Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Die Gastrobranche leidet noch unter Corona-Spätfolgen beim Personal und bekommt die kriselnde Wirtschaftslage deutlich durch Umsatzrückgang trotz kräftiger Preissteigerungen zu spüren. Umso mutiger ist es, wenn jemand den Schritt in die Selbständigkeit wagt und ein neues Restaurant eröffnet. Es ist in unserem Fall Serin Mustapha, die in Lesum das libanesische Restaurant Alhan (Melodie) Anfang August eröffnet hat. Mutig auch deswegen, weil es im Umkreis von vielleicht zwei Kilometern 10 etablierte Restaurants gibt, darunter auch das gut laufende Afrin mit syrischer Küche, dass ich hier schon lobend besprochen habe. Aber das war Serin bekannt, arbeitete sie doch zuvor als Servicekraft im Renoir, einem der erwähnten 10 Restaurants.
Unterstützt wurde die Eröffnung durch einen fast ganzseitigen Artikel im Lokalteil unseres Weser-Kuriers, in dem Serin ohne Inseratkosten in vielen Zitaten die Werbetrommel rühren durfte.
Eine Homepage hat das Alhan bislang noch nicht erstellt, so dass ich weiter unten ausführlicher auf die Karte eingehen werde.
Für die Küche konnte Serin den früheren Chefkoch des syrischen Restaurants Palmira gewinnen. Das Palmira musste der Wirt Abu-Dib nach 20 Jahren schließen. Er hatte im Schnoor das renommierte Restaurant Schröters Leib&Seele übernommen und ins Levante umgewandelt, mit levantinischer Küche. Das floppte und führte zur Aufgabe aller Restaurants von Abu-Dib. Da Köche rar gesät sind, ist Serin also Nutznießerin der Pleite von Abu-Dib. Es zeigt aber zugleich, dass die levantinische Küche mit Hummus & Co. kein Selbstläufer mehr ist.
Am besuchten Samstagabend war das kleine Restaurant (38 Plätze) gut zur Hälfte belegt. Das Publikum im fortgeschrittenen Alter und bestimmt zu Zweidrittel weiblich.
Wenn man Meze der Levanteküche schätzt, sollte man das Alhan aufsuchen. Wie noch zu berichten ist, war meine Hauptspeise missraten, insbesondere auch im Vergleich zum Afrin. Aber vielleicht können die Lammgerichte mithalten. Wir werden das sicherlich bei einer zweiten Einkehr testen. Im Wettbewerb mit dem Afrin muss das Alhan zum Überleben Stammgäste aus dem Stadtteil gewinnen, was wir dem sympathischen Wirtspaar gerne wünschen.
Das Preis-Leistungsverhältnis sehe ich bei vier Sternen.
Service:
Als wir um 18 Uhr einkehrten, begrüßte uns ein Mann im Alhan-Poloshirt. Wie sich herausstellen sollte, ist es der Ehemann von Serin, der neben seiner Klempnertätigkeit im Restaurant unterstützt. Bald erschien auch Serin, was ich durch eine Frage klärte, womit dann auch eine nette Kommunikationsbasis geschaffen war. Sie machte keinen Hehl daraus, dass das Alhan sie ganz schön schlauche, denn zur Familie gehören auch drei Kinder, die angesichts Serins jungen 29 Jahren sicherlich noch betreuungsintensiv sind. Serin und ihr Mann pflegen eine sympathische Gastansprache und man spürt, dass sie gerne Gastgeber sind und ihre Gäste für die libanesische Küche begeistern wollen.
Unserer Bitte, den Zeitpunkt für die Küchenorder der Hauptspeisen bestimmen zu dürfen, kam Serin gerne nach.
Also vier Sterne plus für die Wirtsleute.
Nun die Getränkepreise: Bremer Konzernbier kommt für 0,3l auf 3,90 Euro, ebenso das von mir gerne georderte Kräusen, was aber einige Grad kühler ins Glas kommen sollte. Das libanesische Bier Almaza in der 0,33l Flasche steht mit 4,60 Euro auf dem Bon und ist ebenso wie alle von mir bislang getrunkenen (Konsum)Südbiere arg dünn. Wasser 0,75l kostet 6,70 Euro und die klassifizierten, offenen libanesischen Weine (4 x weiß, 4 x rot, 1 x rosé) liegen zwischen 7,50 und 8,90 Euro für das 0,2l-Glas. Inakzeptabel ist der Preis für den Arak: Für 2 cl auf Eis mit Wasser will Serin 5,50 Euro haben! Zum Vergleich: 4 cl auf Eis bekommt man im Afrin für 6,50 Euro. Allerdings bekamen wir einen Arak aufs Haus, vielleicht auch wegen meiner deutlichen Kritik am verkohlten Huhn (siehe sogleich).
Essen:
Die Karte ist für die geringe Restaurantgröße erstaunlich vielfältig. Es werden 17 verschiedene kalte und warme Meze angeboten, die bei 5,90 Euro starten, darunter Erwartbares wie Hummus Muttabal, Muhammara, Labneh, Weinblätter. Bei den warmen Meze auch Wurst (Makanek, Sucuk) oder Garnelen. 15 Hauptgerichte mit Huhn, Rind oder Lamm in der Bandbreite von 19,90 (Hackfleischspieße) bis 27,90 Euro (Lammfilet). Dazu 5 x Fisch und Meeresfrüchte von 13,90 (frittierte Calamari) bis 26,90 Euro (Fischplatte). Das Vegetarische kommt 4 x auf 13,90 Euro. Ebensoviele Desserts runden die Karte ab.
Wir wählten die gemischten Meze für 21,90 Euro und bekamen 10 Schälchen mit verschiedenen kalten und warmen Meze serviert. Serin sagte an, was auf dem Tisch stand und wir machten uns an die Arbeit. Unterm Strich waren alle Meze schmackhaft und gut gewürzt. Ungewöhnlich der gedünstete Löwenzahn, der nicht nur wie Grünkohl aussah, sondern auch geschmackliche Ähnlichkeit aufwies.
Meine ständige Begleiterin gibt mir auf, ihre Favoriten Falafel, Kibbeh (optisch musste ich an eine Hammelklöte denken), Sellerie (finde ich gar nicht auf der Karte) hervorzuheben. Mir gefielen auch die Klassiker Hummus und Muttabal (Auberginencreme). Dazu in einer Plastetüte im Korb das sehr dünne, weiche Fladenrot, was auch im Afrin serviert wird und mich nicht überzeugt.
Für die gastfreundlich bepreiste Mezeauswahl gebe ich gerne vier Sterne.
Gegenüber fiel die Wahl auf Kafta, das sind zwei Hackfleischspieße (19,90 Euro). Dazu eine Schale Reis (der Salat wurde vergessen). Ich fand die Spieße gut gewürzt (laut Serin sieben verschiedene Gewürze). Ich meinte Piment prominent herausgeschmeckt zu haben, was aber in der Aufzählung nicht vorkam. Ich hatte mir das halbe gegrillte Hähnchen Farouj Meshwi ausgewählt (18,90 Euro). Dazu dicke Pommes, Hummus und einen gut angemachten Salat. Das Huhn war von Serin mit Knochen avisiert worden, was mich nicht stört, wenn das Huhn einen Garzustand hat, bei dem sich das Fleisch leicht vom Knochen lösen lässt. Eingeschlagen war der halbe Hahn in einen Fladen, der mit einer rötlichen Paste bestrichen war. Freigelegt sah ich dann, dass Teile der Haut verkohlt waren. Leider war auch das gehäutete Fleisch nur trocken und geschmacksneutral. Im Afrin sind die entbeinten Hähnchenschenkel aus dem Ofen demgegenüber ein richtiger Genuss. Von diesem Gericht muss ich abraten und es zieht die Gesamtbewertung des Essens auf 3,5 Sterne runter.
Auf einer Kommode im Eingangsbereich stehen ausreichend gute Salz und Pfeffermühlen, die auf die Tische gestellt werden sollten.
Ambiente:
Das kleine Restaurant ist in einem Eckhaus untergebracht und hat zwei Fensterfronten mit fast bodentiefen großen Scheiben, so dass viel Tageshelligkeit in den Raum fällt. Zudem sorgt das Weiß der Decke und der Wände für Helligkeit. Die dunkle Möblierung liefert einen guten Kontrast, zumal die meisten Tische blank im Raum stehen. Damit Serin und Mann überhaupt auf 38 Plätze kommen, mussten sie die Tische eng stellen, was wir gar nicht schätzen. Unser Zweiertisch war ausreichend dimensioniert, so dass die zehn Mezeschälchen nicht gestapelt werden mussten.
Mit Deko wurde beim Finishing der Raumgestaltung sparsam umgegangen. An der Wand hinter mir viele gerahmte Fotos mit libanesischen Promis und Stadtmotiven. Auch schön die orientalischen, filigranen Messingleuchten an der Decke.
Sehr gewöhnungsbedürftig ist die Beschallung. Nicht laut, aber wenn man wie ich nah an einem der Lautsprecher sitzt und zwangsläufig ein Ohr drauf verwendet, ist man verwundert. Es gab auch Wortbeiträge, dann wieder getragene Chormusik. So wie ich beim Griechen als Traditionalist Sirtaki hören will, würde ich mir im Alhan eine orientalische Musikfarbe wünschen. Wie eine kurze Recherche ergab, gibt es eine reiche Auswahl an libanesischen Radiosendern mit Livestream, die das Alhan abdudeln könnte.
Sauberkeit:
Sehr gepflegt und frische Toiletten mit im Schwarz-weiß-Kontrast. Auf der Damentoilette mussten die Papierhandtücher aufgefüllt werden.