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Ohne Reservierung, weil 60 Sitzplätze beworben, erreichten wir nach kurzer Autofahrt gegen 19:00 Uhr das Lokal. Die Bahnhofstraße ist die Hauptstraße des Dorfes, der Badenheimer Hof liegt etwas zurückversetzt von der Straße etwa in Dorfmitte. Der Platz zwischen Straße und Gebäude, nur notdürftig befestigt, dient als Parkplatz und beherbergt bei Bedarf und entsprechender Witterung die Außengastronomie. Das Haus selbst ist ein großes, altes Fachwerkhaus, das außer dem Lokal noch einen Saal mit kleiner Bühne im Obergeschoß beherbergt, wie er früher in fast jedem Dorf zu finden war. Von außen macht das Haus einen sauberen, frisch renovierten Eindruck. Einige Stufen, die sich der Renovierung anscheinend entzogen haben, sind bis zum Eingang zu überwinden.
Ambiente
Der zunächst positive Eindruck änderte sich schlagartig, als wir den Flur betraten. Alle Türen, auch die zur Küche und zum Vorratsraum standen offen. Im Flur einige Plastikeimer undefinierbaren Inhalts. Mangels entsprechender Technik sollten die offenen Türen und gekippten Fenster wohl der Klimatisierung der Räume dienen, insofern bei der vorherrschenden schwülen Witterung akzeptabel. Allerdings wehte eine leichte Brise auch den Staub und das dürre Laub des Vorplatzes durch die Räume. Der Eintritt in den Gastraum, die nächste Überraschung. Wir fühlten uns um Jahrzehnte jünger. Eine Dorfwirtschaft wie in den 50er/60er Jahren: rotbraune, zum Teil gerissene Bodenfliesen, einfarbig hellbraune unprofessionell verklebte Tapete, die hie und da durch ein Bild abstrakten Inhalts und mediterraner Farbgestaltung verziert wird. Der Tresen ebenfalls mit veralteter Beleuchtungstechnik und sehr in die Jahre gekommen, dient hier in erster Linie als Ablagefläche für alles, was momentan nicht gebraucht wird. Eine Saftpresse, Bürolocher und Feuerzeug gesellen sich nebst anderem Kleinkram um eine Topfpflanze. Ein eindeutiger Stil ist im ganzen Raum nicht zu erkennen. Immerhin waren alle Tische weiß eingedeckt, mit Besteck und Papierservietten, Pfeffer- und Salzstreuer, Teelicht im Glas und kleinem Blümchen im Glasväschen. Die Stühle, gepolstert und mit bogenförmiger Lehne, was meine Frau immer ärgert, weil man da keine Handtasche dranhängen kann. Angenehm aufgefallen sind uns die roten, geschmackvoll um die Fenster drapierten Gardinen und Holzbalkendecke, keine Deko sondern tragendes Gebälk, die Zwischenräume weiß gestrichen.
Service
Das gesamte Personal besteht aus drei Männern, jüngeren bis mittleren Alters und "indischen" Aussehens von denen einer bei unserer Ankunft gerade den Außenbereich für eine kleinere Gruppe herrichtete. Dieser war auch für den Lieferservice, den das Restaurant anbietet und der wohl die tragende Säule des Geschäfts zu sein scheint, zuständig. Beim Eintritt sahen wir durch die geöffnete Küchentür eine weißgewandete und -bemütze Person emsig werkeln. Im Innern begrüßte uns der dritte Mitarbeiter, vermutlich der Chef. Er vermutete wohl, daß wir ein bestelltes Gericht abholen wollten und war sichtlich erstaunt, als wir nach einem freien Tisch fragten. Eine rein rhetorische Frage, denn wir waren die einzigen Gäste. So bot er uns auch großzügig die freie Tischwahl an. Nachdem wir Platz genommen hatten, wurden die Karten (Standard, DIN-A4, brauner Plastikeinband) gereicht und die Getränke nachgefragt. In diesem Fall kein Problem, hatten wir uns doch schon anhand des erwähnten Flyers kundig gemacht.
Essen & Trinken
San Pellegrino, klein (€ 1,70) und Erdinger Hefe, alkoholfrei (€ 3,20) wurden umgehend und gut gekühlt serviert. Da wir uns auch für die Speisen im voraus entschieden hatten, konnten wir diese direkt ordern: Karahi Gosht
(€ 13,50 / € 11,50*) Lammfleisch mit Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer, Tomaten und Kräutern war meine Wahl und Madame entschied sich für Tandoori Lamm Masala (€ 13,90 / € 11,50*) Lammfleisch mariniert in Joghurt, mit Safran und feinen Gewürzen, in einer aromatischen Sauce aus Tomaten und Sahne. Als Beilage wurde Basmatireis gereicht.
* hier wird zwischen Restaurantgast und Abholer unterschieden. Die niedrigeren Preise gelten für die Abholer.
Lobend zu erwähnen, bei der Bestellung wurde nachgefragt, ob wir in puncto Schärfe die Original- oder die eingedeutschte Version bevorzugen. Madame mag's deutsch, ich scharf.
Vorauszuschicken ist, daß wir in Sachen indischer Küche nicht sehr bewandert sind und die Beurteilung daher rein subjektiv ausfällt. Wir haben unser Essen gegenseitig probiert. Uns hat's allgemein gut geschmeckt. Auch die Schärfe war ok, wenn auch die anderen Gewürze für meinen Geschmack etwas zu dezent auftraten. Das Fleisch war zart und die Reisbeilage im Verhältnis ziemlich üppig. Ob's jetzt original indisch war? Man wurde auf jeden Fall satt, auch wenn wir diesmal auf Vorspeise und Dessert verzichteten, wir wollten ja indisch pur. Leider entsprach die Präsentation wieder dem Ambiente: Fleisch mit Sauce auf einer Seite des Tellers, Reis auf die Andere. Gewöhnlicher Porzellanteller, keine Ambience; erinnerte an Bundeswehrkantine.
Wie gesagt, das "indisch" hatte uns hergelockt, aber das Angebot ist weit vielfältiger. Es gibt die ganzen bekannten Pizzavariationen, daneben auch verschiedene Schnitzel, allerdings vom Hähnchen, und, last-not least Rumpsteaks (!?) Und das beim Inder? Näher definiert sind sie nicht, aber ich halte es für unwahrscheinlich, daß auch sie vom Hähnchen stammen. :o) Auch die Vorspeisen und Salate sind das, was üblicherweise in den Takeaway-Restaurants angeboten wird.
Biere und die üblichen Softdrinks bilden das Getränkeangebot, selbst Wein gibt's: Lambrusco (€ 5,50 / ltr.)
Möglicherweise werden in der Restaurantkarte auch lokale Weine angeboten, sehr wahrscheinlich sogar, sonst könnte sich ein solches Lokal in einem Weindorf sicher nicht behaupten. Eingedenk dessen, daß ich ja fahren mußte, kam ich garnicht auf die Idee dies nachzuprüfen.
Das Bezahlen klappte einwandfrei. Nach Kartenzahlug habe ich mich erst garnich getraut zu fragen. Sichtlich erfreut war man über das Trinkgeld, anscheinend hatte man nicht damit gerechnet. So wurde uns im Nachhinein noch ein Digestif angeboten, den wir dankend annahmen.
Sauberkeit
Hier konnte das Lokal nicht so ganz überzeugen. Laub und Staub sollen hier mal außen vor bleiben, die waren der rustikalen Aircondition geschuldet und die beiden Fußspuren hatten wir wohl selbst verursacht, als wir vom staubigen Parkplatz das Lokal betraten. Die Tische allerdings, obwohl eingedeckt, wiesen Spuren der Vorbenutzer auf der Tischdecke auf. Ein eingeprägter Tellerrand und verstreutes Salz finden sich sicher nicht auf einer frischen Tischdecke. Daß auch eine Stuhllehne klebrig war, ist dem Service sicher noch nicht aufgefallen.
Die Toiletten: zwei Türen einmal DAMEN, einmal ??? Klebereste an der Tür ließen vermuten, daß hier einmal HERREN stand. Rein und: richtig geraten. Eine lange Reihe Urinale zeugt von der Tatsache, daß die Toiletten auch den Besuchern des Saales dienen. Es ist aber immer unangenehm, wenn man beim Zurücktreten die Füße fast mit Gewalt vom Boden reißen muß. Der mit benutzten Papierhandtüchern vollgestopfte Korb dürfte, beachtet man die Gästefrequenz, höchstens einmal wöchentlich geleert werden. Als Frau fiele mir jetzt ein: Männerwirtschaft halt!
Rein optisch ist der Saniätrraum eine Katastrophe. Hier wäre eine Komplettrenovierung dringend angebracht.
Die Hoffnung stirbt zuletzt und läßt einen an die Küche denken: hoffentlich sieh's da besser aus.
Fazit
Auf der Homepage von Badenheim wird das Haus näher beschrieben und als "frisch renoviert" bezeichnet. Das kann sich jedoch nur auf den Außenbereich beziehen. Liest man zwischen den Zeilen, so scheint die Gemeinde Eigentümer des Gebäudes zu sein. Klar, daß der Pächter da nicht investiert. Ob sich dieser Zustand aber auf Dauer halten lässt?
Eine Generalrenovierung des gesamten Gastronomiebereichs erscheint mir dringend erforderlich.
"Probieren geht über studieren" - Probiert haben wir's. Geschmeckt hat es uns auch. Aber ob es einen erneuten Besuch geben wird? Vielleicht, wenn es uns mal tierisch nach "indisch" ist und wir keine Lust haben, weiter weg zu fahren. Oder auf Grund einer Einladung. Sonst aber eher nicht.