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GastroGuide-User: tischnotizen
tischnotizen hat Restaurant Pottkind in 50678 Köln bewertet.
vor 4 Jahren
"Liebe auf den zweiten Biss"

Geschrieben am 04.02.2021
Besucht am 22.10.2020 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 248 EUR
Die Theke war lange tabu. Corona hatte Tresenliebhabern viele Monate ihren liebsten Platz genommen. So auch im „Pottkind“, das wir vor anderthalb Jahren zuletzt besucht hatten und wo auch uns von Anfang an der direkte Blick in die Küche und die unmittelbare Kommunikation mit den Köchen viel Spaß gemacht hatte.
 
Anderthalb Jahre sind – ob mit oder ohne Lockdown – zu lange. In der Zwischenzeit haben wir immer wieder Bilder und Berichte von aktuellen Menüs gesehen, die eine spannende Entwicklung dokumentierten. Alleine dafür hätten wir auch einen Platz an einem der Tische genommen. Aber es ist nun mal, wie es ist und so dauerte es doch bis zum Oktober des letzten Jahres, als sich eine Gelegenheit für den längst überfälligen Besuch ergab.
 
Interieur
Tresen 
 
Mit geschickt angebrachten und überhaupt nicht störenden Plexiglasscheiben durfte man wieder die Thekenplätze freigeben und wir freuen uns auf das Carte Blanche Menü von Enrico Sablotny, das es in vier, fünf oder sechs Gängen (60€, 75€, 90€) gibt.
 
Den Auftakt machen einige Knabbereien, darunter ein mit Kaninchenrillette gefüllter Filo-Chip mit Sanddorn sowie Fenchelcracker, die wunderbar zum Dippen für die würzige Sauce Rouille taugen.
 
Apéros
 
Wie vielschichtig der folgende Gang ist, lässt sich beim Anblick der sehr puristischen Präsentation kaum erahnen. Thematisch geht es hier rund ums Huhn. Dafür wird die Leber als Creme verarbeitet, die gefüllte Keule als Galantine, Ei als Schaum und aus dem Fond der Knochen wird ein Gelee gezogen, das mit Sesam das Gericht abdeckt. Im Inneren findet sich noch ein hauchdünn geschnittener Schwarzwurzelsalat. Durch die Leber zieht sich ein erdiger Grundton durch den Gang, der insgesamt ungemein schlotzig, süffig und einfach nur lecker ist.
 
Rund ums Huhn
 
Es folgt gutes Brot, aufgeschlagene Butter und steirischer Schinken. Das wird im „Pottkind“ zwar nicht als explizit eigenständiger Gang inszeniert, bekommt aber an dieser Stelle seinen angemessenen Auftritt.
 
Butter, Brot, Schinken
 
Mit Seeteufel geht es weiter und erneut verbirgt sich unter dem Sepia gefärbten Kartoffelchip mehr als man erwartet. Kerbelwurzel, Pinienkerne, eingelegte Bärlauchstiele und Petersilienspinat sorgen für den gemüsigen Unterbau, aber das Markanteste ist zweifellos die intensive Bouillabaisse. Die geht direkt auf die 12. Einfach nur toll und für mich eines der Gerichte, das es direkt in meine persönliche Jahres Best Of-Liste schafft!
 
Seeteufel, Kerbelwurzel, Bouillabaisse
 
Der nächste Gang ist Jens-Peter, Koch im „Pottkind“-Team mit Frankfurter Herkunft, zu verdanken. Er hatte die Idee, Kochkäse als cremige Unterlage für La Ratte-Pellkartoffeln und geschmorten Ochsenschwanz zu verwenden. Unter dem Kochkäseschaum findet sich noch eine Zwiebelmarmelade. Das alles ist zwar deftig, aber originell und unterm Strich dann eben auch sehr elegant gelöst.
 
Jens-Peters Kochkäse, La Ratte, Ochsenschwanz
 
Der Hauptteller mit Hirschrücken, Chicoree (tatsächlich mit einer erfreulich leichten Bitternote), Champignons in Texturen auf Brioche, Pistazie und einer schönen Orangenjus wäre alleine schon aller Ehren wert. Die Kombination ist abwechslungsreich, das Handwerk makellos und die Präsentation überzeugend. Aber der wirkliche Star in diesem Gericht sind die separat servierten Spätzle. Die sind mit Pfifferlingen und Butterbröseln gebraten und würden auch als eigenständiges Gericht durchgehen können. Vielleicht sind wir schon so sehr an Edelzutaten gewöhnt, dass gerade so vermeintlich einfache Beilagen so viel Spaß machen. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass sie schlichtweg ultralecker sind.
 
Hirschrücken, Chicoree, Champignons
Spätzle 
 
Beim Dessert verschwinden meine Erinnerungen ein wenig. Ob es also ein Nougat- oder ein Haselnusseis war, kann ich nicht mehr genau sagen, aber durch Joghurtbeigabe hatte es einen angenehm säuerlichen Touch. Bronzefenchel und Spaghettikürbis spielen auch noch eine Rolle, ebenso Hagebutte, die im Baiser und der Sauce verarbeitet wurde. Aber auch dafür will ich keine Garantie übernehmen. Das ist halt das Problem mit Carte Blanche-Menüs, das man schon genau aufpassen muss, was einem da angesagt wird. Entscheidend ist aber letztlich nur, ob es gut war. Und das war es, sogar sehr gut und erfreulicherweise auch nicht zu süß.
 
Nougateis, Karamell, Fenchel
 
Wie immer schlägt man mit den Petits Fours erneut einen Bogen zum Beginn des Menüs. Die Präsentation ist nahezu identisch, aber nun gibt es alles in der süßen Ausführung. Hier als Keks mit Käsekuchencreme und Aprikose sowie mit Fenchelcracker und Blaubeer-Fichten-Dip.
 
Petits Fours
 
Im Vergleich zu unserem auch damals schon sehr überzeugenden Menü war das hier noch einmal ein deutlicher Sprung nach vorne, um nicht zu sagen eine bockstarke Leistung. Der Stil scheint noch eigenständiger und pointierter. Enrico Sablotny kombiniert kreativ und durchdacht, aber ohne seine Teller zu überladen. Die Komplexität verbirgt sich bei ihm oft unter dem, was nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Er sagt selbst, dass man sich ein Gericht wie die Vorspeise rund ums Huhn in dieser Form früher nicht getraut hätte. Wenn das jedoch die Richtung markiert, in die man gehen will, dann kann ich nur ausdrücklich ermuntern, diesen Weg weiter zu gehen. Hier ist eine eigene Handschrift zu erkennen, gepaart mit originellen Ideen und tadellosem Handwerk. Das hat definitiv Sternequalität.
Wir waren jedenfalls durchgehend begeistert und können das nächste Menü am Tresen kaum erwarten. Wenn es Corona denn mal wieder erlaubt.
 
 
Bericht wie immer auch auf meinem Blog: http://tischnotizen.de/pottkind-koeln-2/
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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