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GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Gehrlein's Alte Mühle in 76770 Hatzenbühl bewertet.
vor 3 Jahren
"Spätsommerliches Soulfood im idyllischen Innenhof"

Geschrieben am 01.11.2020 | Aktualisiert am 09.02.2021
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Besucht am 09.09.2020 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 69 EUR
Ja, ich gebe es ohne Umschweife zu. Meine Frau und ich sind große Fans der Gehrlein’schen Küche, weshalb wir uns in regelmäßigen Abständen im Restaurant „Hardtwald“ zu Neupotz einfinden, um die verfeinerte Landhausküche von Martin Gehrlein und seinem Team zu genießen. Wenn wir es etwas legerer, aber genauso delikat haben wollen, ist jedoch sein 2017 eröffnetes Zweitlokal unsere erste Adresse im Umkreis von 15 Autominuten.
 
Die mit viel Schweiß und Herzblut sanierte „Alte Mühle“ vor den Toren der südpfälzischen Gemeinde Rheinzabern ist jedoch längst kein Geheimtipp mehr. Ganz im Gegenteil: das kulinarische Kleinod hat sich in der Region etabliert und ohne Reservierung wird es schwer, einen der begehrten Tische zu ergattern. Wie schön, dass es Anfang September endlich mal wieder geklappt hatte. Die warme Witterung ließ noch den Genuss unter freiem Himmel zu, so dass wir uns an einem spätsommerlichen Mittwochabend auf den Weg machten, um im beschaulichen Innenhof der Alten Mühle aufzuschlagen.
Die Alte Mühle (Außenansicht)
Von geschichtsträchtigem Fachwerk umgeben, saß es sich hier ganz entspannt auf bequem gepolstertem Holzmobiliar der rustikaleren Sorte. Die beiden im Dirndl agierenden Servicedamen machten einen tollen Job. Trotz voller Hütte hatten sie für ihre Gäste stets ein nettes Wort parat. Ihre lockere, aber nie nachlässige Gangart sorgte für reibungslose Abläufe in ungezwungener Atmosphäre. Da war der Alltagsstress schnell vergessen.
 
Das Speisenangebot wird auch weiterhin maßgeblich von der Saison bestimmt. In der Regel wechselt deshalb alle sechs Wochen die mit Bedacht zusammengestellte, wohlsortierte Gaumengarnitur. Etwas Abwechslung schadet ja bekanntlich nie und außerdem freuen sich nicht nur die Stammgäste über jahreszeitliche Akzente bei den dargebotenen Leckereien.
 
In unserem Falle waren es sieben Vorspeisen, von der eine köstlicher klang als die andere. Dreierlei vom Pfälzer Saumagen wurde hier mit Selleriepüree und Krautsalat kombiniert. Die Rote Beete kam als Carpaccio mit Bergkäse und Blattsalat auf den Teller. Der lauwarm marinierte Bohnensalat wurde mit pochiertem Ei und karamellisierten Birnenspalten aufgepeppt.
 
Dem gebackenen Strudel von Lachs und Garnelen stellte man marinierten Rettich und Kürbis-Chutney an die Seite. Das klang alles genauso lecker wie lässig und machte uns die Entscheidung nicht gerade einfacher. Meine Frage nach der Tagessuppe schuf dann doch etwas Klarheit. Ein erstes Kürbiscremesüppchen (5,90 Euro) vor dem nahenden Herbst konnte kein Fehler sein.
 
Meine Frau mochte es von Beginn an wesentlich fleischiger. Ihr sagte das Tatar vom Weideochsen mit gebratenem Schwarzbrot, Kapern und Eigelbcreme (12,80 Euro) als Vorwegteller am meisten zu. Und auch beim Hauptgericht waren es diesmal nicht die so häufig georderten Käsespätzle, sondern die geschmorte Rinderroulade auf Selleriepüree mit Pommes dauphine und Burgundersauce (19,80 Euro), die ihre Lust auf herzhaft zubereitete Hausmannskost stillen sollte.
 
Ich schwankte zwischen dem stattlichen „Mühlen-Burger“, der mittlerweile eine feste Größe im Speisekatalog darstellt, dem Krautwickel vom Pfälzer Saumagen auf Rahmsauerkraut und Kartoffelstampf sowie dem lackierten Lachsfilet auf Asia-Gemüse und Jasminreis (20,80 Euro). Mit dem halben Bauernhühnchen mit Pommes bzw. dem Kräuterrisotto mit Marktgemüse und frischen Waldpilzen waren noch weitere Schmankerl in der Karte gelistet, die mich kulinarisch ansprachen.
 
Da ich bei Martin Gehrlein schon so einige panierte Zanderfilets verputzt habe und um die Qualität seiner Fischküche weiß, fiel meine Entscheidung auf den Asia-Lachs. Ein Gericht übrigens, das ich auch gerne zu Hause in einer etwas anderen Version – als Thunfisch Tataki auf Wokgemüse – zubereite. Ich war gespannt, wie sie es hier auf den Teller bringen würden.

Doch zuvor musste der Flüssigkeitshaushalt wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Ein gut gekühltes Tannenzäpfle Pils von der Badischen Staatsbrauerei Rothaus (aus der 0,33l-Flasche für 2,90 Euro) und ein halber Liter Teinacher Classic (3,50 Euro) eigneten sich dafür ganz ausgezeichnet.
 
Was geröstete Kürbiskerne, etwas Sahne, kleingehäckselte Frühlingszwiebeln und aromatisches Kürbiskernöl in der richtigen Dosierung so alles mit einer frisch pürierten Butternut-Terrine anstellen können, erfuhr ich bei meiner Vorspeise.
Kürbiscremesuppe...wie gemalt!
Jeder Löffel davon war ein Genuss! Allein schon die Sahne-Kürbiskernöl-Melange auf der Oberfläche suggerierte Köstliches. Und in der Tat, was sich da aus den Tiefen des Tellers heben ließ, hätte jeden Suppenkasper glücklich gemacht. Feine Erdigkeit - gepaart mit milder Würze - traf auf dezente, elegant eingebundene Süße. Der erste Fingerzeig in Richtung Gaumenkitzel ging voll auf.    
 
Meine Frau bestaunte derweil ihr Tatar, das zeitgleich mit der Suppe eingetroffen war. Allein schon wie es auf dem Teller arrangiert war, zeugte von Ambition und handwerklicher Akkuratesse.
Dadar vum Pälzer Weidox
In der Mitte thronte ein durch und durch süffiger Rohfleischzylinder, in dessen schmackiger Masse bereits Zwiebeln, Kapern und die übrigen Verdächtigen eingearbeitet waren. Zum klassischen Feinschnitthügel in Sachen Rindfleischverwertung gesellten sich zwei Scheiben Schwarzbrot, die kross gebraten aus der Butterpfanne kamen.
Der Tatar-Teller von oben
Um das delikat anmutende Fleischwerk herum brachten sich Eigelbcreme und Gurkenschmand gleich tupfenweise in Stellung. Eine weitere, auf Mayo-Basis zubereitete Sauce lieferte subtile Kapern- und Estragon-Noten. Ein paar Mixed Pickles, frittierte Petersilie und etwas Kresse on Top vervollständigten diesen rein optisch schon sehr gelungenen Spätsommerteller, der meine Frau zu regelrechten Lobeshymnen animierte. Auch ich durfte vom pfiffig arrangierten Schabefleisch kosten und konnte meiner Liebsten nur neidlos (naja vielleicht nicht ganz…) beipflichten. Das war einfach clever kombiniert und mit ausgesprochen guten, frischen Produkten originell aufs Porzellan gebracht.
 
Mein mit Teriyaki-Sauce bepinselter Lachs wurde als stattliche, nur leicht angebratene Tranche geliefert. Im Inneren zwar noch etwas roh, konnte mir das als eingeschworenem Sashimi-Fan jedoch nichts anhaben. Das in Topqualität gelieferte Fischfilet lag auf einem kurzgewoktem Gemüsefundament, das ebenfalls mit würziger Sojatunke verfeinert war und mit knackiger Frische aufwartete. Dünne Streifen von Paprika, Lauch, Wirsing und roten Zwiebeln waren darin auszumachen. Oben drauf hatte es sich eine Art Kimchi-Praline im Sesammantel bequem gemacht.
Der Teriyaki-Lachs
Daneben sorgten eine schaumig angegossene, milde Beurre blanc, ein paar kross frittierte Gemüsechips, die obligatorische Brattomate im Cocktailkleid sowie reichlich frische Frühlingszwiebelringe für ein gehöriges Maß an Abwechslung auf dem Teller. Und das sowohl in farblicher als auch in textureller Hinsicht. Das weiße Schaumsößchen tat gut daran, die kräftigen Asia-Aromen des Gemüses ein wenig abzufedern und mit ein wenig buttriger Gefälligkeit zu unterfüttern. Zum sagenhaft mürben Lachsfilet passte dieser Geschmacksakkord natürlich hervorragend. So packt man kraftvoll-aromatisches Soulfood zeitgemäß auf die nicht minder ansehnliche Keramik. Auch das Auge durfte sich also sattessen.
...an Saftigkeit kaum zu überbieten!
Mit genauso viel Fingerspitzengefühl beim Anrichten wurde die hausmannsköstliche Rinderroulade auf dem blaugeblümten Porzellan platziert. Das mürbe geschmorte, nach Hausfrauenart zubereitete Prachtexemplar war in zwei Hälften geschnitten und prahlte förmlich mit seiner delikaten Füllung. Gewürzgurken, Bacon und Zwiebel grüßten herzhaft aus dem Inneren des Rindfleischwickels.
Thank God, it's a real Roulade!
Damit dieser beim Verzehr auch ja besser rutschen möge, wurde nicht an gehaltvoller Burgundersauce gespart. Seidiges Selleriepüree und auf den Punkt gedämpftes Gemüse sorgten als vegetabile Begleiter auch für texturelle Vielfalt. Die Dauphinekartoffeln gerieten zum Niederknien fluffig und wurden genau wie mein Basmati-Reis zum Lachs à part gereicht.
Die Pommes dauphinois

Nach den nicht gerade homöopathisch dosierten Leckerbissen waren wir pappsatt und mussten schweren Herzens auf die Crème brulée mit Rumsauerkirschen bzw. auf das Parfait von weißer Schokolade und Cassis verzichten. Denn eines sollte jedem hier einkehrenden Gut- und Gernesser klar sein: in Martin Gehrleins Alter Mühle stimmen auch die Portionen. Warum auch nicht? Gaumenfreude und Sättigung schließen sich ja nicht aus.
 
Dies ist auch mitunter einer der Aspekte, die uns hier immer wieder gerne aufschlagen lassen. Man merkt, dass schon bei der Auswahl der Produkte sehr viel Wert auf Qualität gelegt wird. Ihre handwerklich fundierte Zubereitung schmeckt man bei jedem Bissen. Zusammen mit dem gepflegten Ambiente und dem herzlichen Service stellt diese Adresse nach wie vor eine Bereicherung der Südpfälzer Gastrolandschaft dar.
 
Meine Frau und ich wollten eigentlich in der nächsten Zeit mal wieder dort einkehren, was uns die Pandemie ja derzeit verwehrt. Gut, dass das Mühlenteam um Martin Gehrlein eine ansehnliche Auswahl an Leckereien – Mühlenburger, Rinderroulade und Käsespätzle inklusive – „to go“ anbietet. Solch wohlschmeckende Leib- und Seelenküche lässt sich ja auch als Abholware ganz hervorragend daheim genießen. Wir unterstützen dieses „Außer-Haus-Angebot“ sehr gerne und drücken ganz fest die Daumen, dass die Alte Mühle auch die zweite Zwangsschließung übersteht.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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