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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Restaurant Ohters in 40789 Monheim am Rhein bewertet.
vor 6 Monaten
"Restaurant Ohters in Monheim am Rhein: weltoffener Feingeist auf solidem klassischem Fundament"
Verifiziert

Geschrieben am 12.11.2023 | Aktualisiert am 22.11.2023
Besucht am 16.09.2023 Besuchszeit: Abendessen 3 Personen Rechnungsbetrag: 460 EUR
"Warnung": 
Lesedauer >15 Minuten, dies hier richtet sich an Leser mit Begeisterung für das Thema und Vorliebe für viele Details. Der Text ist jedoch klar gegliedert, sodass man Abschnitte wie die Einleitung bei Nichtinteresse problemlos überspringen kann.
 
Und ich bitte vorab um Entschuldigung für die schlechten Fotos, aber es war leider in vielerlei Hinsicht nicht mein Abend.
 
| Hintergründiges |
 
Das Städtchen Monheim, etwas über 40.000 Einwohner, dank der Lage an Vater Rhein am Wochenende beliebtes Ausflugsziel in der Region und aufgrund des niedrigsten Gewerbesteuersatzes in NRW eine der reichsten Kommunen Deutschlands mit einem jährlichen Haushalts-Überschuss in zweistelliger Millionenhöhe.
 
In der Kleinstadt sind die Kitas kostenlos, die Parkplätze, das W-LAN und der öffentliche Nahverkehr; zuletzt bekam, Stand 2020, gar jede*r 18-Jährige ein Interrail-Ticket geschenkt.
 
Und diesen Reichtum sieht man der Gemeinde auch durchaus an, man wohnt und lebt gerne hier und das spiegelt sich auch in der Gastronomielandschaft wider, die sich in der hübschen historischen Altstadt seit September 2021 über einen Neuzugang freuen darf, der mir heute eine ausführliche Würdigung des Erlebten wert ist: das Restaurant Ohters, betrieben vom Ehepaar Lars und Sabine Ohters. Die Arbeitsteilung ist „klassisch“, er ist Herr über Töpfe und Pfannen, Frau Ohters, ursprünglich gelernte Konditorin und schon lange in der Gastronomie, leitet den Service.
 
Lars Ohters, erst 32 Jahre jung und bereits zweifacher Vater, ist mir nicht unbekannt. Schließlich durfte ich mich bereits in den ersten Jahren des in 2014 neueröffneten Restaurant Pfaffenberg von seinem Können überzeugen, als er unter Küchenchef Dominic Gerberding dort als Sous chef wirkte - später, als Dominic das Haus verließ, leitete er selbst fortan für einige Zeit die Geschicke der dortigen Küche.
 
Der gebürtige Essener hat ohnehin solide Stationen hinter sich: klassisch französisch gelernt hat er im Essener Hotel-Restaurant Sengelmannshof in Kettwig, danach verschlug es ihn über sechs Jahre in das ehemalige Restaurant Artiste im Düsseldorfer Steigenberger Parkhotel, wo er sich unter Küchenchef Michael Görres vom Commis bis zum Junior Sous chef entwickelte, bevor er 2015 schließlich im Solinger Pfaffenberg antrat.
 
Hernach folgte eine vergleichsweise kurze Episode als Küchenchef in der Bergisch Gladbacher Diepeschrather Mühle, bevor der ehrgeizige junge Mann noch seinen Küchenmeister-Titel in Hameln machte und er die Eröffnung des Monheimer Restaurants Bloomgold begleitete, das heute noch unweit des Ohters erfolgreich existiert.
 
Die Ohters wohnen allerdings schon seit über zehn Jahren in Monheim und auf das schöne Haus, in dem vormals ein Thai-Restaurant existierte, hatte Lars Ohters schon lange ein Auge geworfen, als es um den Traum eines eigenen Ladens ging.
 
Dieser sollte schließlich wahr werden, als die Stadt Monheim das Gebäude erwarb, komplett renovierte und auf der Suche nach einem geeigneten Gastronom mit einem ansprechenden Konzept war: Ohters lieferte es und erhielt  den Zuschlag.
 
Und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, besonders beliebt ist sein Lunch-Angebot, wo er täglich u.a. mit einem ansprechenden Dreigang-Menü für 29 Euro aufwartet, ein Plat de jour nach französischem Vorbild, wenn man so will.
 
Sabine Ohters brachte selbst noch zwei Kinder mit in die Ehe und der 16-jährige Ilias, eines davon, macht mittlerweile seine Ausbildung zum Koch im waschechten Familienbetrieb und steht mit Lars in der Küche, weitere Festangestellte gibt es in der Küche nicht.
 
Was dieser Umstand auf dem Niveau der gebotenen Kulinarik in Kombination mit dem Abendgeschäft für den nötigen täglichen Stundenaufwand des Chefs bedeutet, kann sich jeder ausmalen, der auch nur eine entfernteste Ahnung davon hat, wie mit Leidenschaft betriebene Gastronomie in Selbstständigkeit gelebt wird. Ich habe allergrößten Respekt vor dieser Leistung und hoffe sehr, dass er sich auf Dauer nicht dabei übernimmt alles unter einen Hut zu kriegen.
 
So viel zum Hintergrund des Hauses, kommen wir zu meinem lange überfälligen Erstbesuch und einem ansprechenden Menü.
 
| Vor Ort |
 
Ich war verabredet und hatte mich durch eine unerwartete Baustelle in Solingen Landwehr, die mich mehr als eine Viertelstunde aufhielt, peinlicherweise etwas verspätet. Direkt in der Altstadt zu parken ist kaum möglich, ich bekam daher vorab den Tipp den nahen großen Parkplatz unweit des Rheins zu nutzen und die paar Schritte zum Restaurant zu laufen (eher hechten durch meine Verspätung…), was auch wunderbar funktionierte.
 
Die kleine, unlängst frisch renovierte Villa macht einen überaus adretten und einladenden Eindruck, die Terrasse war vollständig besetzt und überhaupt herrschte auch in den umliegenden Restaurants und ihren Außengastronomien eine gelöste Spätsommerstimmung, die der pittoresken Altstadt einen Hauch Savoir-vivre einhauchte.


 
Meine beiden Mitstreiterinnen waren schon vor Ort, wie mich eine junge Kellnerin prompt draußen wissen ließ, und ich ärgerte mich für einen Moment sehr über die Baustelle und Petrus.
 
Denn die ganze Woche hatte man strahlenden Sonnenschein vorhergesagt und ich hatte daher darum gebeten, zunächst einen Tisch auf der kleinen Terrasse vorzuhalten, damit wir Aperitif und Amuse unter freiem Himmel genießen könnten.
 
Das hat auch wunderbar funktioniert, nur wurde dies durch plötzlich aufziehende Wolken und Regen letztendlich verhindert, sodass die herzliche Begrüßung und Umarmungen eben drinnen stattfanden, es gibt Schlimmeres.
 
Das Interieur ist klar und aufgeräumt und nicht zuletzt durch die rustikale, unverputzte Ziegelwand, an der wir saßen, und die Lichtstimmung dennoch behaglich: dazu geschmackvoller Wandschmuck und bequemes Gestühl, hier kann man es gut aushalten.





 
In der Tischkultur zeitgeistig reduziert ohne Tischdecken, dafür tadellos klassisch eingedeckt, das war durchaus ansprechend.
 
Ich hatte mich unendlich auf diesen grundsätzlich schon lange geplanten Abend gefreut und Frau Ohters daher bei der Reservierung gebeten, doch bitte schon eine Flasche Gosset Grand Rosé Brut im Kühler am Tisch zu parken, was ich ansonsten NIE mache und auch tadellos funktionieren sollte: der Champagner wartete wie erbeten bereits auf uns.
 
Sabine Ohters sollte sich umgehend als aufmerksame Gastgeberin entpuppen. Charmant wurde der wohltemperierte Aperitif angeboten und eingeschenkt: cheers die Damen, ach, hübsch seht ihr aus, auf einen hoffentlich schönen Abend mit Monsieur Weirdo.
 
Nach kurzer Sichtung der Karten waren wir uns schnell einig, nicht à la carte zu essen, sondern uns das aktuelle Menü in der Fleisch / Fisch-Version in sechs Gängen zu 100€ zu gönnen - eine vegetarische Variante dieses Menüs wird auch angeboten und klang ebenbürtig ansprechend und kreativ.
 
| Apero, Brot, Amuse |
 
Gaues Sylter Weißbrot & Salzbutter
 
Artischockencremesüppchen & Knäckebrot-Chip

Gosset Grand Rosé Brut, Champagne Gosset, Ay, Département Marne, Grand Est – die Flasche zu 105 €
 
Gosset, das Traditionshaus aus Ay in der Champagne mit Kellermeister Jean-Pierre Mareigner, bewies mit dem Grand Rosé Brut, warum es über einen hervorragenden Ruf verfügt.
 
Schon in der Nase zeigen sich intensive fruchtige, für meinen Geschmack vielleicht etwas zu erdbeerige Töne. Auf dem Gaumen dann ausdrucksstark und bemerkenswert frisch, mit langem, differenziertem Finish und gottlob weniger Erdbeere als befürchtet.
 
Eine elegante Cuvée aus gleichen Anteilen Chardonnay und Pinot Noir aus den 12 besten Lagen des Hauses, drei Jahre in der Flasche und sehr fair kalkuliert, so macht ein stilvoller Aperitif Freude.
 
Während ich den peinlich-dampfplaudernden Möchtegern-Grandseigneur im Westentaschenformat gab (kennt das jemand: man hört sich selber reden und schämt sich im gleichen Moment?) und darüber vergaß es zu fotografieren, wurde Brot von Kultbäcker Jochen Gaues aufgetischt; und sein Sylter Weißbrot wusste uns in der Tat zu begeistern.
 
Ein Sauerteigbrot mit einer charaktervollen, dicken Kruste und einer Krume, die unvergleichlich locker und wolkig war, ein herrliches Brot.
 
Mir hat ein alter Bäckermeister mal erklärt, dass der Großteil des Geschmacks beim Backen aus der Kruste in die Krume wandert, es lange genug zu backen und eine schöne dunkle, dicke Kruste zu haben, sei immens wichtig und das hat man hier beherzigt.
 
Die bei Zimmertemperatur aufgeschlagene Salzbutter dazu war natürlich eher Pflicht als Kür und sollte gut schmecken. Beim Salz setzt Ohters übrigens auf das baskische Sal de Añana aus dem Valle Salado de Añana in der Nähe von San Sebastian.
 
Sal de Añana ist frei von Mikroplastik, da es sich um ein Ur-Quellsalz handelt, und wird wegen seiner Reinheit von den wichtigsten Sterneköchen in Spanien empfohlen.
 
Lars Ohters ist übrigens sympathischer Weise großer Fan von San Sebastian, der Sternehochburg Spaniens, wie des Baskenlandes an sich und regelmäßig dort, die Region und ihre Kulinarik haben es ihm sehr angetan.
 
Kurz vor dem kleinen Gruß aus der Küche erreichte eine gut gekühlte erste Flasche Selters den Tisch, zu angesichts des Settings fairen sieben Euro.
 
Dann kam ein Artischockencremesüppchen mit farbenfroh-aromatischem Basilikumöl, ganz klassischer Ansatz mit Schalotten und Butter, Weißwein, Gemüsebrühe und Sahne – es sollte gut schmecken.

Amuse
 
Daneben auf einem dünnen Knäckebrotchip (mit ganzen Kürbis- und Pinienkernen im Teig) ein frischer Cous-Cous Salat. Dieser kam vielschichtig daher, mit Noten von Curry, Paprika, Piment d'Espelette, Ingwer, Knoblauch und mediterranen Kräutern, feine Gemüse-Brunoise bereicherten nicht nur die Textur.
 
Ein harmonisches Amuse, das eher samtig dezente Süppchen und der kontrastierende Chip mit dem eher expressiven Cous-Cous und rückblickend eine gelungene Visitenkarte für die Stilistik der Küche darstellte.
 
 
 
| 1. Gang |
 
Gekräutertes Lammcarpaccio
Zitronenthymian | Ziegenfrischkäse | Wiesenkräuter
 
Zunächst einmal freute ich mich über ein ansprechendes Tellerbild, überhaupt gefiel mir die Tellersprache durchgehend, nie zu „arty“ und nie plump, das fügte sich alles gut zusammen.

Gekräutertes Lammcarpaccio
 
Das spürbar aber nicht überbordend mit Petersilie, Schnittlauch, Kerbel, Basilikum, Rosmarin und Tymian gekräuterte Salzwiesenlamm von der Nordseeküste wurde denkbar harmonisch begleitet.
 
Von einer Frischkäsecreme zum Beispiel, mit Lammfond, Zitronenthymian und einem ähnlichen Kräuter-Bouquet, das eine derart ätherische Frische brachte, dass ich sie zunächst für eine Senfcreme hielt.
 
Obenauf noch Frisée, Kerbel und Sakura Kresse Mix, mariniert mit einer angenehm zitrischen Vinaigrette. Dazu noch kleine Flocken vom Ziegenfrischkäse und Tramezzini-Croutons, leicht in der Pfanne aromatisiert mit einem Hauch Knoblauch und Paprika.
 
Eine köstliche Komposition, die herbe Frische von Frisee und Kresse kontrastierte Käse und Fleisch, alles hatte seinen Sinn, nichts war reine Optik, sehr fein, ich hätte davon ohne weiteres noch einen weiteren Teller essen können.
 
 
 
| 2. Gang |
 
Hokkaidokürbis
Tandoori | Ingwer | pochierte Garnele
 
Auch hier traf wieder Kontinental-Europa auf die Welt. 

Suppe vom Hokkaidokürbis

Auf einem Fundament eines Gemüsefonds eine nicht zu reichhaltige sahnig-cremige Kürbissuppe vom Hokkaido, mit im Spiel mediterrane Akzente wie Knoblauch und Tymian, aber auch Tandoori und Ingwer. 

Eine gelungene Liaison die eher dezent und elegant gewürzt wurde und somit auch problemlos zu essen war. Ich mag es ja eher expressiv was Aromen angeht, aber wenn solche Suppen gnadenlos überwürzt sind ist ein ganzer Teller manchmal schwierig, so auch die Meinung der Dame vis-à-vis, die schon aus beruflichen Gründen gerne genauer hinschmeckt.
 
Als Einlage fanden sich pochierte Garnele aus deutscher Zucht (Fördegarnele aus Strande), recht naturbelassen, das Ganze in einer Farcerolle vom Zander bei der ordentlich Sahne im Spiel war; auf meinem Teller hatte sich die Garnele jedoch schon aus der Rolle befreit beim Servieren, was dem Ganzen jedoch keinen Abbruch tat.
 
Obenauf noch die vom Carpaccio bekannten Tramezzini-Croutons, die auch hier gut harmonierten.
 
 
 
| 3. Gang |
 
Garnele & Jakobsmuschel
Spicy Cous-Cous / Granny Smith / Zitronengras

Ein weiteres persönliches Highlight sollte folgen: „Garnele & Jakobsmuschel“ begleitet von Spicy Cous-Cous, Granny Smith und Zitronengras. 

Garnele & Jakobsmuschel
 
Die Taktung der Küche dabei zeitlich angenehm, Frau Ohters und ihre jungen Kollegin nebst ebenfalls jugendlichen Kollege servierten routiniert und auch die Annoncierung und Rückfragen wurden tadellos absolviert.
 
Auf einem Spiegel eine kreuzehrlichen Krustentierfonds, der neben klassischen Noten von Röstgemüse, Noilly Prat und Weißwein durch den Einsatz von Zitronengras und Kaffirlimette auch asiatisch konnotiert war, fand sich zuunterst zunächst der schon weitgehend aus dem Amuse bekannte Cous-Cous - diesmal aber in warm und etwas pikanter abgeschmeckt.
 
Der Schaum: geschäumte Steinbutt Beurre blanc mit Fond vom Steinbutt, sehr schönes Detail und auch hier wieder weit mehr als wohlfeile Optik.
 
Garnele und Muschel saftig auf den Punkt gegart und dank Einsatz von Knoblauch und Rosmarin wieder den Bogen nach Europa spannend; eine klare Stilistik zeichnete sich ab: aromenreich und nicht überbordend, mit viel Verständnis für Pairing auf dem Teller.
 
Auch der Einsatz der vermutlich mit Limettensaft marinierten Granny Smith Julienne als Krönung passte bestens in das geschmackliche Arrangement.
 
Für mich ein Gericht, dass mich in seiner Umsetzung aromatisch wohlig umarmte, ich war sehr angetan.
 
 
 
| 4. Gang |
 
Presa & Backe vom Ibericoschwein
Coco Bohnen / Pimentos / Aubergine / Kartoffel
 
2021 Lagrein Gries, Weingut Egger-Ramer, Bozen, Südtirol, Italien
 
Danach folgte mit Presa vom Ibericoschwein ein kleiner Gruß aus der spanischen Avantgarde-Küche, in der der Nackenkern bei den Gourmets seit jeher gut ankommt. Auf einem tiefen Satelliten-Tellerchen gesellte sich noch geschmorte Backe dazu, bemerkenswert neben den Coco-Bohnen auch die mit Auberginen-Creme gefüllten Pimientos. 

Presa vom Ibericoschwein
 
Das Sous vide gegarte Fleisch besaß noch einen angenehmen Biss und die Aromatik des edlen Cuts ließ wenig Wünsche übrig, weder was die dezente Würzung als auch was den betont nussigen Eigengeschmack angeht.
 
Die Jus auf dem Teller lehnte sich geschmacklich an die begleitenden Bäckchen an, tiefe Aromatik und guter Rotwein sorgten für Zufriedenheit bei mir.
 
Dazu gab es Zweierlei von der Bohne: ein mediterranes Bohnepüree in dem Olivenöl, Rosmarin und Thymian den guten Ton angaben sowie ein Coco Bohnen Gemüse: ein wenig kleiner und runder als „normale“ Bohnen aus dem Handel, mit Butter und Brühe glasiert und mit Salz, Pfeffer,  Muskat und Schnittlauch vollendet - harmonierte vortrefflich.
 
Dazu noch Pimientos aus der Pfanne, mit einer dezenten Auberginencreme gefüllt, weit mehr als ein kleiner Taschenspielertrick sondern schlicht bereichernd.
 
Die gewürfelten, ausnehmend zart geschmorten Bäckchen auf dem Extra-Tellerchen waren auf einem eleganten Kartoffelpüree gebettet, obenauf gab Lars Ohters noch Kartoffel-Espuma.

Like a satellite I'm in orbit all the way around you...
 
Das Ganze geschmacklich spürbar zupackender als die Vorstellung auf dem „Main-Plate“ und somit ein mehr als stimmiges „Nebenkonzert“ im Zusammenspiel.
 
Dazu reichte man mir einen Probierschluck – ich bat darum, dem Führerschein zuliebe – der roten Weinseele von Alto adige: eines klassischen Lagrein aus dem Holzfass mit typischer leichter Herbe, und dennoch samtigen, vollmundigen Noten von dunklen roten Beeren.
 
Sicher hätte hier thematisch ein Griff in die – gute - Rioja-Kiste mit einer schönen Crianza auch nicht geschadet, aber dieses Pairing funktionierte bestens und machte Spaß.
 
| 5. Gang |
 
Käseauswahl von Affineur Waltmann / Früchtebrot / Chutney
 
Das ist er mal wieder: Maître fromager affineur Volker Waltmann aus Erlangen, der Cheese-Monger des Vertrauens der Spitzengastronomie.

Käseauswahl von Affineur Waltmann

Und das hat seinen Grund. Sicherlich gibt es auch noch einige andere gute Adressen hierzulande, aber viele junge Köche kennen seine Ware seit der Ausbildung und nehmen diese Gewohnheit mit in ihre Laufbahnen, sodass man den Namen entsprechend oft in Karten findet.
 
Angesichts der hübschen Präsentation der vorangegangenen Gänge empfand ich die Präsentation zunächst als etwas glanzlos und merkte das auch an. Andererseits: ein Käseteller bleibt ein Käseteller und braucht kein Effektfeuerwerk in Sachen Plating.
 
Puristen sagen ja, dass auch Chutneys oder Fruchtsenfe unnötig seien, da gehe ich aber nicht ganz mit, hätte mir aber - -wenn schon denn schon - mehr als nur einen Feigensenf gewünscht. Von denen habe selbst ich drei verschiedene im Kühlschrank, neben etwas Trüffelhonig, den ich zu Käse sehr liebe.
 
Lars Ohters räumte aber ein, dass bei der letzten Waltmann Bestellung die dortigen Chutneys vom Lieferanten vergessen wurden und es deshalb an diesem Tag etwas mauer aussah, aber das ist ein lächerliches Detail das zu keiner Abwertung führt.
 
Als Rohmilch-Käse sehen wir Camembert de Normandie „véritable“ fermier, Livarot fermier, Seins de Nounous (daher auch als „Kindermädchenbrust“ bekannt), sowie Soltauer Burgkäse, ein kräftiger halbfester Schnittkäse aus der Lüneburger Heide – die Weichkäse auf den Punkt reif und vollaromatisch.
 
Dazu ein erwartbares Früchtebrot mit Nüssen  und etwas Walnuss: für mich als Käsefreund ein schöner Gang, den ich, wäre ich alleine dort gewesen, wie üblich erst nach dem Dessert genossen hätte, da bin ich vielleicht etwas eigen.
 
| 6. Gang |
 
Fromage Blanc
Himbeere / Paprika / Basilikum
 
Unten sehen wir einen Spiegel eines leicht abgebundenen Himbeer-Paprika Suds, der das Spiel mit Süße und einem Hauch Paprika-Herbe im Abgang, welches die Idee dieses Ganges schien, gekonnt aufgriff.

Fromage Blanc
 
Darauf folgte eine Frischkäsemousse mit leichtem Vanille-Grundton, eher klassisch und gut.
 
Interessant die Optik: vermutlich im gefrosteten Zustand mit Velvet-Spray oder Velourschokolade behandelt besaß das kleine Kunstwerk eine niedliche Samtoptik.
 
Im Inneren dessen fand sich ein Paprika Crunch – denke Mürbeteig – das man als feine Schicht im oberen Drittel einarbeitete und welcher die Paprika-Idee weiter dezent manifestierte ohne zu übertreiben.
 
Darauf dann ein Basilikum Sorbet: eher ein Champagner Creme Sorbet mit guter Butter und Eigelb das man mit frischem Basilikum anreicherte. Das Ganze derart ätherisch im positiven Sinne, dass ich im aller-, allerersten Moment gedankenverloren etwas von Minze murmelte, wurde aber umgehend empört von Victoria Fuchs aus Haan korrigiert: ja, natürlich, erst denken, dann Murmeln Peter.  
 
Die Hippe: klassiche Masse, Eiklar, Puderzucker, Vanille und Mehl, in Blätter-Förmchen gebacken und auf dem Foto etwas dunkler als in der Realität, das gelbliche Licht machte die Farbkorrektur der beiläufigen Handy-Machwerke etwas schwierig.
 
Ein auf den ersten Blick simpler und dennoch aus kulinarischer Sicht hochintelligenter Gang, dessen feine Austarierung alleine abermals eine Visitenkarte für das Können von Lars Ohters darstellt.
 
| Süßer Abschied |
       
Champagner Mosaïque Brut, Champagne Jacquart, Reims – 0,1l zu je 14 Euro
 
In Sachen Petit fours gab man sich etwas bescheidener, was angesichts des Menüpreises auch völlik ok ist, für dieses Geld kann man nicht einen dreigliedrigen Amuse Reigen, Pre-Dessert und opulentes After-Dinner Feuerwerk erwarten.

Süßer Abschied
 
Man servierte hausgemachte Marshmellow von der Limette, bei denen man die Fruchtsäure beherzt mit Puderzucker, dem „süßen Schnee“ der Köche konterte, einer der Damen war es dennoch etwas zu sauer, für mich war es völlig ok, auch wenn ich kein Marshmellow-Fan bin, schon als Kind nicht.
 
Dazu gab es – auf Nachfrage zugekaufte - Himbeermacarons mit Ganache-Füllung, die die schwächste Komponente an diesem Abend darstellen sollten.
 
Pappig und immer mehr im Mund werdend, die Füllung erinnerte an Schokopudding aus dem Becher, das geht doch weit besser.
 
„Ich finde so etwas immer so schade, dann kann man es auch besser weglassen!“ tönte es von Gegenüber und ja, da konnte ich leider nur zustimmend nicken.
 
Aber angesichts des zeitlichen Einsatzes des Chefs mit dem erwähnten Mittagstisch habe ich Verständnis dafür, dass man in Sachen Patisserie nicht auch noch aus dem Vollen schöpfen kann, eine Abwertung der Küche für ein zugekauftes Detail sehe ich hier angesichts der sonstigen Leistungen und des preislichen Niveaus als nicht statthaft.
 
Außerdem machte der zweite Champagner des Hauses neben dem Gosset, der Mosaïque Brut, von Jacquart, im Glas gesteigert Laune, denn ich bestellte noch eine Runde als kleinen Digestif,  denn dieser ist offen zu haben, wie es schien.
 
Vielleicht war es hernach besser so, dass wir gegen halb zwölf aufbrachen und uns herzlich verabschiedeten, weil zu Hause noch eine putzige Fellnase auf sein Abend-Gassi und Frauchen wartete und nicht jeder am Sonntag ausschlafen konnte.
 
Denn hätte ich mich noch mehr um Kopf und Kragen geredet wäre es wahrscheinlich noch unwürdiger gewesen, als es ohnehin schon war. :-))
 
So aber konnte ich Frau Ohters auf ihre leicht schüchtern vorgetragene Nachfrage noch versichern, dass ich sehr zufrieden war und mich für den schönen Abend bedanken, was sie sichtlich freute und sich auch in meinem Trinkgeld widerspiegelte, als ich die Rechnung für den Tisch beglich, ich lud gerne ein an diesem Tag.
 
Fazit
 
Die Küche, selten genug heutzutage in Zeiten des High-Gloss Instagram „wir sind die Größten“ Gehabe, hält, was sie verspricht. Ein sehr solides Fundament auf dem man mit in der Tat weltoffenen, kreativen Akzenten aufsetzt und auch eine Stilistik nebst Handschrift des Koches war erkennbar. Hätte ich 50 Euro mehr pro Kopf für das Menü bezahlt, wäre ich vielleicht einen Hauch detailkritischer. Aber ich bewerte ja schließlich immer in Relation zu Preisgefüge und Selbstdarstellung, und somit möchte ich hier fünf Sterne geben, das hat man sich durchaus verdient.
 
Der Service wie erlebt sehr gut, anfänglich nicht ganz so präsent wie gegen Ende, leere Gläser wurden nicht immer bemerkt, aber wir reden hier schließlich nicht über ein **-Restaurant: dem Setting angemessene 4,5 Sterne hierfür.
 
Das Ambiente gefiel mir gut, geschmackvoll, klar und dennoch behaglich, sehe ich bei subjektiven 4,5 Sternen.
 
Das Preis-Leistungs-Verhältnis gefällt ebenfalls, man bekommt einen hervorragenden Gegenwert für sein Geld und auch bei den Getränken bleibt man fair dem Gast gegenüber: bei mir eher seltene fünf Sterne auch in dieser Disziplin.
 
Und somit komme ich auch in der Gesamtnote auf hochverdiente fünf Sterne und gratuliere dem sympathischen Restaurant Ohters bzw. dem Team zu seiner Leistung.
 
 
Was bleibt?
 
Die Erinnerung an einen schönen Abend und wie immer in solchen erfreulichen Fällen leichte Wehmut darüber, dass es in meiner Heimatstadt als Restaurant nichts annähernd auf dem Niveau und mit der Substanz dieses Gesamtpaketes gibt.
 
Monheim kann sich glücklich schätzen und ich komme gerne bald wieder: das Mittagsangebot muss ich mir einfach anschauen - bis bald im Ohters!
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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