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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Ristorante Due Fratelli in 28205 Bremen bewertet.
vor 9 Jahren
"Respektable (Not-)Lösung"
Verifiziert

Geschrieben am 21.03.2016 | Aktualisiert am 21.03.2016
Besucht am 19.03.2016
Kollege MarcO74 ("Die Zunge der Pfalz") kündigt Bremen-Besuch in charmanter Begleitung an. Lust auf ein Treffen am Sonntag-Abend? Aber sicher, ich organisiere. Lieblingslokal Nr. 1: Sonntags geschlossen. Lieblingslokal Nr. 2: Sonntags ab 18:00 Uhr geschlossen. Auch-ganz-gern Nr. 3: Dito. Egal-was Nr. 4: Selbes Ergebnis. Panik macht sich breit. Es gilt, die gastronomische Ehre der Heimat zu verteidigen. Aber: Ganz Bremen scheint zur Tatort-Zeit geschlossen. Ganz Bremen? Nein, ein kleiner, neu eröffneter Italiener in Stadionnähe muss scheinbar um Legionärsgäste aus dem befestigten Kleinbremum werben. Die Speisekarte ist übersichtlich und klingt vielversprechend. Aber mit kulinarisch verwöhnten Gästen in ein gänzlich unbekanntes Restaurant? Nein, ein Probe-Mittagessen musste her! Mein Weib aus der gechillten Wochenendstimmung gerissen und zur Hamburger Straße geradelt. Das Amüsierviertel Steintor läuft hier langsam aus, nicht mehr in jedem zweiten Haus werden das eine oder andere körperliche Bedürfnis befriedigt, aber doch recht verlässlich an jeder Straßenecke findet sich ein Restaurant oder eine (ehemalige) Eckkneipe. In einer solchen ist seit knapp einem Jahr auch das Due Fratelli beheimatet. Eine Plankenveranda zu beiden Straßenseiten wartet noch auf wärmere Tage. Leider nicht barrierefrei geht es durch den dicken Vorhang in den Gastraum. Linker Hand eine weitere Stufe hoch der Raum vor dem Tresen. Rechts ein etwas größerer Raum mit einer schönen erhöhten Sitznische mit Spiegel, die wir gleich für den eventuellen abendlichen Treff abspeichern. Von da aus ein schöner Blick ins Lokal und durch die großen Fenster auf die Straße. Einer der beiden namensgebenden Brüder begrüßt uns und weist uns höflich zunächst einen Tisch in Tresennähe zu. Als wir unseren Wunsch nach einem Mittagessen mitteilen, haben wir die freie Auswahl und setzen uns an einen Tisch am Fenster. Wir sind um 13:00 Uhr die ersten Gäste. Später wird es voller, allerdings kommen die meisten wohl zum Fußballschauen. In den Gaststätten rund ums Stadion ist das am Sonnabend Standard.
Das Ambiente überrascht uns positiv. Über dem leicht abgetretenen Dielenboden ist konsequent mit schwarz und weiß gestaltet. Die mit noch ausreichender Durchgangsmöglichkeit gestellten Tische sind alle mit zwei weißen Tischdecken belegt und komplett mit Wassergläsern, schön gefalteten Stoffservietten und zweimal reellem Besteck eingedeckt. Dazu dunkle Grablichter und schon Salz- und Pfeffermühlen. Man bekommt sofort den Eindruck, dass hier mit Anspruch gearbeitet wird. Über die Farbe der Sitzkissen auf den nur leidlich bequemen schwarzen Bistrostühlen soll nur das Foto Auskunft gegeben. Man will dem Bergischen Mob ja keine Angriffsfläche bieten ;-)).
Die Säulen in der weißen Wand sind hüfthoch mit schwarzem Holz verkleidet. Darüber schwarz-weiße Fotos von Filmstars und eine Barszene. Nett, aber ohne erkennbaren Bezug oder Zusammenhang. An der hinteren Wand zur Theke dagegen zwei pastellne Bilder, Blumen und Landschaft. Für die einen Kitsch, für die anderen die wahrscheinlich längste Geschmacksache der Welt. Nur ein klein wenig hämisch vermutet meine Gattin die Schwiegermutter als Künstlerin. Die Beleuchtung erfolgt teilweise durch LED-Strahler in der Decke, teilweise durch eine Lampenkonstruktion, die ebenfalls im Bild recht gut zu erkennen ist.

Der Service naht in Gestalt einer reizenden Signorina, die uns zurückhaltend, sehr konzentriert im Wechsel mit dem noch recht jungen Patrone bedient. Für die Schüchternheit besteht angesichts der Leistungen kein Anlass. Die Garderobe wird uns abgenommen und gebracht, meiner Frau in den Mantel geholfen. Die wenigen Mittagsangebote werden trotz einer Tafel gegenüber dem Tresen vollständig und langsam mitgeteilt, nur sehr leise. Alle Nachfragen können geklärt werden, zum Teil erkundigt sich die junge Dame eigenständig in der Küche. Die Sprachkenntnisse sind gut, werden aber vorsichtig eingesetzt. Man kann fast den Übersetzungsprozess in beide Richtungen im Gesicht ablesen. Sehr sympathisch. Das Einsetzen und Ausheben klappt ebenso gut, wie die Erkundigung nach der Zufriedenheit. Zum Bezahlen wird vorsorglich das Kartenlesegerät mit an den Tisch gebracht. Es gibt eine ordentliche Rechnung. Der Inhaber ist von offener Art, kein Schweiger, aber nicht unangenehm. Zur Vorspeise wird noch ein Olivenöl und eine dieser Wer-hat-die-Längste-Pfeffermühlen gebracht, immerhin von Peugeot mit Mahlgrad-Einstellung. Das Besteck wird mit weißen Handschuhen vorgelegt. Wie gesagt, ein in diesem Stadtviertel unerwarteter Anspruch.

So weit, so hinreichend auch für verwöhnte Pfälzer... Aber entscheidend ist auf dem Teller.
Wir erhalten für den ersten Hunger eine Mascarponecreme mit Kräutern und dreierlei Gebackenem im Drahtkörbchen. Besonders überzeugend die Pizzini, gesalzener Pizzateig, der ausgebacken wird. Wenn, wie jetzt, frisch dargeboten, sind das herzhafte kleine knusprige Krapfen mit Suchtpotential. Aber, wie der Wirt warnend erinnert, nicht ohne Folgen für den Hüftumfang. Auch die Creme hat uns geschmeckt, mal was anderes.
Wir wählen als Vorspeise einen Ruccolasalat für 6€ und ein Carpaccio di tonno für 13,5€. Als Hauptspeisen Saltimbocca alla romana (12,50€) und Gnocchi in Gorgonzolasauce, die mit 8,5€ zu Buche schlugen. Alle Speisen haben uns gefallen und waren (teils über-)reichlich.
Mein Thunfisch wurde, wie es sich gehört, in dünnen Scheiben aufgeschnitten serviert und war sehr hell. Ich vermutete erst Schwertfisch, tatsächlich war es aber Fleisch vom weißen Thun. Neben dem für meine Begriffe überflüssigem Ruccola und dünnen Stängeln (Kresse?) fanden sich auf den Fischscheiben sparsam eingesetztes Olivenöl, Kapern, kleinen Taggiasca-Oliven und Safranmajonäse. Der Fisch hatte es etwas schwer, geschmacklich durchzudringen, insgesamt aber eine auch qualitativ überzeugende Vorspeise.
Ebenso wie das Saltimbocca. Drei sehr dünne, saftige Schweineschnitzelchen und der darüber gelegte Parmaschinken knusprig. Für meinen Geschmack hätte es etwas mehr Salbei sein dürfen, aber da kann die Küche leicht zu viel des Guten tun. Sehr großzügig die Beilagen aus schmackhaftem Frühlingsgemüse mit nicht zuviel Biss, bei dem ich für Frischware zwar nicht die Hand ins Feuer legen würde, aber auch nicht das Gegenteil behaupten könnte. Egal, gute Qualität. Die Rosmarinkartoffeln kräftig gebräunt, aber etwas weich geraten. Leider begann sich die kräftige Soße etwas zu trennen, das sieht ja nicht so schön aus. Geschmacklich aber ebenfalls tadellos. Optisch war es mir doch etwas voll auf dem Teller.
Auch meine Frau war mit dem Salat zufrieden und mit den Kartoffelnocken restlos glücklich. Von Soßenresten auf ihrem Teller jedenfalls keine Spur mehr.
Kochen kann Fratello 2, keine Frage.

Der abschließende Espresso lungho kam in der vorgewärmten dickwandigen Tasse und hat mir ausnehmend gut geschmeckt. Die Bohnen stehen auch zum Verkauf und zum ersten Mal seit Jahren kommt vielleicht mal ein Wechsel für den häuslichen Vollautomaten in Betracht.

Der Kaffee war mit 2,2€ bepreist, 0,75l Aqua Panna mit immerhin 5,5€ und 0,4l Apfelschorle mit 3,6€. Teilweise ist das PLV ok, teilweise ambitioniert, aber insgesamt den Leistungen angemessen.

Fazit:
Test bestanden, wir reservierten für Sonntagabend.
Aber wird das Due Fratelli auch dem kritischen Gaumen aus dem Südwesten standhalten?
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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