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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat 60 Seconds to Napoli in 28195 Bremen bewertet.
vor 6 Tagen
"Aller Anfang ist schwer und manchmal noch schwerer"

Geschrieben am 27.09.2025 | Aktualisiert am 27.09.2025
Nachdem das erfolgreiche Pizza-Start-Up, das sich dem eigenen Marketing nach der einzig wahren, neapolitanischen Version (72 Stunden Teigführung, 60 Sekunden Backzeit bei 485 Grad) verschrieben hat, mehrheitlich an die Gustoso-Gruppe (u.a. Cotodiana, Burgermeister) verkauft worden war, ging das Unternehmen auf kräftigen Expansionskurs. Die damals 10 Standorte sind inzwischen mehr als verdoppelt worden und weitere Neueröffnungen stehen an. Nun also auch in Bremen und - wie wir am Ende unseres Erstbesuchs entschuldigend von Serviceleitung(?) Nadine Becker erfuhren - lag die Eröffnung erst zwei Tage zurück. 

Da wäre ein völlig reibungsloser Ablauf tatsächlich sehr überraschend gewesen. Aber etwas weniger Probleme hätten wir uns schon gewünscht, als da anfielen:


  • Die „aktiv“ (umsatzfördernd) angebotene Trüffelcrème erreichte uns nie. Auf der Rechnung war sie trotzdem verblieben, was erst nach einem Hinweis (umgehend) geändert wurde.

  • Der mit dem Hauptgang bestellte Wein wurde ebenfalls vergessen, als das endlich bemerkt wurde, lag ich schon „in den letzten Zügen“ und verzichtete.

  • Aus der bestellten Pizza Marinara wurde eine Carbonara, mit unserer Kritik konnte die Service-Crew nichts anfangen. Frau Becker bemerkte die Konfusion und brachte die Falschlieferung wieder zurück an den Pass der offenen Küche. 

  • Dort schien man sich allerdings auch nicht zuständig zu fühlen, erst als die Leitung nach ein paar Minuten feststellte, dass der Platz vor mir immer noch leer war und recht lautstark intervenierte, ging es dann ganz schnell. Mir sogar zu schnell, denn der Teig schien nicht ganz durchgebacken. Besonders problematisch, weil extrem viel Sauce der guten San-Marzano-Tomate auf dem Fladen verteilt wurde, das gab zur Mitte hin schon eine ziemliche „Matsche“.

  • Der Service der überforderten Teenager krankte vor allem daran, dass sie offenbar die Anweisung der genervten Chefin „Habt Eure Tische im Blick!“ wörtlich nahmen - der Augenkontakt mit den Gästen wurde so konsequent verweigert, dass ich mir nach vier vorbei gehuschten Gestalten selbst Olivenöl und Balsamico von der Station holte. Dann doch lieber wie bei Vapiano, Hans im Glück, Peter Pane & Consorten, wo alles schon auf den Tischen steht. Mit dem Problem indes war ich nicht allein, an einem Nebentisch musste man sich selbst Besteck „besorgen“, am anderen fehlten die Servietten.



Okay, genug Gemosere; es gab ja auch Positives: Der Pizzateig genau nach meinem Geschmack, leicht salzig, zart knusprig, am Rand sehr hoch aufgegangen, mit einem tollen „Leopardenmuster“, das nicht überall Begeisterung hervorgerufen hätte. Aber dafür steht das Konzept des Ladens eben. Oder halt in Andisch: Der Teig konnte was!


Meine Frau hatte denselben Teigfladen mit vier unterschiedlichen Belägen, aber eher lauwarm, was sie zuerst irritierte: Ist aber die 60-seconds-Version der Bruschette und hatte auch noch einen leichten Knusper. Das Best-Of wurde ungeschnitten à la Quattro Stagioni serviert und schmeckte meiner Frau sehr gut, wobei ihre Favoriten die schmackhaften Cherrytomaten-Würfel und die ?Nduja-Majonäse waren. Aber auch das hausgemachte Pesto und der 24 Monate gereifte Parmaschinken mit ebenso altem Parmiggiano wurden gelobt. 


Ich hatte mich bei den Antipasti für einen Aufschnitt-Käse-Mix entschieden und war weitgehend zufrieden: Der schon erwähnte luftgetrocknete Schinken überzeugte ebenso wie Bresaola vom Black Angus Rind und Chorizo vom Eichelmast-Schwein. Tadellos auch die Salami Napoletana, die mir besonders mit den Brocken des mittelalten Parmesans Freude machte. Statt der Kalamata-Oliven wären natürlich ligurische Taggiasche der Hit gewesen. Den - ordentlichen - Mozzarella di bufala mit einsamem Basilikumblatt hätte ich ich in dieser Zusammenstellung nicht vermisst; war aber ordentliches Mittelmaß, erst recht mit etwas vom selbst organisierten, kalt gepressten Olivenöl und „gespendeten“ Tomaten meiner großzügigen Gattin. Einzig der von mir sehr geschätzte Mangalitza-Schinkenspeck wurde von der Küche verhunzt - aber mal so richtig. Das Fett dieses grandiosen „Bacon“ überhaupt auszulassen, ist schon mal per se keine gute Idee. Und auf keinen Fall darf man dabei auf halber Strecke abbrechen, ansonsten kommt etwas unansehnlich gummiartig Verschrumpeltes dabei heraus. Geschmacklich trotzdem großartig…
Für manche vielleicht etwas zu fett als Auftakt, aber dafür gab‘s halt das schon beschriebene Backwerk, diesmal als typische Pizzadreiecke, kalt und etwas zäh. Resteverwertung scheidet zu dieser frühen Stunde aus, also entweder so gewollt oder (noch) nicht besser gekonnt. 








Das Ambiente des großen Lokals halt wie derzeit üblich, Sichtbeton und Lüftungsschächte, Fußboden in Holzoptik und angenehme Beleuchtung. Etwas aus dem Rahmen fallend die bequemen Sessel in alt-rosa. Die Abstände sind teils in Ordnung, teils sehr eng. 

Da das Restaurant im Souterrain liegt, schauen einige Gäste ungünstig ins Licht. Es gibt eine recht nett angelegte Terrasse, die aber an zwei Mängeln leidet: Sie liegt unterhalb einer Hauptverkehrsachse aus der Innenstadt mit Bus- und Tramverkehr und die Hochwassermauer einige Meter weiter verhindert einen schönen Blick auf den Fluss. 

Durchaus positiv schließlich die Preisgestaltung des Essens: Für die qualitativ hochwertig bestückte Aufschnitt-/Käseplatte waren 16€ zu bezahlen, Best of Bruschetta kostete 2€ weniger und meine (preiswerteste) Pizza schlug mit 9€ zu Buche, da kannste nicht meckern! Die Getränke erwartungsgemäß höher kalkuliert: Alkoholfreies Bier zu 3,9€ für 0,3l, der anständige Sauvignon Blanc aus der Tourraine kam auf knackige 8€, aber für eine 0,15l Pfütze! 

Die guten Ansätze rechtfertigen allemal einen Folgebesuch. Bis dahin verzichte ich aus Gründen der Fairness - und durch einige sehr positive Bewertungen in lokalen Gastro-Gruppen etwas beiß-gehemmt - auf eine Einzel-Bewertung.


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