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GastroGuide-User: Minitar
Minitar hat Das Waldhorn in 70565 Stuttgart bewertet.
vor 10 Monaten
"Fünf Sterne reichen nicht aus"
Verifiziert

Geschrieben am 23.12.2023
Besucht am 22.12.2023 Besuchszeit: Abendessen 4 Personen Rechnungsbetrag: 432 EUR
Schon weit vor Eröffnung des Waldhorns in Rohr scharrten neugierige Gourmets mit den Hufen und fragten nervös nach Reservierungsmöglichkeiten. Seit wir die Spitzenköchin Caroline Autenrieth bei der Talkrunde einer örtlichen Gastrokritikerin kennengelernt haben, sind auch wir begeistert. Was für eine Frau: studierte Theologin, Ausbildung bei Vincent Klink, Anstellung im „Le Petit Nice Passedat“ in Marseille, wo sie ihren späteren Mann, den Mallorquiner José María González Sampedro kennenlernt. Nach umtriebigen Jahren in Paris nun die Eröffnung ihres gemeinsamen Lokals „Waldhorn“ in Stuttgart.

Tatsächlich gelingt uns die Reservierung eines Tischs zur Jahresendfeier mit alten Freunden. Alle Vorüberlegungen gestalten sich einfach angesichts des Angebotse: es gibt ein kleines Menü am Mittag für 48 Euro – und ein grosses am Abend für 108 Euro, wahlweise carnivor oder vegetarisch. Eventuelle Unverträglichkeiten dürfen bei der Reservierung geäussert werden. Ansonsten: keine Speisekarte, keine Details vorab. Die Spannung steigt!

Punkt 18 Uhr 30 öffnet Caroline Autenrieth die Türe zum lukullischen Paradies und strahlt dabei so glücklich und überwältigend, heisst uns so herzlich willkommen, dass wir uns sofort rundherum wohl fühlen. Das frühere Waldhorn-Ambiente, das wir noch von der Vor-Vorbesitzern her kennen, ist angenehm reduziert und entkernt worden: geblieben sind gediegene Holzvertäfelungen, reinweiss getünchte Wände und helle Sprossenfenster. Momentan wird nur der vordere Gastraum mit etwa 20 Sitzplätzen bespielt und das gibt einem ein heimeliges, sehr persönliches Gefühl.

Im Service agieren mit grosser Herzlichkeit und Zugewandtheit Caroline Autenrieth selbst und ein junger, freundlicher, entwaffnend offener studentischer Mitarbeiter. Wo andernorts routinierte Professionalität jegliche persönliche Kommunikation unterdrückt, fühlen wir uns hier von der ersten Minute an geschätzt und können jederzeit zwischen den Gängen noch ein bisschen plaudern, Fragen und Anmerkungen anbringen.

Schnell einigen wir uns darauf, je 2x das carnivore und das vegetarische Menü zu ordern (und ganz nach Gusto untereinander zu tauschen), jeweils mit korrespondierenden Weinen (54 Euro) und einigen Flaschen Viva con Agua. Eine Speisekarte liegt nicht aus, doch Caroline Autenrieth liest uns die Speisenfolge (die sich täglich peu à peu ändert) vor. Uns erwarten 6 Gänge plus Amuse bouche – und dafür lassen wir uns entspannt gute vier Stunden Zeit.

Um es vorweg zu nehmen: alle Gänge sind ein Gedicht! Mit sichtbarer Hingabe zubereitet, zelebriert und serviert, sehr bodenständig und ohne aufplusterndes Chichi. Und wir dürfen durch die Vorauswahl durch das Gastronomenpaar neue Weine kennenlernen, die wir sonst niemals entdeckt hätten. Als Amuse bouche eine lauwarme Vichysoisse, sehr leicht, mit hauchfein ziselierten, gerösteten Gemüsestreifen und Dill gekrönt. Danach butterzarte Jakobsmuscheln mit Spinat, Topinambur und einer asiatisch anmutenden Meeresfrüchtesauce – oder, in der vegetarischen Variante: Ackersalat, Topinambur- und Orangenscheiben mit einem überraschenden Unterton von Kaffee. Dazu trinken wir einen würzigen, galizischen Albariño-Weisswein von Coto de Gomariz. Es folgt eine Terrine vom Kalbsbries bzw. Kräuterseitlinge mit feinem Castelfranco-Salat, dekoriert wie mit kostbaren Blütenblättern, wozu wir einen fast rauchig anmutenden Muscadet trinken. Es folgen Kabeljau mit Forellenkaviar bzw. ein seidiges Oeuf Parfait auf Spinat. Hier wäre allerdings etwas Pfeffer nicht fehl am Platze gewesen. Dazu vom Fellbacher Winzer Schnaitmann (das einzige uns bekannte Weingut an diesem Abend) eine „Bergmandel“-Cuvee (benannt nach den Mandelbäumen dieser Lage). Als Hauptgang wird Challans-Ente mit Schwarzwurzel und einem aromatisch thymianisierten Kartoffelpüree bzw. ein herzhaftes Risotto mit Schwarzwurzeln gereicht. Vom dazu ausgeschenkten Rotwein aus Garnacha-Reben der Rioja-Region hätte ich durchaus noch mehr trinken können. Doch schon folgt das Pre-Dessert mit Zitroneneis und Joghurt: optisch sehr minimalistisch, doch hauchzart auf der Zunge zergehend, in Kombination mit dem dazu ausgeschenkten Banyuls sehr harmonisch. Der Hammer ist dann noch die Dessertkreation aus lauwarmer Schokolade, Vanille und gerösteten Haselnüssen, die sich wohlig an den Gaumen schmiegt und selbst mir als Süssigkeiten-Skeptiker ungemein imponiert.

Wir zahlen teils mit Karte, teils bar, lassen uns vom Gastronomenpaar noch fürsorglich in die Mäntel helfen und herzlich verabschieden, um dann erfüllt, doch nicht übersättigt, und beschwingt, doch kaum beschwipst, die 500 Meter von der Rohrer Höhe bis zur S-Bahn-Haltestelle Rohr hinab zu flanieren. Am liebsten würden wir sofort den nächsten Besuch vereinbaren, so sehr hat uns die  Hingabe und Leidenschaft des gastronomischen Dreamteams Autenrieth/Gonzalez Sampedro überzeugt.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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