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GastroGuide-User: Oparazzo
Oparazzo hat Plaza Restaurant in 76332 Bad Herrenalb bewertet.
vor 3 Jahren
"Hopp Härealb!"
Verifiziert

Geschrieben am 26.10.2021 | Aktualisiert am 26.10.2021
Besucht am 16.10.2021 Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 75 EUR

Das schöne Haus am Bad Herrenalber Rathausplatz blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Als wir vor 12 Jahren zuwanderten – Kinder, wie die Zeit vergeht! -, befand sich darin ein frisch geschlossenes Ristorante, noch gut erkennbar an der trikolorierten Fensterbemalung. Bald darauf eröffnete eine resolute Dame das „La Plaza“, um in dessen großzügig dimensionierten Räumen ansässigen und durchreisenden Gästen die Küche ihres spanischen Gatten schmackhaft zu machen. Es blieb bei dem Versuch, trotz Stockfisch und anderen Spezialitäten. Die nächsten Pächter strichen das „La“ aus dem Namen und fokussierten sich auf hochwertiges Fleisch, vom Luxusburger über mächtige Steaks bis hin zum Chateaubriand für zwei, das zum Beispiel wir anlässlich eines unserer inzwischen recht zahlreichen Hochzeitstage vertilgten. Wir fanden es sehr bedauerlich, dass auch dieses Unternehmen nach schätzungsweise einem Jahr wieder die Pforten schloss. Nach längerem Leerstand öffnete dann das „Cilantro“, in dem eine junge Chilenin Pisco Sour, Tapas und andere Gerichte offerierte, auf die der Koch gerade Lust hatte. Ein eklatantes Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ließ uns dort nur einmal zu Gast sein, und Corona versetzte dem semiprofessionellen Tun schließlich den Gnadenstoß.

Nun also wieder „Plaza“, allerdings unter ganz neuen Vorzeichen. Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, ob mir außerhalb der Schweiz je ein schweizerisches Restaurant untergekommen ist. (Die Rarität erkennt man bereits daran, dass GG die Schweizer Küche beim Neueintrag von Gastros bislang gar nicht auf dem Schirm hatte.) Betreiber ist ein freundlicher Herr in den Fünfzigern, den ich auf Grund seiner thüringischen Dialektfärbung kaum mit der Schweiz in Verbindung gebracht hätte, der aber knapp die Hälfte seines Lebens im Engadin verbracht hat und so die nötigen Voraussetzungen mitbringt. 

 Das Plaza ist also the place to go, wenn man einen Blick auf die wunderbare Welt der Rösti werfen möchte. (Übrigens, ich hatte tatsächlich bis zu dem Moment, wo ich dies niedertippe, nicht gewusst, dass die Rösti weiblich ist und nur im Singular existiert. Das liegt sicher daran, dass man nach einer schon recht satt ist.)


Nach Schweiz sieht es drinnen nicht aus - weder innen noch außen hat sich über die Jahre, die wir das verfolgen, etwas verändert, für aufwendige Umgestaltungen gab es auch keinen Grund. Vorne modern und offen, hinten klösterliches Kreuzgewölbe, eine sehr anpassungsfähige Innenarchitektur.


Im Prinzip besteht die Speisefolge in der Plaza also aus Vorspeise, einem Röstihauptgericht und Dessert, wobei wir uns auf Vorspeise und Hauptgericht beschränkten. Zu trinken gab es Ginger Ale für meine Frau  und für mich Hoepfner Kräusen, ein leicht säuerliches unfiltriertes Pils, das ich noch nicht kannte. Nicht schlecht, aber auch kein Grund, unserer jungen Herrenalber Kleinstbrauerei Zaubercraft Bräu untreu zu werden.


Meine Frau begann mit einer moderat gewürzten Kartoffellauchcremesuppe (4,90), die sie nach der Hälfte gerne mit mir tauschte (wie wir es vorher aber auch abgesprochen hatten).


Ich hatte mir eine gewaltigen Büffelmozzarellakugel bestellt, die auf ein paar Fleischtomatenscheiben ruhte und mit etwas Basilikum garniert war (8,50). Die Mozzarella war aus dem Land ihrer Herkunft importiert und deshalb von einer geradezu sündhaften Cremigkeit. Da reichten die Tomaten nicht hin, was zu dieser Jahreszeit aber auch zu viel verlangt gewesen wäre. Der Koch hätte gerne etwas mehr von dem sehr guten Olivenöl darüberträufeln können; die zackig applizierte Crema di Balsamico hat dagegen gereicht.

Jetzt aber addio Italia, hopp Schwyz!


Meine Liebste, die als Spross eines Landes, das fast nur aus Küste besteht, fast immer Fisch bestellt, wenn sie welchen auf der Karte findet, hatte sich für die Rösti mit gebratenem Butterfisch und Crême-fraiche-Dip entschieden (18,80),
 

dazu ein knackiges Salätchen. Butterfisch findet man hierzulande meist geräuchert, zum Beispiel da, wo es Sushi gibt, aber frisch zubereitet eher selten. Meine in Fischdingen stets kritische Frau war restlos begeistert! So enthusiastisch habe ich sie lange nicht mehr erlebt, und da ich ein Stück probieren durfte, verstand ich auch, warum. Perfekt gebraten, noch etwas glasig, aber trotzdem mit feinen Röst-(und Butterfisch)aromen, a fish lover’s translucent dream.


So viel Glück hatte ich leider nicht. Und das, obwohl ich mich für das Flaggschiff der Röstiflotte entschieden hatte, ein 200g-Rumpsteak mit Steinpilzrahmsauce als Beilage zum Schweizer Puffer, ebenfalls mit Salat, zu äußerst stolzen 26,80 Euro. Beim Bestellen hatte ich dummerweise vergessen, den Gargrad zu klären (selber schuld! Wenn auch nur zu 50%...), ich konnte aber noch rechtzeitig während der Vorspeise nachreichen, dass ich es gerne medium-rare hätte. Anschließend muss irgendwas schiefgelaufen sein, denn das gute Stück aus der renommierten Metzgerei Glasstetter, ihres Zeichens Hoflieferant der gehobenen Küchen der Region, war weller done, als ich es je erlebt hatte, also wirklich durcher als durch.


Da meine Frau weder Blut noch blutähnliche Fleischsäfte sehen kann, ist das eigentlich genau der Zustand, in dem sie ihre Steaks mag. Aber sie wollte ihren Butterfisch nicht hertauschen, wobei ich das aber auch nicht übers Herz gebracht hätte. Da man Fleisch dieser Qualität aber auch dann noch essen kann, wenn es zu lange in der Pfanne gelegen hat, ließ der Gourmand in mir am Ende auch nichts zurückgehen.

 Wie es zu diesem Missgeschick kam, blieb ein Rätsel; das freundliche Angebot, alles noch mal von vorne zu machen, wollten wir aber nicht annehmen, 


da unser immer noch etwas restaurantunerfahres Haustier nicht zu lange leiden sollte. Ein vorzüglicher Grappa sollte später als Entschädigung herhalten und tat es mit Bravour.

Der Rösti, auch dies darf nicht verschwiegen werden, mangelte es etwas an Knusprigkeit und Bindung. Da könnte man noch am Timing arbeiten. (Meine Frau verwendet festkochende Kartoffeln und die Stärke aus dem Ausquetschwasser, das verleiht Crunch und Biss.) Mir war es letztlich wurscht, weil ich die Rösti sowieso mit der leckeren Pilzsauce vermanscht hatte. Über Butterfisch- und Rumpsteakdiskussionen haben wir aber leider vergessen, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Das bleibt daher einem Folgebesuch vorbehalten, welcher mit Sicherheit stattfinden wird, allein schon wegen der überirdischen Makrele. (Ich hatte am selben Abend noch unseren mobilen Fischhändler angewhatsappt, aber der musste tatsächlich passen.)

An der Sauberkeit gab es nichts zu bemängeln. Die Toiletten, die wir diesmal nicht aufgesucht hatten, liegen einen Stock höher und sind nur über Treppe zu erreichen. Coronamaßnahmen beschränkten sich auf das Hinterlassen der Kontaktdaten; für den Impfnachweis genügte ein Blick in unsere vertrauenswürdigen Augen. Angesichts der Tatsache, dass beim Fußball inzwischen sämtliche Dämme gebrochen sind und damit die rigorosen Auflagen für die Gastronomie noch absurder erscheinen, ist diese Entspanntheit zwar zu verstehen, aber wird sich kaum durchhalten lassen, wenn die Winterwelle über uns hereinbricht.

 Die EDV ist wohl noch im Aufbau, denn bezahlt wurde in bar, den Bon gab es handgeschrieben. 

Der Service, in dem der Chef des Hauses als Restaurantleiter fungiert, war zuvorkommend und stets interessiert an unserem Wohlbefinden. Die Küche ließ sich etwas Zeit (anderthalb Stunden hat das Ganze gedauert), das gehört sich aber auch so, wenn nach guter alter Sitte gekocht wird. Einen fetten Minuspunkt gibt es natürlich für das Rumpsteak, den machen aber das Angebot der Wiedervorlage und der Trostgrappa zum Teil wieder wett. Auch die lange und nette Unterhaltung, die wir am Ende mit dem Chef geführt hatten und in der er uns versicherte, im Unterschied zu seinen Vorgängern auch in zehn Jahren noch am Platze zu sein, trug dazu bei, dass wir uns insgesamt sehr wohlfühlten.
 
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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