Basti's Restaurant
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Wuppertaler Str. 195, 42653 Solingen
Restaurant Catering Biergarten
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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Basti's Restaurant in 42653 Solingen bewertet.
vor 2 Jahren
"Alle Jahre wieder lockt die Gans – über winterliche Behaglichkeit, herzliche Gastlichkeit und ansprechendes Küchenhandwerk"
Verifiziert

Geschrieben am 29.11.2021 | Aktualisiert am 04.12.2021
Besucht am 27.11.2021 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 120 EUR
Während nicht nur die Gastronomie besorgt die Nachrichtenlage verfolgt und der nächste Lockdown schon ruchbar zu werden scheint, war es für mich vorgestern an der Zeit, ein Vorhaben aus der Episode meiner „Lockdown Chronicles“ endlich in die Tat umzusetzen.
 
Eines der menschlich und auch kulinarisch erfreulichsten Erlebnisse hierbei hatte ich zweifellos mit dem mir bereits in Vor-Corona-Zeiten vielfach empfohlenen „Basti’s Restaurant“ in Solingen Gräfrath.
 
Für mich stand aber fest, dass eine Lieferservice-Bewertung, so positiv sie auch gewesen sein mag, sicher nicht dazu taugt, einen Abend vor Ort zu ersetzen, was die Aussagekraft einer Erstbewertung angeht, ein Besuch im Restaurant stand somit fortan recht weit oben auf meiner diesbezüglichen To-Do-Liste.
 
Zu Hintergrund und Werdegang des sympathischen Kochs und Gastronomen Bastian Beyer und seiner nicht minder zugewandten Frau Sarah, die den Service leitet, habe ich mich in meinem  Lieferservice-Roman im April schon geäußert, wer möchte kann dort gerne nachschauen.
 
Auch wenn das Vorhaben schon lange geplant war, reifte der Entschluss essen gehen zu wollen doch recht spontan am Freitagnachmittag, ich rief an, der Chef selbst war dran und wie zu erwarten war an diesem Abend so kurzfristig nichts zu machen, aber der Samstag sähe – dank unsäglicher Last-Minute-Absagen mehrerer Tische, selbst am Samstag sollten noch welche folgen – schon besser aus.
 
Zudem würde es dann auch die neue Winterkarte geben, der leidenschaftliche Koch begann einige Positionen aufzuzählen und auch wenn das Thema „modern“, das man im eigenen Versprechen an den Gast, nämlich „Moderne – regionale Küche.“ zumindest den reinen Titeln der Gerichte nach etwas ins Hintertreffen geraten schien, klang das alles sehr saisonal stimmig, verlockend und alles andere als banal oder anspruchslos.
 
Aber schließlich sind Namen Schall und Rauch und Speisekarten in manch junger, betont zeitgeistiger Gastronomie, textlich nicht selten eher Worthülsen-lastige Selbstvermarktung. Es entscheidet die Umsetzung über eine zeitgemäße Stilistik, nicht das Wording und da bliebe auch die Frage, ob überflüssige Zugeständnisse an den kulinarischen Zeitgeist, was immer das je nach Auffassung gerade sein mag, immer notwendig sind.
 
Wenn ich eine köstliche Gänsekeule verspeise, mit einer ehrlichen, meisterlichen Sauce und entsprechenden Beilagen ist es mir furchtbar egal, ob Tellerfoto und Machart auch von 1964 stammen könnten. Vielleicht wäre es mir sogar deutlich lieber, bevor man Zeitloses krampfhaft neu interpretiert, was der Gast in wohliger, alljährlicher Teller-Nostalgie schwelgend, je nach Ausrichtung des Hauses, eigentlich gar nicht modernisiert sehen möchte, völlig unabhängig von der momentanen Retro-Manie.
 
So war denn auch meine ständige Begleitung im siebten Vorfreude-Himmel, als Basti Beyer mir am Telefon versicherte, es gäbe natürlich auch Gänsekeule oder –brust mit den klassischen Beigaben und auch ich freute mich auf den Folgetag, allzu gerne änderten wir unsere Freitagspläne und reservierten für den frühen Samstagabend.
 
Kurz nach 18 Uhr und Dank einer für Solingen sehr, sehr untypischen „grünen Welle“ auf weiten Teilen der Anfahrt mit dem Taxi kamen wir recht zügig am anderen Ende der Stadt an, der Eingangsbereich des altehrwürdigen, Schiefer-vertäfelten, Gebäudes war weihnachtlich dekoriert und angesichts der frostigen Witterung strahlte dieser Anblick sogleich Wärme und Behaglichkeit aus.


 
Wir traten ein und die gelernte Hotelfachfrau Sarah Beyer zeigte, wie man eine herzliche Begrüßung – inklusive gewissenhafter Prüfung der Impfzertifikate - auch mit fachlichem Niveau begleiten kann: „Möchten sie die Mäntel mit zum Tisch nehmen oder darf ich ihnen die abnehmen oder ihnen die Garderobe zeigen?“ - kleine, vielerorts verlorengegangene Gesten, selbst wenn dort mitunter die Preise die diesbezügliche Erwartungshaltung im Vorfeld deutlich befeuert haben sollten.




 
Sie zeigte uns unseren gemütlichen Ecktisch im überschaubaren, hin zur Straße liegenden Haupt-Gastraum zur Rechten des Eingangs und damit exakt den Tisch, den ich mir bei freier Auswahl gewünscht hätte.



Vorher schaute ein gut gelaunter Basti Beyer noch kurz aus der Küche, auch er begrüßte uns aufs Herzlichste und wir plauderten ein wenig, in jeder Beziehung schien sich ein schöner Abend anzubahnen.
 
Das qualitativ hochwertige Mobiliar hatte man in weiten Teilen vom Vorgänger-Pächter „Mare e monti“ übernommen, mir gefällt die Mischung aus dunklem Leder und den weißen, offenen Balken, auch wenn jene rein statisch betrachtet nur Deko sein dürften.


 
Jenes trifft auch auf den – täuschend echten – lodernden Kamin zu, dennoch vermittelte er Behaglichkeit, alles war bestens in Schuss, hysterisch sauber und trotz so mancher Dekoration völlig staubfrei.
 
Insofern fühlte ich mich sehr wohl in meinem bequemen Eckchen der das Kopfende des Raumes umsäumenden, kommod gepolsterten Bank, es lud Dank der gepolsterten Lehne an der Wand zu meiner Rechten zum entspannten, leicht „diagonalen“ Rumlümmeln zwischen den Gängen ein.
 
Die Küche setzt seit Beginn an auf eine löblich kleine Auswahl frisch gekochter Gerichte, auch wenn man das vielstrapazierte Credo „saisonal und regional“ nicht propagiert, ist es hier gelebtes Konzept, das beidseitig bedruckte, laminierte A4-Blatt, dass hier die Karte darstellt, kündet jedenfalls größtenteils davon. 
 
Die adrett gekleidete, souveräne Service-Chefin erfragte erste Wünsche, wir besprachen mögliche Aperitifs und wurden fündig, die Speisen wurden gleich mitbestellt, vier Gänge für mich, drei für Madame, Sarah Beyer deckte sogleich das Besteck für alle Gänge versiert ein, mögen die Spiele beginnen…

 
| Vorweg | 
 
Borgo Molino Motivo Prosecco Rosé Spumante Extra Dry – 0,1l zu 4,50 €
Hugo, klassisch – 5,50 €
 
Hurra, ich musste nicht fahren, ich war in Champagner-Laune, den habe ich hier aber als offenen Apero nicht erwartet, einen Cremant gab es leider auch nicht aber einen „schönen Prosecco“, sogar in Rosé, habe man im Angebot.
 
Bei dem Stichwort „schöner Prosecco“ werde ich aus Erfahrung immer misstrauisch und fragte zumindest vorab, ob Flaschengärung oder schnöder Frizzante und erfuhr, ersteres sei der Fall.
 
Und ich sollte positiv überrascht werden, ein eleganter, mehr als erträglicher Vertreter seiner Art, das „Extra Dry“ trug er nicht umsonst, angenehme, feine Perlage, frisch mit nicht zu blumiger, gar parfümierter Frucht, gefiel mir gut.

Borgo Molino Motivo Prosecco Rosé Spumante Extra Dry
 
Auch der Hugo, nach wie vor ein Liebling meiner Madame, gefiel gut, zufrieden schlürften wir vor uns hin und stießen vorab auf ein hoffentlich schönes Essen und den Abend an.

Hugo, klassisch
 
Basti Beyer servierte derweil als kleinen Appetithappen sein hausgebackenes Landbrot, warm und leicht grilliert, mit einer kräftig tomatisierten, kühlen aber wunderbar streichfähigen Butter.

hausgebackenes Landbrot, grilliert, Tomatenbutter
 
Das sollte gut schmecken und in dieser Ausführung war es mir im Vergleich zu der von mir vielgescholtenen, geschmacksneutralen Quark-Weißbrot Kombination, die man vielerorts seit unzähligen Jahren für das ultimative Vorab-Häppchen in Ermangelung eines Amuse hält, gar eine kleine Freude.
 
Da mein Prosecco schneller verschwand als mein erster Gang auftauchte, bestellte ich kurzentschlossen einen zweiten, schaffte ihn allerdings nur zur Hälfte bis serviert wurde. Das Glas trat ich an meine Begleitung ab, die nur sehr selten Alkohol trinkt und auch sie war recht angetan.
 
Zum Ganzen wurde übrigens noch eine Flasche Stiftsquelle bestellt, das gut gekühlte Wasser mit passenden Gläsern kam prompt und es wurde leider vergessen es zu berechnen, wie ich heute feststellte.
 
 
 
| 1. Gang |
 
Bouillabaisse, Rouille, Pain grillé – 10,50 €
2017 Hattenheim Hassel, Riesling, VDP Großes Gewächs, Wein- und Sektgut Barth, Hattenheim, Rheingau – eigene Flasche gegen Korkgeld
 
Zur Bouillabaisse muss man wissen, dass diese, im Gegensatz zu der bis Freitag gültigen, auf der neuen Winterkarte eigentlich nicht mehr stand. Als wir aber am Vortag telefonierten und ich leicht bedauernd sagte, dass ich mich sehr auf diese gefreut habe, versprach er spontan, dass sei überhaupt kein Problem.
 
Denn er habe sie in letzter Zeit ohnehin immer à la minute zubereitet, frischen Fisch habe er wegen eines „Edelfischtellers“ auf der neuen Karte ohnehin da, hausgemachten Fond sowieso.
 
Das ich vielleicht ein paar Abstriche machen müsste, war mir aber klar, eine gute Bouillabaisse ist kein guter à la minute Kandidat, aber ich hatte mich darauf gefreut und der „spanische Fischtopf“ aus dem Lieferservice des Restaurants war mir noch in bester Erinnerung.

"schnelle" Bouillabaisse, Rouille, Pain grillé
 
Die Abstriche sollten sich aber im Rahmen der Möglichkeit in engen Grenzen halten, selbst wenn es angesichts der an der Oberfläche relativ klar anmutenden Brühe sicher einige geben wird, die hier aus der Ferne eine schwachbrüstige Angelegenheit diagnostizieren und auch ich war zunächst misstrauisch, aber nicht immer sagen Bilder mehr als tausend Worte. Schließlich strotzt ja auch so manche klare Tomaten-Consommé mit weitaus mehr Intensität als eine lieblose Tomaten-Lumumpe aus der Dose. 
 
Zum einen gefiel mir die Fisch-Palette gut. Nun sind Drachenkopf, Dorade, Seeteufel, Rotbarbe, Meeraal, Knurrhahn, Wolfsbarsch oder Petersfisch ja gemeinhin die mediterranen Fisch-Klassiker in einer Bouillabaisse, dazu noch Muscheln und Garnelen, je nach Gusto und Verfügbarkeit.
 
Aber wir sind nicht im Hafen von Marseille und die preiswert angebotene Suppe war der Wunsch eines einzelnen Gastes, somit war ich mit der hiesigen Auswahl von Seehecht, Lachs, Seeteufel, Garnelen, Venus- und Miesmuscheln zufrieden.
 
Geschmacklich auch, neben einem hinreichend kräftigen Fond-Fundament eine spürbare aber nie dominante Safran- und Fenchel-Note, das besaß durchaus Tiefe, die al dente Lauchzwiebel hätte ich nicht gebraucht, etwas Noilly Prat meine ich noch vernommen zu haben, vielleicht auch Wunschdenken im Aromenspiel – und, Halleluja: jemand versteht den Zweck von Salz nicht als rein dekorativen solchen, sehr schön.
 
Als Beiwerk gab es erneut das schöne gegrillte Landbrot und eine mit echtem Safran (Fäden, auf die Ware ist der Koch zu Recht stolz wie er erzählte) aromatisierte Rouille mit ausreichender Knoblauchschärfe.
 
Unter dem Strich wäre vielleicht „Fischsuppe nach Art einer Bouillabaisse“ treffender gewesen, denn Hardcore Fans der südfranzösischen Küche hätten sicher Haare in der Suppe gefunden, ich jedoch war mit Fug und Recht zufrieden mit dem gebotenen wie ich meine.
 
 
 
Zum Wein: Wir waren einige Wochen nicht mehr gepflegt essen und ich entschloss den Advent mit ein wenig Selbstbelohnung einzuläuten, man ist kein BYO Restaurant aber einen eigenen schönen Wein gegen Korkgeld – das man später nicht berechnen wollte, aber da bestand ich drauf und gab 20 Euro -  durfte ich auf vorherige Nachfrage nur allzu gerne mitbringen. Wein ist nicht unbedingt das Hauptaugenmerk des Hauses, auch wenn man gar einen eigenen alltagstauglichen Grauburgunder mit eigenem Etikett aufgelegt hat und durchaus ansprechendes offenes in kleiner Auswahl bietet, das möchte ich betonen. Aber heute wollte ich mir einfach etwas gönnen.

2017 Hattenheim Hassel, Riesling GG - mitgebracht gegen Korkgeld
 
Eigentlich hätte dieser 2017er Ausnahme-Lagen-Riesling von Barth noch mindestens fünf Jahre im Keller liegen müssen aber man attestiert ihm schon jetzt großes, hochklassiges Trinkvergnügen und ich opferte ihn gerne.
 
Tief, komplex, mit ausgeprägter Mineralik und eher dezenter Frucht bei hauchzart leichter Fruchtsüße, die Säure Reben-typisch präsent und gleichsam rund und nicht im Ansatz ruppig. Ein großer, versatiler Wein, der sich wie erwartet hervorragend mit all meinen Gerichten verstehen sollte, und ganz besonders mit den Wildnoten in Gang 2 und 3.
 
Derweil strömte köstlicher Gänsebraten-Duft durch den Gastraum, der Tisch am anderen Ende des Gastraumes mit einer kleinen Familiengesellschaft freute sich gerade über das Servieren ihrer Gänsegerichte und meine Begleitung starb spontan vor Hunger, weil sie sich entschieden hatte, erst bei meinem zweiten Gang mit ihrer Suppe einzusteigen.
 
Augen auf bei der Menüplanung sage ich nur, ich musste sogar mein Brot und die Rouille aufmerksam bewachen, leider mit mäßigem Erfolg….
 
 
 
| 2. Gang |
 
Wildterrine – 10,50 € (reduzierter Menüpreis als kleine Portion, regulärer à la carte Preis 12,50 €)
Morchel-Samtsüppchen – 10,50 €
 
Als ich wegen der vier Gänge um angepasste Portionen bat war ich froh, dass dies möglich war, eigentlich ist man ein reines à la carte Restaurant, die Preise passte man dennoch stimmig und fair an.
 
Meine Wildterrine kam mit Preiselbeergelee, Wildkräutersalat und geröstetem Brioche, wobei mich letzteres optisch schon beim Servieren enttäuschte, was später in einer ausgiebigen, konstruktiv-freundlichen Brioche-Fachsimpelei mit dem Koch enden sollte.

Wildterrine
 
Dies sei der erste Tag der neuen Karte, da sei noch Feintuning nötig und ein Versuch mit Brioche-Muffins sei – Dank viel zu festem Backergebnis - etwas in die Hose gegangen, daher setzte er kurzentschlossen auf eine Kastenform, werde das aber noch mal in Ruhe überdenken – zufrieden schien er auch nicht wirklich.
 
Geschmacklich war das aber mit etwas Nachsicht durchaus ansprechend, nur die Toast-Optik, nicht nur wegen der Schnitt- und Anrichte-Weise, empfand ich als etwas traurig.
 
Die aromatische, fein abgeschmeckte Terrine selbst – ich tippte zunächst auf Reh - kam vom Hirsch mit etwas Wildschweinleber und schmeckte hervorragend, dazu kleine Würfel vom Preiselbeergelee, klassischer geht es kaum.
 
Nicht nur optisch bereicherten kleine Tupfen einer leichten Emulsion mit leichten Noten von Tomate und geräucherte Paprika.
 
Optisch etwas blass der Wildkräutersalat. Statt ihn leicht anzumachen und vollflächig zu benetzen gab es Tropfen von recht brauchbarem Balsamico – ich hätte einen nicht zu süßen Fruchtessig passender empfunden. Die halbierte Kirschtomate, sowie zwei grobe Gurkenstifte, habe ich im Kontext des Gerichtes nicht wirklich verstanden, blieben somit auch liegen, derweil sich Madame über die Radieschen freute.
 
Um es vorwegzunehmen: Eigentlich streng genommen der schwächste Gang, aber ein Schluck vom Wein nach einem Happen Brioche und Terrine ließ mich dann doch noch mit leichter Gänsehaut die Augen schließen.
 
Das Samtsüppchen von der Morchel mit Champagner zubereitet und karamellisierten Maronen als Einlage wurde parallel von meiner ausgehungerten Begleitung mit Freude, Appetit und Zufriedenheit verspeist, was ich nach einem Probierlöffel auch nachvollziehen konnte.

Morchel-Samtsüppchen
 
 
 
| 3. Gang |
 
Hirschrahmbraten – 15,50 € (reduzierter Menüpreis als kleine Portion, regulärer à la carte Preis 19,50 €)
Gänsebrust – 28,50 €
 
Die Hauptgerichte kamen und das erste was Sarah Beyer anmerkte war, dass extra Soße oder ein Beilagen-Nachschlag auf Wunsch eine Selbstverständlichkeit sei.
 
Ich bin zwar kein Geschirr-Fetischist, aber der geschmackvolle, hellblaue Teller unter meinem Hirschrahmbraten, der sich so ideal in das Ambiente einfügte, gefiel mir ausnehmend gut.

Hirschrahmbraten
 
Dazu gab es Kirschrotkohl und leicht mit feinen Nusssplittern panierte Haselnuss-Spätzle, sowie eine pochierte, zweifarbige, gefüllte Rotweinbirne.
 
Das aus einer Solinger Jagd (Revier 13, Oberburg) stammende Fleisch (wobei ich mich nachträglich über Rotwild in Oberburg wunderte, vielleicht war es Rehbock?) wurde tadellos auf den Punkt geschmort, es zerfiel nicht beim Hinschauen und dennoch brauchte man Zähne eigentlich nicht wirklich, man konnte es mit der Gabel teilen, wenn man denn wollte.
 
Die sämige Soße schmeckte grundehrlich, ein guter Fond, etwas Süße durch Preiselbeeren o.ä. und durch Rahm oder Creme fraiche (und ggf. einen Schuss Essig) auch ein idealer Touch Säure, ich mag es nicht, wenn solche Soßen rahmig-süßlich einseitig geraten.
 
Fruchtige Süße hätte ich beim Kirsch-Rotkohl vielleicht etwas mehr erwartet, hier stach Nelke für meine Begriffe etwas zu deutlich heraus, aber auch hier überzeuge man unter dem Strich nicht zuletzt mit einer sehr ansprechenden Konsistenz, denn übergart oder allzu bissfest ist er mir meist ein Graus: ein sehr brauchbarer, leicht adventlicher Rotkohl.
 
Die Nuss-Spätzle hatte ich mit ihrer leichten Panierung so noch nicht gegessen, passten aber erwartungsgemäß hervorragend und auch hier gaben Geschmack und Textur keinen Grund zur Klage.
 
Der kleine Gartenzwerg auf dem Teller ist übrigens die „bi-color“ Rotweinbirne. Man pochiert Birnen in Rotwein und Gewürzen, andere mit Weißwein, halbiert sie, höhlt die untere Hälfte der weißen Variante aus und füllt sie mit einer Art Preiselbeerkonfitüre, obenauf dann der rote Hut.
 
Köstlich! Nur habe ich mich später gefragt, wie man das handhabt, ist es reiner Zufall, ob ich einen weißen oder roten Hut habe? Ich kann mir kaum vorstellen, dass man immer auf einem roten „Hut“ besteht und somit die Hälfte der pochierten Birnen entsorgt oder zweitverwertet. Die großen Fragen des Lebens eben…. :-)))
 
Die Gänsebrust von Gegenüber stammte zwar nicht aus klingenstädtischen Gefilden, aber aus einer artgerechten Freilandzucht in der Eifel, was auch den Preis relativiert. Gutes Gänsefleisch ist teuer, sofern man nicht meint, eine polnische Hafermastgans vom Discounter aus unsäglichen Haltungsbedingungen sei in irgendeiner Weise akzeptabel.

Gänsebrust
 
Hierzu gab es den gleichen Kirschrotkohl wie beim Hirsch, einen Kartoffelkloß, einen veritablen, mit Marzipan gefüllten Bratapfel sowie eine handwerklich perfekte, unerwartet elegante Orangensauce, statt der oft recht schweren Bratentunke.
 
Nachdem ich, ob der ausgeprägt „phallischen“ Anrichteweise des Gerichtes, pflichtschuldig ordinären, spätpubertären Pennäler-Humor zum Besten gab und prompt böse Blicke von Gegenüber erntete (Mission accomplished!) durfte ich probieren und war ebenfalls angetan.
 
Zartes, saftiges Fleisch, knusprige Haut, eine gut balancierte Sauce, die unterstützte und den Geschmack der Gans hob und nicht erschlug, trotz aller Zufriedenheit mit meinem Hirsch war ich ein klein wenig neidisch.
 
Puh, jetzt war eine kleine Pause angesagt, dennoch war ein Dessert angesichts des Angebotes unvermeidbar…
 
 
 
| Dessert |
 
Wintertiramisu – 9,50 €
Stollenparfait – 10,50 €
 
Schon beim Servieren war Weihnachten ganz nah, der von beiden Tellern wabernde Geruch war einfach eine Freude.
 
Mein Wintertiramisu hatte seinen Namen wahrlich verdient, bis auf die Optik waren adventliche Aromen hier prominent vertreten, statt Biskuits wurden Spekulatius verarbeitet, in der unteren Mascarpone-Schicht fanden sich noch leicht zimtig vorschmeckende Kirschen im Ganzen.

Wintertiramisu
 
Begleitet wurde es von lauwarmen Gewürzkirschen, die wohl mit etwas Spekulatiusgewürz o.ä. leicht eingekocht bzw. abgebunden wurden, so wie man es grundsätzlich von den heißen Kirschen zur Waffel kennt.
 
Dazu noch etwas nett auf dem Teller drapierte, gesteigert köstliche Sauce, die an eine zimtige Vanillesauce oder Tonkabohne erinnerte, die in der Karte vermerkte Zimt-Mascarpone bezog sich wohl eher auf die Masse im Kuchen, ich denke es war die Lebkuchen-Vanillesauce, die auch das Stollenparfait begleitete.
 
Das Stollenparfait meiner Freundin (bitte mal Szenenapplaus für diese völlig wertfreie Bezeichnung) wurde von Himbeersauce und der erwähnten Lebkuchen-Vanillesauce begleitet, sowie von einem sehnsüchtig erwarteten, ofenfrischen Pflaumen-Crumble.

Stollenparfait
 
Das Parfait war eine Ansage in der Kategorie Alltags-Patisserie, handwerklich perfekt, herrlich cremig und nicht im Ansatz kristallin, es war nicht übersüßt und trug klar die geschmacklichen Insignien eines Stollens durch Dinge wie Kardamon, Rosinen, Korinthen oder Orangeat.
 
Madame war begeistert und ließ mich probieren, auch der Pflaumen Crumble wusste zu gefallen und wurde ebenfalls mit großer Zufriedenheit – ich sollte in ihrem ausgeprägt süßzahnigen Fall vielleicht eher „Glückseligkeit“ schreiben – verspeist, vom Parfait schwärmt sie noch heute, zwei Tage später.
 
 
 
Nun ging nicht mehr viel, die aufmerksame Chefin vom Dienst bot noch Kaffee oder ein Digestif an, ich entschied mich für einen Ron Botucal, die 4cl zu fairen 5,50 €, vielleicht nicht mein liebster Rum aber ein zu Recht sehr beliebter und nach diesem Dessert passte er wirklich hervorragend.

Ron Botucal
 
Die Zeit war wie im Fluge vergangen, wir waren gegen 22 Uhr die letzten Gäste und unterhielten uns noch eine ganze Weile mit dem sympathischen, jungen Betreiber-Ehepaar, ich gab ungefragt leicht angeduselt „wertvolle“ Tipps zum perfekten Brioche und erzählte Unsinn, Madame und Sarah Beyer erörterten  Haustier-Anekdoten, ein schöner Abend bei und mit netten Menschen und passendem Essen ging zu Ende als das Taxi kam.
 
 
 
Fazit
 
Hier stehen bodenständiges, mit Herz und Hand umgesetztes Handwerk und gute Produkte im Vordergrund.
Wer die große Kunst auf dem Teller sucht ist hier genauso falsch wie Pfennigfuchser, für die eine Gänsekeule mit Beilagen nicht mehr als 12 Euro und das Fritteusen-Schnitzel – am besten am Schnitzel-Aktions-Tag – mit Pommes möglichst unter 10 Euro kosten darf.
Für den solide umgesetzten Claim des Hauses „Einfach gut essen.“ (muss gut ankommen, wurde schon kopiert in Solingen…) möchte ich in Sachen Küchenleistung inklusive erwähnter Detailkritik doch noch 4,5 Sterne für das Gebotene auf diesem Preislevel vergeben.
 
Der Service ließ keine Wünsche offen. Auch wenn es an diesem Tag einfach war, weil es recht leer war durch diverse Absagen, fühlten wir uns durch Sarah Beyer ständig umsorgt und nach der Zufriedenheit zu fragen, schien sie als unaufdringliche Selbstverständlichkeit zu verstehen, fünf Sterne hierfür.
 
Das Ambiente gefiel mir gut, ich mag solche Läden und man setzt auf dezent dekorierte Gemütlichkeit anstatt auf urbane Hipster-Klischees. Auch die bequeme „Sitz-Situation“ trug zum Wohlfühlen merklich bei, gute vier Sterne hierfür.
 
Die Sauberkeit makellos, die tagesaktuellen (…) NRW Corona Regeln wurden gewissenhaft umgesetzt, fünf Sterne.
 
Bei Preis-Leistung komme ich auf fast perfekte 4,5 Sterne, man wird nicht beschenkt aber bekommt viel geboten für sein Geld und die Kalkulation ist immer fair. Ob der ein oder andere hier eher eine drei sieht, oder eine fünf, hängt sicher immer auch mit der eigenen Perspektive zusammen aber das ist ja in jeder Bewertungs-Kategorie so.
 
Teile ich die Sterne für die für mich in einer Gastronomie mit dieser Ausrichtung maßgeblichsten Disziplinen Küche,  Service und PLV durch drei, so komme ich auf aufgerundete 4,7 und daher gibt es auch in der Gesamtwertung 4,5 Sterne, weil hier auf GastroGuide halbe Sterne möglich sind.

In jedem anderen Portal, wie auf TripAdvsior, wo ich Auszüge ebenfalls posten werde, natürlich glasklare 5 Sterne ohne Wenn und Aber.
 
Da die Karte ständig saisonal wechselt, werden wir in Zukunft ganz sicher öfter hier zu Gast sein, aber das man hier nicht enttäuscht wird, war mir nach dem Lieferservice-Einstand im April eigentlich fast klar; ich freue mich auf den nächsten Besuch!
 
 
 
 
P.S.
 
Liebe GastroGuide Freunde, ich habe noch einiges nachzuholen was das Lesen in den letzten drei Wochen angeht, es passte in letzter Zeit zeitlich am Wochenende nicht so gut, Asche auf mein Haupt, wird noch gemacht, ich schaue mir jeden Beitrag noch an, verspochen!
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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