Zurück zu Steakhouse an der Lesum
GastroGuide-User: Hanseat1957
Hanseat1957 hat Steakhouse an der Lesum in 28719 Bremen bewertet.
vor 5 Jahren
"Der Balkan ist zurück an der Lesum – Alle Klassiker der Balkanküche nach bewährtem Vorbild"

Geschrieben am 25.11.2018
Besucht am 24.11.2018 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 60 EUR
Allgemein:

Hinter unserem Referenzgriechen Orpheas an der Burger Brücke wird in „zweiter Lage“ im Obergeschoss eines Geschäftshauses seit Jahren Gastronomie betrieben. Der Chinese hielt sich ganz gut (Nachfolger jetzt „Asiana“ im historischen Haus Stadt London), dann drei Flops (Spanier, Grätenfish , zuletzt Medusa mediterran/türkisch).

Nun las ich kürzlich von der Neueröffnung „Steakhaus an der Lesum“ am 01.11.2018 und gähnte leicht, denn Steaks und Burger sind ja gerade sehr „in“ und als Nonkonformist lächle oder gähne ich halt bei allem Gehypten. In einem Augenblick der Langeweile schaute ich dann aber auf die Karte im Erdgeschoss beim Eingang (Homepage habe ich jetzt im Zuge der Recherchen für die Kritik entdeckt: http://steak-house-lesum.de/index.html) und diese kam mir sehr bekannt vor. Das Steakhaus ist ein waschechter „Jugo“, worauf aber nur verschämt auf dem großen Restaurantschild in dünner Schrift mit „Balkan & Internationale Spezialitäten“ hingewiesen wird und die Karte erinnerte mich stark an die des Steakhauses Melissa in Bremen-Walle, einem der wenigen Balkanrestaurants, die sich in Bremen gehalten haben.

Als wir dann um 18:30 Uhr am Samstag einkehrten, war alles klar: Gleich an der Theke hinter dem Eingang nahm uns eine junge Frau in Empfang, die wir aus dem Melissa kannten. Es war Snezana Nanic, wohl die Schwiegertochter der Melissa-Wirtspatriarchin, Frau Sadeta Nanic. Die Wiedersehensfreude war aufrichtig und Snezana berichtete, dass sie sich mit ihrem Mann auf eigene Füße gestellt hat und die letzten Wochen sehr anstrengend waren.

Auch der Abend war bereits von Anstrengung geprägt, denn das Steakhaus war fast bis auf den letzten Platz besetzt! Es war typisches „Jugopublikum“, also gesetztere Semester. Es drängte sich der Eindruck auf, dass die Balkanküche nach dem altersbedingten Aus für das Europa in 2016 in Burg-Lesum schmerzlich vermisst wurde.  Man wird freilich abwarten müssen, ob sich der Zuspruch auf hohem Niveau konsolidiert angesichts der griechischen Platzhirsche Orpheas, Sparta und Kalymnos im näheren Umfeld. Der sympathischen Snezana und ihrem Team wünschen wir das gerne.

Das Preis-Leistungsverhältnis verlangt einen differenzierten Blick: Die Speisen sind sehr moderat bepreist; die Getränke hingegen teuer. Das mittle ich mal auf 3,75 Sterne.

Auf der Homepage viele Fotos vom Restaurant und der Küchencrew (und Snezana).

Service:

Hinter der Theke und beim Laufen waren fünf jüngere Frauen zu beobachten, darunter Snezana. Alle waren freundlich und verrichteten ihren Dienst flott, ohne hektisch zu sein. Wie schon im Melissa, ist das schlichte Schwarz der Garderobe das Erkennungszeichen des Servicepersonals.

Und die Spendabilität hat Snezana auch mitgenommen, denn ich meine vier Julischkarunden wurden uns ausgegeben. Dieser wird aus Fünfliterkanistern in Wasserflaschen umgefüllt, um dann in die typischen Cokanji-Gläser mit dem engen Hals eingeschenkt zu werden. Bei der Kühlung muss man Abstriche machen, aber geschmacklich war der Julischka-Mix (Birnenlikör und Sliwowitz) gelungen.

Unsere Vorspeisen kamen nach akzeptabler Wartezeit auf den Tisch. Die Hauptspeisen ließen etwas auf sich warten, was aber nach den merklichen Vorspeisen nicht störte.

Für den Service gerne eine Vier-Sterne-Bewertung, in die die Wiedersehensfreude mit eingeflossen ist.

Das Steakhaus hat sich dem Carlsberg-Brauimperium verschrieben und bietet eine gute Bierauswahl. Das Carlsberg Pils kommt auf leicht stramme 2,90 € für 0,3 l und das Duckstein nimmt für dasselbe Schankmaß mit 3,40 € locker die 3-€-Schallmauer. Vilsa 0,7 l kommt auf wertvolle 5,50 €. Mein schlichter roter Vranac stand mit 5,50 € für 0,2 l auf dem Bon.

Frau Snezana hat auch die Preise für Speisen und Getränke aus Walle kopiert; lediglich der Vranac wich um 10 Cent vom Waller Preis nach oben ab.

Essen:

Die Speisenauswahl gemäß Karte zur Einstimmung kann auf der Homepage eingesehen werden, dito die Getränkekarte.

Wir wählten die Serbische Bohnensuppe (3,50 €) und eine Platte mit drei Debrezinern, Scheiben luftgetrockneten Schinkens (Prsut) mit Tsatsiki (8,50 €) als Vorspeisen. Dazu wurde ein Korb mit ordentlichen Scheiben eines feinporigen Stangenweißbrots gereicht.

Die Bohnensuppe in üblicher Suppentasse sehr heiß, schön sämig mit guter Einlage kleiner weißer Bohnen. Ein paar Speckstückchen waren auszumachen. Geschmacklich kräftig und auf einem Spitzenplatz in der Bohnensuppenliga zu platzieren. Auch die Debreziner, gegrillt, sehr kräftig im Geschmack, gefielen. Der Schinken erinnerte meine ständige Begleiterin an den luftgetrockneten dalmatinischen Schinken, den ich während eines Urlaubs vor Jahrzehnten auf der Insel Hvar stolz erstanden hatte und in der Nachttischschublade im Hotelzimmer aufbewahrte, von wo aus sein wunderbarer Duft das Zimmer adelte. Allerdings war die Freude einseitig. Ich fand den Prsut sehr gut und ebenfalls gefiel das Tsatsiki.

Geschmacklich als Zwischenergebnis solide vier Sterne.

Die Beilagensalate mit Weißkraut und Eisbergsalat, dieser angemacht mit einem unauffälligen hellen Dressing, erinnerten auch an das Melissa.

In zwei Saucieren gab es eine ordentliche Kugel gewürzter Butter und eine hausgemachte tomatige rote Soße mit Gemüsestücken, der etwas Schärfe gut bekommen wäre. Zum Nachwürzen stehen zwei gute Holzmühlen mit Salz und Pfeffer auf dem Tisch.

Soweit, so ordentlich. Die Hauptgerichte auf den großen Tellern konnten leider mit den Vorspeisen nicht mithalten. Ich hatte den Klassiker Pola Pola gewählt (11,00 €), also Cevapcici und ein Fleischspieß. Dazu Pommes, Djuwetschreis, gehackte rohe Zwiebeln und ein Löffel feingehackte Zwiebeln mit Dressing, geschmacklich an einen Waldorfsalat erinnernd. Die Cevapcici von mittlerer Art und Güte. Sie hätten mehr Knoblauch vertragen. Der Spieß leider aus Putenfleisch, trocken gegrillt und wenig gewürzt. Das geht mit saftigem Schweinenacken deutlich besser. Die Pommes nicht mehr fritteusenheiß und knusprig. Meine ständige Begleiterin war auch vermeintlich auf Nummer sicher gegangen und hatte das gefüllte Hacksteak geordert und war mittelzufrieden. Auch für das Hacksteak meine Anregung an den Küchenchef, beim Knoblauch mutiger zu sein. Der Wunsch, zum Hacksteak nur Pommes zu servieren, war leider untergegangen.

Die Grillklassiker unserer Hauptspeisen sind also noch spürbar verbesserungswürdig, so dass die Küche in toto bei 3,5 Sternen steckenbleibt.

Ambiente:

Das Restaurant in der 1. Etage ist über eine Treppe und einen Aufzug zu erreichen. Es ist offen gestaltet mit einem sehr großzügigen, gefliesten Mittelgang, der das Restaurant optisch teilt. Ansonsten ist es nur eine hohe Sitzbank auf der rechten Seite, die für weitere Struktur sorgt. Statt des derzeit so beliebten braunen Leders hat man im Steakhaus auf Weinrot als Polsterfarbe gesetzt. Die mit weißer Tischwäsche versehenen Tische stehen auf einem Boden in dunkler Holzoptik. Der Platz auf den Zweiertischen ist nicht üppig. Großzügig hingegen der Abstand zwischen den Tischen.

Folklore als Deko sucht man vergebens. Die lange Fensterfront, Wände und Decken sind weiß gehalten. Nur an der Stirnwand ein paar gerahmte Heimatmotive und rechts etwas Ziermauerwerk. Auffällig noch die goldfarbenen und leicht glänzenden Vorhänge an der Fensterfront, die vielleicht noch von einem der früheren Restaurants stammen mögen, denn farblich harmonieren sie mit der sonstigen Einrichtung wenig.

Die Stühle müssen noch gut eingesessen werden, denn man rutscht leicht nach vorne.
Die Beleuchtung war ausreichend und beschallt wird man nicht.

Der Eingangsbereich ist großzügig dimensioniert, so dass ausreichend Raum für den Aufbau von Buffets gegeben ist. Vor der langen Fensterfront befindet sich die tiefe Dachterrasse, auf die sich im Sommer der Betrieb verlagern dürfte, auch wenn die Bebauung der letzten Jahre außendeichs keinen durchweg freien Blick auf die Lesum mehr gestattet. Im Winter bietet sie Rauchern einen Lasterplatz.

Sauberkeit:

Alles sehr gepflegt.
 
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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