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GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Del Quixote in 06484 Quedlinburg bewertet.
vor 4 Jahren
"Spanisch ging das Gastrojahr zu Ende oder: statt kulinarischer Windmühlenkämpfe gab es feine, hausgemachte Tapas, die auch dem heiligen Michael („San Miguel“) und seinem Komplizen Peter Siemens („Pedro Ximenez“) ein breites Mojo-Grinsen bereitet hätten"

Geschrieben am 01.03.2020 | Aktualisiert am 27.02.2021
Besucht am 29.12.2019 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 42 EUR
Nach der panierten Ernüchterung in Thale beim Mittagessen sollte es am ersten Abend in Quedlinburg kulinarisch wieder etwas aufwärts gehen. Ein Spaziergang durch die pittoreske, mittelalterlich geprägte Altstadt führte uns zu Mom’s Burger. Ein Laden, der angeblich seine Buns selber backt und auf regionales Fleisch von einem Landgut aus der Umgebung setzt. Obwohl wir noch gut innerhalb der Öffnungszeiten lagen, hatten wir kein Glück. Aufgrund des ruhigen Abends hatte man in dem Burger-Bistro schon vorzeitig den Grill ausgeschaltet. Shit happens! Die Einburgerung musste verschoben werden.
 
Dann eben ein paar Schritte weiter zum Brauhaus Lüdde, das bei TA sogar noch einen Rang höher gelistet stand. Doch dort tanzte der Bär. Nachdem uns sämtliche, schwer beschäftigten Bedienungen geflissentlich ignorierten und uns die vom bierseligen Treiben geschwängerte Luft arg stickig vorkam, verließen wir auch diese Quedlinburger Einkehrmöglichkeit unverrichteter Dinge.
 
Schon auf dem Weg dorthin, wies uns ein Schild den Weg durch eine kleine Gasse zu einem Tapas-Lokal namens „Del Quixote“. Aller guten Dinge wären ja bekanntlich drei. Also starteten wir einen erneuten Versuch. Wir liefen die Wordgasse entlang und bogen in den Bunten Hof am Ständerbau, einem denkmalgeschützten Fachwerkhaus, in dem das Fachwerkmuseum Quedlinburg untergebracht ist, ein.
Eingangstor zum Innenhof
Die auffällig illuminierte, vom Quedlinburger Figurenkünstler Jochen Müller gefertigte Skulptur des „Ritters von der traurigen Gestalt“ saß in Lebensgröße auf einem Radabweiser (Prellstein) vor dem Tor und deutete uns unmissverständlich an, wohin unsere kulinarische Reise an diesem Abend gehen sollte, nämlich in den Innenhof des schmucken Anwesens.
Die Don Quixote-Skulptur von Jochen Müller
Dort befand sich auf der rechten Seite im Erdgeschoss des hübsch sanierten Hauses das andalusische Restaurant. Die Reste eines Weihnachtsausschanks waren samt Pavillon und Lichterketten noch vorhanden. Unter der Bezeichnung „Spanischer Hof Nr. 11“ wurden hier am ersten, zweiten und dritten Adventswochenende im Rahmen der Aktion „Advent in den Höfen“ heißer Sangria zu spanischen Köstlichkeiten ausgeschenkt.
Die Reste der Vorweihnachtszeit...
Wir blickten von außen durch die Fenster in den heimelig wirkenden Gastraum und waren enttäuscht, denn es waren alle Plätze belegt. Nun, reingehen und fragen kostet ja bekanntlich nichts, also wagten wir einen letzten Anlauf. Just in dem Moment, als wir die Tür hinter uns schlossen, erhob sich ein älteres Ehepaar hinten im Eck, um das Lokal nach bereits vollzogenem Abendmahl zu verlassen. Da war schnelles Nachfragen und Hinsetzen angesagt.
 
Die Hausherrin und Servicechefin Ulrike Lavilla Muriel, deren sympathische Art uns gleich herzlich willkommen hieß, sorgte prompt für aufgeräumte Tischverhältnisse. Seit Mai 2016 führt sie nun schon zusammen mit ihrem Mann Manuel das kleine, etwas versteckt liegende Lokal in der Quedlinburger Altstadt. Der gelernte Hotelfachwirt Manuel kümmert sich in der Küche um die Zubereitung der Speisen. Seine Küche ist klar an seinen andalusischen Wurzeln orientiert. Laut Homepage waren es die traditionellen Gerichte seiner beiden Großmütter, die ihn an den Herd lockten.
 
Nun hat sich mein Verhältnis zu den spanischen Petitessen in den letzten Jahren etwas abgekühlt. Früher war ich deutlich öfter im Restaurant „Las Tapas“ in Germersheim zugange. Nach diversen Besuchen in Spanien und Mallorca, verloren die dort angebotenen, eingedeutschten Preziosen aus den kleinen Tonschälchen deutlich an Anziehungskraft. Wer sich einmal im „El Tapas de Flanigan“ in Palma de Mallorca ein paar Tapas oder Raciones geteilt hat, weiß wovon ich spreche.   
 
Ich saß direkt vor dem üppig gefüllten Weinregal und blickte auf eine große Auswahl an Reservas und Gran Reservas verschiedener spanischer Anbaugebiete (Navarra, Valdepeñas, etc.).
Teil des Weinregals zu meiner Linken
Der schätzungsweise um die dreißig Personen fassende Gastraum wirkte von der Einrichtung her etwas zusammengewürfelt, hatte aber durchaus seinen Charme. Helles Holz fand sich nicht nur bei den blanken Tischplatten, sondern auch an der Wandverkleidung, raumteilenden Balken und dem Boden wieder.
Innenansicht 2
Über ein paar Stufen erreichte man an der Stirnseite einen etwas erhöhten Teil des Gastraumes, der teilweise von einer derben mit Holzplanken verkleideten Brüstung abgegrenzt war. Von der Decke baumelten improvisiert anmutende Hängeleuchten, die ihre Umgebung in recht angenehmes Licht rückten. Ich starrte hingegen auf ein großformatiges Wandplakat, das mir sie spanische Genusskultur in Wort und Bild näherbringen wollte.
Innenansicht 1
Die kleine, mit hübschen Illustrationen von Jochen Müller, seines Zeichens Diplom-Metallgestalter und bekannter Quedlinburger Figuren- und Skulpturenkünstler, versehene Tapaskarte zum Aufklappen listete gerade einmal vier kalte und neun warme Kleingerichte andalusischer Provenienz. Eine gemischte Tapasplatte für zwei Personen (32,50 Euro) wurde auch in einer rein vegetarischen Variante angeboten. Zusätzlich wurden ein paar Klassiker aus dem südlichen Teil Spaniens offeriert. Alboronia, ein vegetarisches Eintopfgericht aus Andalusien, geschmorte Kaninchenkeule und im Ofen geschmorter Schweinenacken in PX-Sauce waren für knapp unter 20 Euro zu haben.
 
Ein überschaubares und deshalb umso sympathischer wirkendes Angebot an Leckereien, das uns trotzdem vor Entscheidungsnöte stellte. Ein frisch gezapftes San Miguel vom Fass (0,4 l für 3,90 Euro) und eine Flasche Mineralwasser (4,90 Euro) bereiteten dem abendlichen Durst ein jähes Ende.
Dem heiligen Michael zu Ehren
Mir hatte es das Carne al Diablo (6,90 Euro), im Ofen gegarte Stücke vom Schweinenacken mit scharfer Sauce und Runzelkartoffeln angetan. Auch dem in Essig, Kümmel und Lorbeer marinierten Hähnchenbrustfilet (5,90 Euro), das in Olivenöl kross frittiert und mit roter Mojo Picón-Sauce serviert wurde, konnte ich nicht widerstehen.
 
Meine Frau dagegen entschied sich für die mit Sherry abgelöschten Schmor-Champignons (4,90 Euro) und die besagte Alboronia, allerdings in der Tapas-Version für 5,90 Euro. Ein halbes Ciabatta-Brot (1,90 Euro) zum Saucetunken wurde vorsorglich gleich mitbestellt.
 
Den in dunklen Schälchen gleichzeitig servierten Kleingerichten sah man den Verzicht auf Fertigware gleich an. Ein Umstand, der mich über die zuletzt gemachten Convenience-Erfahrungen im früheren Germersheimer Stamm-Tapa-Lokal etwas hinwegtröstete. Die Saucen schmeckten nach fachkundigem Handwerk, was sich besonders gut bei meinem herrlich mürben Schweinenacken bemerkbar machte. Zusammen mit den in Salzwasser gekochten Kartoffeln war das ein extrem schmackiges Gericht, das mediterrane Gefühle mitten im kalten Quedlinburger Winter zu wecken vermochte.
Das Carne al Diablo
Meine Frau war ganz hin und weg von den Champignons, die sie als bekennende Sherrytante in vollen Zügen genoss. Kein Tröpfchen, des mit Knoblauch und Chili verfeinerten Pilz-Suds wurde – Ciabatta sei Dank – übriggelassen.
Die Sherry-Champignons
Auch der aus Zucchini, Auberginen, Kürbis, Kichererbsen und Tomaten bestehende Veggie-Eintopf mundete hervorragend. Kein Wunder bei den Zutaten!
Der andalusische Veggie-Eintopf
Das säuerliche, knusprig frittierte Hähnchenbrustfilet – eine Art andalusischer „Chicken Nuggets“ – passte ganz ausgezeichnet zur separat im Schälchen mitgelieferten, scharfen Mojo-Sauce. Vom Geschmack her ließen die saftigen Hühnerteile durchaus den Vergleich mit dem asiatischen Tamarinden-Aroma zu. In Kombi mit der Mojo Picón war das im Ergebnis eine pikant-säuerliche Gaumenaufgabe, der ich mich mit Inbrunst stellte.
Die spanischen Chicken Nuggets
Zum Dessert gönnten wir uns noch zwei Sherrys aus der Weißweinsorte Pedro Ximenez. Dass sich mit einem „Peter Siemens“ ein Tapas-Mahl zum würdigen Abschluss bringen lässt, weiß man eben nicht nur an der Weser. So hatte der anfangs in gastronomischer Hinsicht etwas holprig begonnene erste Abend in Quedlinburg ein durchaus köstliches Ende gefunden. Fortsetzung folgt…
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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