Zurück zu Weinstube Jülg
GastroGuide-User: Ehemalige User
Ehemalige User hat Weinstube Jülg in 76889 Schweigen-Rechtenbach bewertet.
vor 7 Jahren
"Prototyp einer Pfälzer Gutsschänke mit langer Tradition und erstklassigen Weinen"
Verifiziert

Geschrieben am 13.11.2017
Es existiert eine neue Bewertung von diesem User zu Weinstube Jülg
Besucht am 31.10.2017 Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 32 EUR
Einen neuen Anstrich haben sie ihm verpasst. Dem ganz nahe beim Deutschen Weintor sich befindenden, nur einen Steinwurf von der Grenze zu Frankreich entfernten Anwesen der Familie Jülg. Mein letzter Besuch lag schon über vier Jahre zurück. Damals saß ich an einem lauen Sommerabend im von üppigem Grün umrankten Innenhof und atmete pure Pfalz. Ende Oktober zeigte sich der Herbst zwar golden, für eine Mahlzeit unter freiem Himmel war es jedoch schon zu kalt.
 
Im Anschluss an eine ausgiebige Wanderung, die uns vom grenznahen Schmuckkästchen Schweigen ins benachbarte Wissembourg und wieder zurück führte (herrlicher Rundweg, Anm.), kehrten wir zur Mittagszeit in der Traditionsweinstube ein. Ein kurzer Anruf bei der Hausherrin Erika Jülg genügte, um die Gewissheit zu haben, dass man sich noch an einen der Tische dazu setzen könne. Den „Touri-Bums“ namens „Schweigener Hof“ ließen wir rechts liegen und traten ins Innere des urigen Lokals.
 
Kein Wunder, dass die familiengeführte Gutsschänke im Jahr 2006 den Sonderpreis beim Gastronomie-Wettbewerb Südpfalz „für originelle und regionaltypische Weinstuben“ erhielt. Immer noch wirkt die Oma des Drei-Generationen-Haushalts nach alter Tradition in der Küche. Sohn Johannes, einer der besten Jungwinzer der Südpfalz, kümmert sich seit ein paar Jahren zusammen mit seinem Vater Werner um die Vinifizierung der Rebsäfte. Seither haben diese nochmal gewaltig an Qualität gewonnen. Viele Preise und der schnelle Ausverkauf seiner besten Tropfen sprechen eine klare Sprache.
 
Aber auch die „Winstubb“, wie der hier einkehrende Elsässer zu sagen pflegt, kann auf Auszeichnungen beim FEINSCHMECKER, Gault-Millau und Falstaff verweisen. Und beim eher schnarchigen „Restaurantführer Südpfalz“ ist sie sowieso seit Jahren im Empfehlungsprogramm. Das Jülg’sche Haus der trockenen Weine ist schon lange kein Geheimtipp mehr und seine gastronomische Abteilung auch nicht. Die nicht nur an den Wochenenden hier verkehrenden Weinstraßentouristen wissen das und sorgen für volle Auslastung bzw. Reservierungspflicht.
 
Also nichts wie rein in die "Weinstube wie aus dem Bilderbuch", wie sie vom Gault-Millau unlängst bezeichnet wurde. Wir passierten den holzvertäfelten Eingangsflur. Rechts wies uns eine Tür den Weg in die gute Stube. Derer sind es genau genommen drei. Die kleinen, behaglich-rustikal eingerichteten Gasträume waren zur Mittagszeit schon gut besucht. Hier und da gab es noch einen freien Tisch mit kleinen Aufstellern aus Aluminium. Auf ihnen war bei genauerer Betrachtung das Wörtchen „Reserviert“ zu lesen.
 
Frau Jülg empfing uns mit leicht gestresstem Gesichtsausdruck und platzierte uns - wie am Telefon ausgemacht - an einem bereits teilweise belegten Tisch. Dort saß schon ein älteres Ehepaar aus Franken, die regelmäßig den Weg in die Pfalz (…der Wein!) finden und die seit 1981 die Weinstube besuchen. Na, da hatten wir ja gleich ein paar richtige Experten bei uns sitzen. Später gesellte sich noch ein Pärchen aus dem Badischen dazu. Alles nette, mitteilsame Leute höheren Alters, die das Gros der anwesenden Gäste an diesem Tag stellten.
 
Das Innere des Lokals war schnörkellos eingerichtet und strahlte den heimeligen Charme eines Traditionsgasthauses aus. Derber Dielenboden suggerierte Bodenständigkeit. Das schlichte Holzmobiliar kam auch gut ohne Schnickschnack aus. Tischdecken vermisste hier keiner. Die Atmosphäre war redselig-gelöst, wie man das in Pfälzer Weinschenken gerne und häufig vorfindet. Wir saßen recht bequem auf gut gepolsterten Wirtshausstühlen und fühlten uns sehr wohl.
 
Unterstützt wurde die Chefin von ein paar jüngeren Servicekräften. Eine davon war für unseren Tisch zuständig. Und die machte ihre Sache richtig gut. Sie gab bereitwillig Auskunft über die gutseigenen Weine, ließ mir im Laufe des Besuches eine Preisliste zukommen und probieren durfte ich auch noch. Bedient wurden wir prompt und hielten alsbald die recht überschaubare Speisenkarte in Händen.
 
Schon im Vorwort wurde man darüber informiert, dass hier noch ganz viel Selbstgemachtes auf den Teller kommt. Die mit ausschließlich pfälzischen Schmankerln bestückte Karte verwies auf die Regionalität der verwendeten Produkte und kennzeichnete deftige Klassiker wie Bratwurst, Leberknödel und Saumagen mit dem Prädikat „aus eigener Schlachtung“. Den leckeren Rieslingschinken, den sich die Frau aus Franken neben uns schmecken ließ, vermisste ich allerdings im Jülg’schen Nachschlagewerk. Diesen, so die Genießerin aus der Nähe von Nürnberg, gebe es nur auf Nachfrage und leider nur manchmal. Die beiden alteingesessenen Pfalz-Touristen hatten ihre kulinarischen Hausaufgaben gemacht. Die wussten wie es geht.
 
Die bewusst klein gehaltene Auswahl an kalten Gerichten erstreckte sich über verschiedene Hausmacher Wurstsorten (Leberwurst, Blutwurst, Schwartenmagen), kalte Rippchen, rohen hausgeräucherten Schinken sowie den obligatorischen Wurstsalat, der auch als „Straßburger“ mit Greyerzer Käse angeboten wurde. Preislich nahmen sich die „Pfälzer Antipasti“ nicht viel. Zwischen 6,50 und 8,50 Euro lag hier die fair kalkulierte Preisspanne. Vegetarier hatten die Möglichkeit, sich an diversen Käsevariationen zu laben. Weißer Käse und Handkäse - gerne auch in Kombination - standen ebenso wie Schweizer Käse und Käsesalat auf der Karte gelistet. Auch hier eine ähnlich gastfreundliche Preisgestaltung wie bei den kalten Wurstereien.
 
Auch bei den Hauptspeisen gab man sich deftig bodenständig. Pfälzer Hausmannskost wie Bratwurst, warme Rippchen und Saumagen wurde von obligatorischem Sauerkraut begleitet. Schnitzel, Winzerbrot und warme Hausmacher Leber- bzw. Blutwurst kamen als rustikale Weinbegleiter auch in Frage. Zu allen Gerichten reichte man frisches Bauernbrot. Die Tagessuppe konnte erfragt werden. Mit 10,80 Euro stellte der Pfälzer Teller das teuerste Essen des Hauses dar. Neben den Leckereien aus der gutbürgerlichen Küche bestand auch noch die Möglichkeit auf Kaffee und Kuchen. Welches Backwerk zur Verfügung stand, ließ sich auf einer kleinen Tafel neben dem Tresen nachlesen.  
 
Wir begnügten uns mit einer Portion Bratwurst mit Sauerkraut (8,00 Euro), einem Pfälzer Teller (Leberknödel, Saumagen, Bratwurst) mit Sauerkraut (10,80 Euro), einem kleinen Beilagensalat (2,60 Euro) und einem Extra-Schälchen Bratkartoffeln (2,70 Euro), die genauso knusprig waren wie sie aussahen. Die Flasche Mineralwasser (3,40 Euro) und die Cuvée „Jean-Fritz“ (das Viertel für 4,50 Euro) halfen gegen den Durst. Letztere hatte einen ordentlichen Sauvignon-Blanc-Anteil und wurde in Kollaboration mit Peter Jülg, dem Bruder des Patrons, vinifiziert. Dieser betreibt ein eigenes Weingut im Örtchen Seebach (Elsass).
 
Ansonsten bot die mit Bedacht zusammengestellte Weinkarte einen guten Querschnitt durch das Jülg’sche Angebot vor Ort. Die Qualitätsklimax der Liter-, Guts- Terroir-, und Lagenweine spiegelte sich natürlich auch im Preis wider. Dennoch übertrieb man es nicht mit dem Aufschlag für Weinstubenbesucher. Eigene Topgewächse, wie etwa die rote Spitzencuvée „Les Frères“, kosteten als Flaschenwein nahezu dasselbe wie ab Weingut. Bei den Vierteln sind es die Flaggschiffe Grauburgunger und Weißburgunder von der Lage Sonnenberg, die mit jeweils 7,80 Euro die preisliche Spitze markieren.
 
Der kleine Salatteller kam vorweg und schmeckte nach frischen, schön sauer angemachten Zutaten (Kopfsalat und Möhrenrohkost). Mein Pfalzteller folgte zeitnah. Er sah richtig gut aus. In der Mitte dampfte das mit Weißwein verfeinerte Sauerkraut, während die pfälzische Dreischweinigkeit um jenes herum drapiert lag. Allein der Leberknödel war zum Niederknien. Von der Konsistenz wunderbar fluffig ragte er auch als geschmackliches Highlight leicht hervor. Perfekt abgeschmeckt (kein Gramm Pfeffer zuviel!) und mit einer buttrigen Bröselhaube versehen, war er ein wahrer Hochgenuss. Bratwurst und Saumagen fielen beide äußerst saftig aus. Sicherlich auch hier mitunter die beste Qualität, die ich seit langem vorgesetzt bekam.
 
Und die Bratkartoffeln. Schaut euch das Bild an. Die kriegen selbst die allerbesten Omis am heimischen Herd nicht besser hin. Außen gerieten sie schön knusprig und wurden mit genau der richtigen Salzwürze versehen. Im Inneren dagegen herrlich mürbe und mit leichter Butterschmalznote im Abgang. Einfaches Produkt – hohe Qualität – grandiose Zubereitung! Auch meiner Begleitung – von Haus aus keine ausgewiesene Bratwurtsesserin -  sah man ihre Zufriedenheit an. Sie lobte neben der beherzt gewürzten „Senfpeitsche“ vor allem das Sauerkraut, dessen gut eingebundene Säure so richtig gut mit unserer Weißweincuvée harmonierte.
 
Um ein paar kulinarische Tipps aus Franken bereichert und mit ein paar Flaschen Wein im Gepäck verließen wir die heimelige Gutsschänke und werden im Winter sicherlich mal wieder hier einkehren. Dann hoffen wir aber auf einen Platz vor dem nostalgischen Kachelofen
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


kgsbus und 28 andere finden diese Bewertung hilfreich.

Carsten1972 und 28 andere finden diese Bewertung gut geschrieben.