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GastroGuide-User: DaueresserGK0712
DaueresserGK0712 hat Zwockelsbrück in 67434 Neustadt an der Weinstraße bewertet.
vor 9 Jahren
"Sensationelle Frischeküche, verschiedenste Texturen und diverse Temperaturen/ Konsistenzen setzen nicht nur beim Dessert dem Gast die Krone auf !!"
Verifiziert

Geschrieben am 16.01.2016 | Aktualisiert am 18.01.2016
Es existiert eine neue Bewertung von diesem User zu Zwockelsbrück
Besucht am 15.01.2016
Der Borgfelder ist schuld. Ja, der Borgfelder ist schuld. Wir hatten gestern Abend im Vorfeld für 19:30 einen Tisch reservieren lassen, ich hatte das per Email mit Herrn Hartung abgesprochen, auf der Homepage wirbt man in der Zwockelsbrück mit eigenen Parkplätzen, allerdings waren diese so voll, dass wir gute 10 Minuten 3x komplett Neustadt/ Hambach wieder rauf gefahren sind, denn die Weinstube liegt bekanntermaßen oberhalb des Bahnhofs.

Die günstigen klimatischen Verhältnisse ermöglichen den Anbau hochwertiger Weine rund um Neustadt/Weinstraße, das ist deutschlandweit bekannt. Die Hambacher Weinlagen zB sind Feuer, Kaiserstuhl, Kirchberg, Römerbrunnen und Schlossberg. Die Gewächse werden nicht nur weltweit vermarktet, sondern können in Weingütern, Weinstuben, Gaststätten und ambitionerten Restaurants auch vor Ort verkostet werden. Schön, dass es einige Winzer auch in die Weinkarte der Zwockelsbrück geschafft haben und ganz ehrlich, die Pfälzer Weine müssen sich vor keinen Weinen Deutschlandweit verstecken. Der Boden ist reich an wichtigen Mineralstoffen, viele junge Winzer haben Wein studiert, es gibt einige sehr experimentierfreudige Jung-Winzer, die die Weißweine in diversen Holzfässern anbauen.


Anfangs hatte ich geschrieben dass der Borgfelder schuld sei. Ja, wir hatten eine "to do" Liste für die Region Neustadt und Umland, da standen in den Top 3 bisher ein erneuter Besuch des Urgestein`s (1 Michelin Stern), das Grünwedels Restaurant im schönen Stadtteil Diedesfeld, welches auch wie das " neue Fontana" unter anderem im Schlemmeratlas 2 Bestecke erkocht hat. Ich kann und muss auch zwei Textpassagen vom "Borgfelder" kopieren, ich hoffe die Community und GG nimmt mir das nicht krumm. Der von ihm gewonnene Eindruck kann ich zu 100 % bestätigen. 
In den letzten Wochen hatte ich das Angebot in der sehr klein gehaltenen Speisekarte verfolgt, erschwert kam hinzu, dass einige Wochen die "Zwockelsbrügg" geschlossen hatte. Zu Anfang des neuen Jahres tummelten sich dann einige neue Speisen in der saisonal geprägten Karte. Einige Wildspeisen verschwanden, dafür schmücken u.a. Wangen/Bäckchen vom Iberico Schwein oder das Rücken-Steak vom Blanc de Aquitaine Rind die übersichtliche Karte. Auf der Weinkarte tümmeln sich viele Spitzenwinzer aus der Region: Christmann, Knipser, Kuhn, Siegrist, die Biergenossenschaft wird mir bestimmt verzeihen, dass ich heute kein Bierchen bestellt habe. 


Die Fahrt zur Bergstraße etwas abenteuerlich, wir kamen von Mannheim über die A65, unser Navi hat uns nicht Zentrum sondern Neustadt Süd, über die Ortsteile Diedesfeld und Hambach geführt, ich wohnte knapp 2 Jahr in Neustadt-Gimmeldingen, ich hätte einen anderen Weg vorgezogen, aber es war kurz vor glatt bei Minus 1 Grad, wir zogen es vor dem Navi zu folgen. Geparkt haben wir dann ca 150 Meter entfernt, da in den engen Gassen viele Parkplätze für Anwohner gesperrt werden, aber auch wenn man mit dem Auto zum ersten mal an der Zwockelsbrügg im Dunkeln vorbei fährt, merkt man das "gewisse etwas", das Besondere der Weinstube gleich - das gewisse Ambiente von der Straße. Tritt man dann irgendwann die Treppen hinauf, kommt einem ein gut erhaltenes im französischen Barockstil gebauten Herrschaftshaus entgegen.Im Sommer kann man bestimmt hier wunderbar sitzen. Auf der Weinberge blicken, die Weinstube liegt etwa 20 Meter oberhalb des Bahnhofs, man blickt in den Eingang der Fußgängerzone in Neustadt, ahh, es ist einfach traumhaft hier. Das Haus erinnerte meine Frau an die Serie aus den 80er Jahren "Fackeln im Sturm", man tritt ein, danach der gewaltige Eingangsbereich. Eine Art Wohnzimmer für "Besserverdienende". Hier haben sich die Inhaber einen regelrechten Traum erfüllt. 
Ich kopiere den ersten Block: " Nachdem die nicht barrierefreie Treppe erklommen wurde, empfängt der Innenraum mit behaglichem Landhauscharakter. Weiß gestrichene Türen und schöne hohe Rundbogen-Fenster, die den Blick über Bahnanlagen und die nicht sonderlich pittoreske Fußgängerzone auf die hinter der Stadt liegende Weinberge freigeben. Glatte dunkle Vorhänge setzen einen Kontrast zu den hellgelb gestrichenen Wänden, an denen viele unterschiedliche Bilder hängen. Der schöne Holzfußboden glänzt, die Sitzflächen der recht schlichten Holzstühle sind mit einem weichen taubenblauen Stoff bezogen und die hölzernen Tische haben an jeder Ecke ein gedrechseltes Bein .... Auf den Tischen ein Mittelläufer, darauf nur eine Stumpenkerze in einem Glaszylinder, gefüllt mit etwas Kastanienähnlichem. Ansonsten ist mit Wein-und Wasserglas eingedeckt, Brotteller nebst Buttermesser, einmal Besteck und einer nur leicht gestärkten Stoffserviette." Besser hätte ich den ersten Eindruck auch nicht beschreiben können. 


Der Tisch direkt am Kamin wurde von uns etwas zögerlich angenommen, ich hatte etwas Angst vor der Wärme, war aber alles halb so schlimm. Wir bekommen die Karte gereicht, der Leiter des Services erinnerte mich noch einmal daran, dass er mir das aktuelle 3-5 Gang Menü auch per Email zukommen habe lassen und dass sich da nichts geändert habe. 
Das Menü bestand aus diversen Speisen aus der Vorspeise- Hauptspeise und den Desserts. Es wurde empfohlen: Gebratener Bio Lachs mit Sellerie-Brunnenkresse Salat und Kartoffelbuttersauce/Suppe vom Pfälzer Rotkohl mit Apfel und Zimt/Kurz geräuchertes Onsen Ei mit Petersilie und Waldpilzen/Wange vom Iberico Schwein mit Gewürz Pflaume, Blutwurst und Blumenkohl/Variation von Schokolade für 49 Euro. Wir werden nach einem Aperitif gefragt, allerdings hatte ich mich im Vorfeld schon so auf die Weine fokussiert, dass wir ablehnten. Obwohl die Karte recht übersichtlich wirkte, fanden wir es schwer, unsere Favoriten zu wählen. Dafür ist die Beschreibung der Gerichte zu interessant, zu exklusiv. Die Karte bietet weit weg vom Pfälzer Standard, ambitioniert wirkenden Gerichte, die von einem ehemaligen Sternekoch (der Koch hatte ein Michelin Stern im Heidelberger Schloss) wohl auf Tellern mit asiatischem Touch hübsch in Szene gesetzt werden. Wie klingt den : Französische Keule von der  Freiflug-Ente mit Dattel, Linsen und Haselnusspüree ?? Oder das Steak vom Blanc de Aquitaine Rücken ??


Der Spruch auf der Homepage "Mit unseren Kreationen wollen wir Ihre Neugier wecken und Sie begeistern" gepaart mit der "traditionellen Weinstube" ist arg untertrieben. Wir lassen uns vom Menü beeinflussen und stellen unser 4 Gang Menü selbst zusammen. Meine Frau wählt den Cesarsalat/kurz geräuchertes Onsenei/Risotto mit Skrei/Variation von der Schokolade. Ich wähle Rotkohlsuppe/kurz geräuchertes Onsenei/Steak vom Blanc de Aquitaine Rücken/Variation von der Schokolade+Butterkekseis


Restaurantleiter Pierre Hartung hatte alles an diesem Abend im Griff. Er erklärt uns die Zubereitung der einzelnen Gänge, woher man die Idee genommen habe, wie die Gerichte aufgebaut sind, aus was die Gerichte einzeln bestehen, er gibt für jeden Gang eine Weinempfehlung ab. Vorbildlich, wir haben ihm blind vertraut, bei den Weißweinen greift er zu den günstigsten in der Karte, zB ein Weißburgunder vom Winzer Hartmann vom Neustädter Mandelberg, der es mit seiner tollen Schmelze wunderbar mit der Säure von der Suppe aufnimmt und perfekt zu dem Gang passt. Nicht ganz so gut, gefällt uns die "osteuropäische Erntehelferin", sie verwechselt das Besteck, gibt mir zum Steak ein Fischmesser, meine Frau bekommt mein Steakmesser zum Fisch. Auch läuft sie ein paar Mal an unserem Tisch vorbei, unsere Gläser sind leer, es wird vergessen nach zu schenken. Wir bestellen noch Brot nach und von der exzellenten Frankfurter Soße, die uns vorab in einer Holzbox quasi als Gruß aus der Küche serviert wird. Das ging aber irgendwie bei ihr komplett unter. Dennoch haben wir uns insgesamt, dank Herrn Hartung super aufgehoben gefühlt (4,5 Sterne beim Service).


Nach der Holzbox mit zweierlei verschieden Brot werden uns die Vorspeisen serviert. Der Cesar Salat “Zwockelsbrück“, mit Serrano Schinken und Parmesan bestand aus knackigen Salatherzen, der war extremst lecker mit saurer Sahne angemacht. Der Serrano Schinken sehr hart und knackig (nix für die Dritten), der Parmesan und die frischen Kräuter setzten die Messlatte schon sehr hoch. Ich hatte die geschäumte Rotkohlsuppe mit Äpfel und Zimt. Die Rotkohlsuppe war sehr gut abgebunden, hatte eine hervorragende Konsistenz. Der Geschmack vom Rotkohl war zu spüren, dazu aromatisch-orientalische Gewürze, der Zimt war nur sehr fein zu spüren. Der Zimt wird bei diesem Gericht in einem Backautomaten und anschließend  im Thermomix zu Pulver verarbeitet und nur sehr dezent über die Suppe getan. Das passte wunderbar zusammen.


Der nächste Gang: Bio Ei/Waldpilze/Kräuter - Kurz geräuchertes Onsen Ei mit Petersilie und Waldpilzen. Ein echtes Highlight !! Seit Jahrhunderten garen viele Japaner ihre Hühnereier in den heißen Quellen (60 bis 70 Grad) ihres Landes. Dabei bleibt das Ei mindestens eine Stunde in der Thermalquelle ("Onsen") und bekommt durch dieses langsame Stocken knapp unter der thermischen Eiweiß-Gerinnungsgrenze eine ganz eigene, geschmeidige Struktur. Da diese Technik mit Hilfe von exakt temperierbaren Wasserbädern oder Dampfgarern in den Profiküchen inzwischen ohne großen Betreuungsaufwand reproduziert werden kann, erfreut sich das "Onsen-Ei" großer Beliebtheit in Sternerestaurants - wenn die Weinstube so weiter macht, wird der erste Stern bald kommen. Das war der Wahnsinn !! Ich werde dazu extra drei Bilder hochladen. Am Tisch in einem Einmachglas, welches geschlossen ist, wird erklärt was der Inhalt ist. Dabei sieht der Gast nichts als Rauch. Je nach Räuchergrad, das Gericht wird mit geräuchertem/verbrannten Buchenholz geräuchert, öffnet man das Glas und man denkt man sitzt direkt an einem abfackelnden Wald. So intensiv nach verbranntem Holz, der Rauch stand dem Ei aber super zu Gesicht. Dazu die grüne Masse, hier erklärt Herr Hartung, das in Haferflocken Kräuter und Pilze aufgekocht werden, und dass so dieser Soja Geschmack zu Tage kommt, obwohl da kein Soja drin sei. Das war wirklich der Ober-Hammer !!!


Danach kamen die Hauptspeisen. Meine Frau hatte den Skrei (Kabeljau) auf einem Rote-Bete-Risotto mit Meerrettichschaum, zusätzlich war oben noch frisch geriebener Meerrettich drauf. Das war wieder ein Wahninns-Gang. Der Fisch war so saftig und glasig - BOMBE. Auch mein Rinder-Steak vom Blanc de Aquitaine Rücken war ein richtiger Gaumenschmaus. Bevor das Steak gebraten wird,kommt es bei 68 Grad eine Stunde in den Sous-Vide Garer, das heißt, das der Fleischsaft komplett im Fleisch bleibt. Ich war etwas skeptisch, da das Fleisch sehr hell war.Aber die Skepsis war unbegründet, selbst mit dem Fischmesser zerfiel das Fleisch fast von allein. Das war ein richtiges Fest. Was das ganze noch in den Himmel gehypt hat, war die Tatsache, dass der zum Niederknien zubereitete Kartoffelstampf eine Art "Crunch" hatte von angerösteten Kürbiskernen. Die Soße war eine Rotwein Reduktion mit Butter, der Inkognito Rotwein von Phillip Kuhn passte dazu wie die Faust aufs Auge (das Viertel für erfreulich faire 9 Euro).


Der Abschluss unseres Menüs bildete das extra georderte Butterkekseis. Erneut muss ich kopieren: " Etwas unscheinbar daneben eine Nocke sandfarbenen Eises. Freunde! Was soll ich schreiben? Makellos cremig, ich hätte natürlich eher krümelig-sandige Konsistenz erwartet. Aber der Geschmack: 100% Keks, wie direkt aus Hannover importiert. Alle Wunder der Dessertwelt schaffen es nicht, die machtvolle Kindheitserinnerung zu verdrängen, die sich unweigerlich beim Geschmack eines Butterkeks' einstellt..." Das Eis war cremig-fluffig, gemacht im 2.0 Paccojet. Das absolute Highlight dann die Variation von der Schokolade die sogenannte "Zwöckelsbrück Edition" im Einmachglas. Acht (!!!!!) verschiedene Schokoladensorten (Weiße, Vollmilch, Zartherb, Nougat etc.), acht verschiedene Zubereitungen, acht verschiedene Temperaturen, acht verschiedene Konsistenzen. So etwas haben wir noch nie erlebt. Auf dem hoch geladenen Bild sieht man auf 11 Uhr zB eine hellere Art "Schoko-Crossis" die hatte zB Schoko-Knallbrause inklusive, die ganze Zeit knallte es im Mund wenn man auf den Crossis gebissen hat. Ein Schokopudding schmeckte so intensiv nach Schokolade, dass ich mir wahrscheinlich nie wieder einen Schokopudding im Supermarkt kaufen werde. Nach ca 10 Minuten zerliefen die verschiedenen Texturen in ein Gesamtkunstwerk, so dass man mit dem Löffel richtige Geschmacksexplosionen am Gaumen hatte. Wann kommt er der Stern ??


Fazit:
Ich komme aus dem Schwärmen nicht mehr raus. Das war kulinarisch ganz großes Kino und wieder wird der GG-Community klar, in der Pfalz gibt es nicht nur gute Weine, sondern auch richtig gutes Essen. Für knapp 100 Euro zusammen haben wir hier vorzüglich gespeist, Wasser und Wein getrunken. Top Empfehlung !!
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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