches. Geschmacklich auf einer Ebene mit Esspapier, die Konsistenz ähnlich. Trotz der wirklich heißen Suppe war an ein Schmelzen des Käses nicht zu denken. Kurz dachte ich daran, dass die Käsereibe vielleicht leer war und vielleicht noch ein Stückchen Papier .....
Zusammengefasst war die Suppe optisch eine Katastrophe und geschmacklich in Ordnung. Der Käse jedoch sollte meiner Meinung eher auf dem Kompost landen als im Essen.

Eher der üppigen Menge als dem Geschmack der Suppe geschuldet blieb noch eine ansehnliche Menge in der Schale zurück. Ich wollte schließlich noch die Pasta versuchen.
Als der Patron dann zum Abräumen kam fragte er übrigens auch nicht nach dem Geschmack, sondern nur, ob es zu viel gewesen sei.

Die Pasta ließ dann nicht lange auf sich warten. Ein schöner Teller mit einer ordentlichen Portion des bestellten Gerichtes. Optisch
glücklicherweise ein krasses Gegenstück zur Suppe.
Die Tagliatelle waren nicht zu dünn und von der Konsistenz her perfekt gekocht. Schön bissfest und geschmacklich sehr gut.
Die Tomatensoße war leider wenig aromatisch. Tendenziell eher von der leichten Sorte, mit einem fruchtigen Einschlag, den ich mir eher zu einer Gemüsebeilage besser hätte vorstellen können als zum Kalbfleisch. Etwas mehr Würze hätte durchaus noch sein können, aber es handelte sich zumindest um eine akzeptable Variante.
Das enthaltene Kalbfleisch war in kleine Stücke geschnitten und vom Garpunkt gut getroffen. Es war zart, nicht zu trocken und mengenmäßig durchaus wohlmeinend enthalten (das Gericht kostet schließlich unter 10 €).
Leider war auch hier der unsägliche Pappkäse über dem Essen verteilt, der sich aber, da er nicht schmolz auch relativ einfach aus dem Gericht entfernen ließ. Das Ganze hätte gerne deutliche würziger sein dürfen, war aber abgesehen vom Käse eine durchaus wohlschmeckende Art und Weise dem Hunger Einhalt zu gebieten.

Als der Chef zum Abräumen des Tellers kam fragte er dann doch noch nach, ob alles in Ordnung gewesen sei und schien durchaus mit leichtem Nachdruck etwas Kritik zu erwarten, sodass ich ihm mein Missfallen des Käses recht deutlich ans Herz legte. Er halke nochmal nach, ob mir der Mascarpone wirklich nicht gescheckt habe und meinte dann noch "Ok, dann lassen wir ihn nächstes Mal weg".

Ob der nun erfolgten Spezifikation des Käses als Mascarpone war ich allerdings erstaunt. Auf dem Heimweg überkamen mich dann auch meine Zweifel. Mein Wissen über italienischen Käse ist jedoch nicht so groß, dass ich mich hier zu weit aus dem Fenster lehnen möchte, aber eine Mascarpone-Variante, die gerieben werden kann war mir bislang noch nicht bekannt.

Als ich den Wunsch zu zahlen äußerte, wurde mir noch ein Ramazotti und ähnliches angeboten, was ich jedoch dankend ablehnte.
Der Patron schrieb dann in mehreren Versuchen von Hand auf einem "Schmierzettel" meine Rechnung zusammen. Auch die Version, die mir letztendlich vorgelegt wurde, musste nach meinem Einspruch nochmals korrigiert werden.
Da ich recht müde war und wenig Lust auf längere Diskussionen hatte verzichtete ich aber darauf mir eine "echte" Rechnung anstelle des Zettels ausstellen zu lassen.
 
Fazit:
Es fällt mir schwer dieses Lokal in eine Schublade zu stecken.
Das Essen war OK, aber eben auch nicht mehr. Es wurde versucht, gute frische Küche zu präsentieren, bleibt dabei aber auf einem zu niedrigen Niveau hängen. Da ich in den nächsten Wochen öfters in der Nähe bin, werde ich dem Restaurant vermutlich nochmal eine Chance geben und die Spaghetti Carbonara versuchen. Ich würde mich freuen, wenn meine Erwartung dann ein wenig besser erfüllt würden.
Zum Thema Bedienung kann ich auf der einen Seite nur sagen, dass ich stets sehr freundlich behandelt wurde, es aber auch kleine Schwächen gab.
Gestört hat mich die "Selbstbedienung" beim Wein. In einem so kleinen Lokal sollte es auch bei höherer Auslastung kein Problem sein, den Wein persönlich zu empfehlen und auszuschenken.
Preislich fand ich den Abend in Ordnung, mehr aber auch nicht.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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