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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Trattoria Calabrese in 82467 Garmisch-Partenkirchen bewertet.
vor 8 Jahren
"Grundsolider italienischer Mainstream"
Verifiziert

Geschrieben am 25.09.2016 | Aktualisiert am 25.09.2016
Besucht am 25.08.2016 Besuchszeit: Abendessen 4 Personen Rechnungsbetrag: 122 EUR
„Prolog“ – mußeferne Leser bitte hektisch zu „Kritik“ scrollen!

Die Woche in Garmisch neigte sich dem Ende entgegen, Petrus meinte es nach wie vor gut mit uns und somit stand dem touristischen Tatendrang weiterhin nichts entgegen.

Was für Paris der Eiffelturm, das ist für Garmisch die Partnachklamm, jene vom Wasser tief in den Fels gegrabene Schlucht, die zu den ältesten Sehenswürdigkeiten Garmisch-Partenkirchens zählt und seit 2006 als „Nationales Geotop“ besonderen Schutz genießt.

Man riet uns, die „kultigste“ Kabinenbahn der Gegend zu nutzen, um die Klamm vom Berg aus hinabwandern zu können, was angesichts der Temperaturen einen absolut großartigen Ratschlag darstellte, die Graseckbahn wurde in den 50er Jahren erbaut und galt damals wegen der einzigartigen waagerecht am Fels angeschlagenen Trassen-Stütze als technische Sensation.

Technik der 50er

So sieht Todesmut aus! :-)

Auch wenn die Klamm nicht unbedingt einen Geheimtipp darstellt, lohnt sich ein Besuch dieses ehrfurchteinflößenden Ortes auch für grobschlächtige Geister, die ansonsten für Naturdenkmäler nicht allzu viel übrig haben und bei jedem zweiten netten Sonnenuntergang in tiefster Ergriffenheit zu einer mehrstündigen Achtsamkeits-Meditation ansetzen.

In der Partnachklamm

Nach der erfrischend kühlen Schlucht schien der Rückweg zum Parkplatz bei 32 Grad sehr beschwerlich, wie schön, daß eine Kutsche gerade zur Abfuhr bereitstand, das bayrische Original auf dem Bock bot mir an, neben ihm Platz zu nehmen und ich wurde während der ca. 15 minütigen Fahrt ohne Atempause in tiefstem (und ich meinte verdammt tief!!) Oberbayrisch über die geopolitische Gesamtsituation, korrupte Lokalpolitiker sowie Bausünden rund um das Olympiahaus aufgeklärt.

Kutschfahrt mit Dauerbeschallung von links

Ich verstand nur ein Drittel, nickte durchgehend verständnisvoll und musste mich beherrschen, in dem Irrglauben selbst besser verstanden zu werden, nicht aus Versehen in ein peinliches Touristen-Bayrisch zu verfallen.

Danach folgte noch ein wenig sportliche Ertüchtigung im Alpspitzbad - eine gewisse Wasser-Rutsche wurde dabei diesmal mit gebührendem Abstand und maximaler Verachtung bedacht - deren Fokus allerdings eher im Bereich „Wellness & Planschen“ lag.

Wie bereits bei meinem ersten Besuch dort, freute ich mich während der entspannten Momente an dem mit einem Traumpanorama gesegneten Außenbecken auf das gemeinsame Abendessen mit den Obachts; heute sollte es zu einem unkomplizierten Italiener gehen, molto fantastico, da hatte ich richtig Lust drauf.

Gegen halb neun machten wir uns entspannt zu viert auf an unserem Hotel, einfach schön, welche Vielfalt an Gastronomie zu Fuß erreichbar war.

Kritik

Das Restaurant befindet sich unweit des Garmischer Ortskerns, in unmittelbarer Nachbarschaft des „Wildschütz“, einer örtlichen Institution in der zu Live-Blasmusik bayrische Spezialitäten gereicht werden; die in die laue Sommernacht dringende, blau-weiße Beschallung gab der Szenerie vor dem / der „Ristorante Pizzeria Trattoria“ Calabrese etwas wunderbar surreales.

Außenansicht

Da es hier in den Bergen auch im Hochsommer des Abends schnell kühl werden kann, hatte Obacht einen netten Tisch innen reserviert, die Tische al fresco waren bei unserer Ankunft alle belegt und man blickte in durchweg zufriedene Gesichter, die Kellner wuselten in klassischem Schwarz-Weiß umher und machten dabei einen konzentrierten, freundlichen und souveränen Eindruck.

Die Begrüßung durch den Padrone und einen seiner Söhne erfolgte freundlich und persönlich, die Obachts essen hier gerne, denn hier kann man auch in der Woche gegen neun Uhr oder später problemlos etwas zu Essen erhalten, ohne daß dabei sparsam geguckt wird und ab halb zehn an den Nachbartischen die Stühle hochgestellt werden.

Während wir die erste Flasche SP orderten, die hier für faire 4,50€ feilgeboten wird und die Karten musterten, fiel mir der unlängst renovierte Gastraum auf, hier dominieren eher helle Farben und eine gewisse Sachlichkeit, die Boden-Kacheln reminiszieren allerdings für meine Begriffe eher die Kellerbar der späten 80er Jahre als zeitgeistige Gastro-Ästhetik.

Gastraum

ABER, who cares, „auf dem Teller“ ist mir in diesen Lokalen immer noch wichtiger als „auf dem Boden“ und wer in diesem Genre Ambiente mehr schätzt als die Küchenleistung hat für meine Begriffe eine bisweilen fragwürdige Beziehung zu alltagstauglichen italienischen Lokalen.

Unser Tisch befand sich in einer Nische rechts des Eingangs und war die ideale Wahl für unsere gut gelaunte Vierer-Runde, Reservierungs-Tipp für den Doppel-Pärchen-Abend: Tisch 5!

unser Tisch

Wir erledigten die Bestellung, prima, daß alle Pasta Gerichte auch als Primi Piatti Portionen erhältlich sind, ein kleiner Teller Spaghetti vorab ist und bleibt mein „guilty pleasure“ beim Italiener.

Die Karte ist online zu finden unter http://trattoria-calabrese.de/speisekarte/ und beinhaltet neben den üblichen Verdächtigen eher wenig kreative Exzesse.

| ein Apero und ein kleiner Gruß |

Ein gut gekühlter Aperol Spritz schien mir vorab nach dem heißen Tag der ideale Aperitif, die Karte kündete neben der klassischen Variante auch von einem „Spritz Calabrese“, der sei neben Aperol und Prosecco noch mit Maracuja und Limetten-Saft zubereitet, klang gut, nahm ich.

Spritz "Calabrese"

Der sommerliche Drink wurde mit 4,80€ berechnet und so puristisch er serviert wurde, war er auch zubereitet, was dem Wohlgeschmack allerdings keinen Abbruch tat, die Bitterkeit des Aperols mit der Süße und Säure von Limette und Maracuja waren eine sehr gelungene Kombination.

Als kleinen Gruß aus der Küche erhielten wir Bruschetta: eine Scheibe geröstetes Ciabatta, gut abgeschmeckte Tomaten mit einem guten Olivenöl, Knoblauch nicht zu dominant, obenauf Rucola, Grana Padano und etwas Balsamico.

Bruschetta

Wirklich bemerkenswert ist das aromatische Öl, das in einer kleinen Flasche auch auf den Tischen zum persönlichen „Tuning“ zur Verfügung steht, für eine einfache Trattoria zumindest sensorische eine sehr anständige Qualität.

Ein netter kleiner Happen, schnörkellos, bewährt, schmackhaft und wir alle kennen sicher Italiener, bei denen zwei solcher Brotscheiben zwischen 5-10 Euro als Vorspeise verhökert werden.

| Pasta |

Spaghetti AOP – 4,50€ (kleine Portion)

2014 Cirò Rosso Classico DOC, Gaglioppo, Weingut Tenuta Iuzzolini, Cirò, Italien – 0,25l zu 4,80€

Spaghetti AOP

Über Geschirr-Geschmack lässt sich trefflich streiten, aber auf die Wolke aus Knoblauch und gehaltvollem Olivenöl, in der ich mich nach Servieren wiederfand, lasse ich nichts kommen, selten war es so schwer noch ein Foto zu machen, ich hatte einen Bärenhunger.

Zur Pasta servierte man neben Brot noch fein geriebenen (weitaus feiner als auf der Bruschetta) Parmesan, den ich geschmacklich intensiver empfand als den Käse auf dem kleinen Gruß aus der Küche, er kam in einem gepflegten kleinen Behältnis mit Metalldeckel.

Geschmacklich eine Wonne, wieder das gute Öl, idealer Schärfegrad ohne Scoville-Exzesse, frische Petersilie, ein Schuss Wein im Spiel, die Pasta al dente ohne an Rohkost zu erinnern, der Knoblauch geröstet ohne zu verbrennen und bitter zu werden – kurzum, ich war sehr zufrieden.

Ich tunkte mit dem Brot die wunderbaren Reste aus Öl, Knoblauch, Käse & Co auf und schlürfte meinen – mir vom Padrone äußerst konspirativ mit seiner Hand auf meiner Schulter empfohlenen :-)) - typischen Roten aus Kalabrien, während die Stimmung am Tisch immer gelöster und vertrauter wurde.

Ja, danke der Nachfrage, alles tuto bene, bitte weiter so!
 
| Hauptgericht |

Filetto Pepe Verde – 21,50 €

2014 Cirò Rosso Classico DOC, Gaglioppo, Weingut Tenuta Iuzzolini, Cirò, Italien – 0,25l zu 4,80€

Filetto Pepe Verde

Mir war schon den ganzen Tag nach einem guten Steak und als Obachts Schatzl seine Tagliata-Pläne verkündete stand mein Entschluss fest.

Und ich sollte nicht enttäuscht werden, schon die Sauce roch herrlich nach Pfeffer und einem Hauch Weinbrand, das Gemüse steuerte den obligatorischen Hauch Aglio bei, ein fröhliches Prosit in die Runde und auf ins Vergnügen.

Das Fleisch im Anschnitt medium rare wie gewünscht, die Konsistenz angenehm weich aber noch etwas Widerstand bietend, was ich durchaus angenehm finde.

Filet-Steak im Anschnitt

Allein, es hätte noch etwas ruhen sollen, das hätte Zartheit und Flüssigkeits-Verlust beim Anschnitt sicher noch positiv beeinflusst, im Eigengeschmack gut aber „nothing to write home about“. Nun, Edelfilet für >70€ das Kilo im Einkauf kann man zu diesem Preis hier aber auch sicher nicht erwarten, qualitativ daher völlig in Ordnung. 

Ganz schlimm finde ich Rinder-Filet ja außerhalb des entsprechend marmorierten, absoluten Premium-Segmentes aus dem Sous-Vides: Das Fleisch wird breiig-mehlig und so mancher Koch hält sich trotzdem für die kulinarische Speerspitze schlechthin – weil ist ja „Sous Vide“, es lebe der Gastro-Trend, seufz.

Die Sauce war aus dem Bratensatz gezogen worden, keine Convenience, keine Sterneküche, sondern einfache, ehrliche Küche inklusive beherztem Abschmecken. Der grüne Pfeffer gefiel mir mit seiner relativen Milde, der eingelegte, den ich zu Hause verwende ist bisweilen so intensiv, das ein paar Körner auf der Gabel alles überlagern, was sich sonst noch darauf befindet.

Auch das Gemüse wusste in dieser Hinsicht zu gefallen, Röschen von Broccoli und Blumenkohl, Kartoffelstückchen, in ihrer kontrastierenden leichten Süße an Vichy Möhren erinnernde Karotten, alles noch mit angenehmen Biss, alles mit Geschmack, sehr schönes Beiwerk zum Fleisch.

Apropos Beiwerk, ich blieb bei dem hinreichend gehaltvollen Roten aus Süditalien, auch zu den Röstaromen des Steaks und der kräftigen Soße passte dieser hervorragend.

Schon gut gesättigt ließ ich etwas vom Gemüse liegen, was leicht gespielten Argwohn beim Service weckte: „War die Gemüse nicht gut?“ – „doch sehr gut, aber auch dicker Gast hat limitato capazita de stomacio!“ stammelte ich peinlich angeheitert dem Kellner hinterher ohne ein Wort italienisch zu beherrschen, was diesen sichtlich erheiterte.

Gut nur, daß „stomaco“ ohne das „i“ tatsächlich Magen heißt, ich hatte eigentlich nur das englische Wort kindisch „italienisiert“, man muss auch mal Glück haben dürfen.

Auch am Tisch herrschte große Zufriedenheit, Herr Obacht weckte leichten Neid aufgrund seiner wirklich verlockend wirkenden Tagliata, Frau Obacht und Madame gönnten sich eine Pizza, Madames Exemplar mit Rucola und Parmaschinken schmeckte ihr hervorragend, was ich ausdrücklich unterstreichen soll.

Tagliata

| Dolce |

Tiramisu Limoncello – 5,20 €
Lugana ??? – 0,25l zu 5,80 €


Tiramisu Limoncello

Eigentlich wollte ich kein Dessert, Herr Obacht schon und als ich sah, was ihm serviert wurde und probieren durfte begann ich hektisch nach dem Service zu schauen.

Ich hätte auf eine „klassische“ Tiramisu bei der Hitze keinen Appetit gehabt, die Sahne-Kaffee-Kakao-Amaretto-Orgie wäre mir zu mächtig gewesen.

Nun, ätherisch leicht war dieses zitronige Expemplar ganz sicher auch nicht, Biskuit und Mascarpone hinterlassen meist zuverlässige Spuren in der Hüftregion, allerdings war die ganze Rezeptur geschmacklich so luftig rund um das Thema Limoncello angelegt, daß das gut gekühlte Dessert alles andere als bleischwer daher kam.

Die Sahne machte einen leicht flüchtigen Eindruck, das kann aber auch der Witterung geschuldet sein, ich vermute allerdings an dieser Stelle Gastro-Convenience, geschmacklich aber akzeptabel.

Den Wein hatte ich bereits bestellt, bevor ich mich für ein Dessert entschied, weil Herr Obacht bereits drei Viertel davon inhaliert hatte und voll des Lobes war, er war nicht als Begleitung gedacht.

Aber auch das funktionierte gut, knackig kalt mit erfrischender Säure war er ein toller Wein für den lauen Sommerabend, wobei ich den Preis bei diesem etwas ambitioniert empfand, wenn auch nur einen Hauch.

Nach dem Essen bot man noch einen Digestif an, was scholl´s, so jung komm´ wa nicht mehr zsammen, her mit dem Grappa, Freund vom Schtiefel Absatz, hicksch!

Cincin, amici!

Dieser mundete, die Kartenzahlung konnte bequem am Tisch erledigt werden und hernach hieß es Abschied nehmen, wir waren selbstredend die letzten Gäste und wurden ebenso herzlich verschiedet, wie wir begrüßt wurden.

Fazit

Weit weg von Haute cuisine oder neppigen Münchner Chi-Chi Allüren präsentiert sich das Restaurant als solide, im besten Wortsinne preiswerte Bank für das generationsübergreifende Essen für viele zwanglose Anlässe.

Die Küche hat mich überzeugt, in Details vielleicht noch etwas Luft nach oben, überzeugte viereinhalb  Sterne für das Gebotene sind mehr als angemessen angesichts des preislichen Settings.

Der Service familiär locker, dabei höflich, schnell, präzise und Service-Formalitäten nie außer Acht lassend.

Das Ambiente im Inneren ist unspektakulär und einen Hauch austauschbar, allerdings unglaublich sauber und unsere Nische empfand ich als ultimativ gemütlich. Wir waren am nächsten Mittag gleich wieder da um uns vor unsere Heimfahrt zu stärken, die Tische im Außenbereich erlauben einen schönen Blick auf die den Ort umgebenden Berge.
 
Das PLV empfand ich als angemessen, einen Stern Abzug wegen des Preises des sehr nüchtern präsentierten Aperos und der leicht sportlich bepreisten guten, allerdings auch tendenziell einfachen Weinen.

Aber, auch wenn es keiner mehr hören mag, wenn irgendwas keinerlei Kritik zulässt, dann unsere Stimmung an diesem Abend und das schöne Gefühl, über eine längst verblichene Web-Plattform und meine albernen Zeilen Freunde am „Ende der Welt“ gewonnen zu haben, ich freue mich schon auf eine Wiederholung, dann hängen wir gerne noch etwas Zeit dran. ;-)
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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