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GastroGuide-User: Carsten1972
Carsten1972 hat Giverny in 48143 Münster bewertet.
vor 3 Jahren
"Un pas en avant......"

Geschrieben am 27.05.2021 | Aktualisiert am 27.05.2021
...ein Schritt voran in Richtung Normalität. Ganz spontan hatten meine Frau und ich entschieden, in der Woche nach Pfingsten ziehen wir die Münster'sche Karte und gehen aus und in ein Restaurant. Münster hat seit 2 Wochen einen Inzidenzwert von unter 25 und somit ist seit mehr als einer Woche die Außengastronomie geöffnet und seit Pfingsten eben auch die Innengastronomie. Davon profitieren auch die umgebenden Kreise, weil die Reise von Rheine nach Münster per Bahn äußerst bequem ist. Wenn es gut läuft, dürfen wir Menschen aus dem Kreis Steinfurt ab dem kommenden WE auch wieder in die Restaurants, dass wird dann die Situation in Münster wieder etwas entspannen. Bis dahin freuen sich die Münsteraner Gastronomen über ausgehungerte Genießer aus dem Umland.

Und weil meine Frau und ich den Mittwoch für einen Besuch in Münster fest gelegt hatten, kam relativ schnell das Giverny in Münster in den Fokus der Auswahl. Mittwoch ist Bouillabaisse Tag im Giverny, da geht man als Genießer nirgendwo anders hin in Münster! Mit Frau Winkler war schnell ein Tisch reserviert, und da ich bei meinem Arbeitgeber sowieso alle 2 Tage getestet werde, war auch ein aktueller Test kein Problem, Frau wurde dann gleich mit getestet, ich habe halt einen lieben Chef! 

Mit dem Zug ging es abends nach Münster und einen angenehmen Spaziergang später standen wir vor der Tür des Giverny im Spiekerhof 25. Tür auf, Hände desinfiziert, und man nahm uns im Empfang und hieß uns herzlichst willkommen. Bekannte Gesichter im Service Team und in der Küche sowieso. Bis wir hinten im Wintergarten am Tisch saßen, wurden viele herzliche Grüße ausgetauscht, auch Cyril in der Küche und Chef Jörg Winkler freuten sich sichtlich, endlich wieder loslegen zu können. 

Ein paar Tische fielen den verschärften Abstandsregeln zum Opfer und blieben unbesetzt, ansonsten aber waren an einem Mittwochabend alle Plätze besetzt! Meine Frau und ich waren nicht die einzigen Menschen im Münsterland, die einen Restaurantbesuch schmerzlich vermisst hatten. Allez, wir beide hatten riesige Lust auf einen schönen Abend mit südfranzösischer Küche. Die Karte ist beim Neustart noch etwas limitiert, völlig verständlich, aber es war Mittwoch und Jörg Winkler wusste schon was wir bestellen würden. Das ganze fühlte sich ja wie ein kleiner Feiertag an, deswegen vorweg ein Aperitif.

Von Gosset, dass musste heute Abend sein. Wir hatten dann auch die Anmeldung per Luca bewältigt und nahmen im Smart Phone die Karte in Augenschein. Sowohl Menü- als auch Getränke- und Weinkarte stehen zum Download bereit. Wir genossen den Champagner und der Service servierte wie immer zuerst Baguette mit einer Oliven-Tapenade und einer Frischkäsecreme, ich glaube mit Datteln, die war etwas süßlich. 

Natürlich gab es einen Küchengruß, den der Service zum Champagner servierte. Als Herr Winkler diesen servierte und ankündigte mussten wir etwas schmunzeln, zu dieser Entenleber-Creme brûlée  gibt es eine schöne Geschichte im Zusammenhang mit dem Borgfelder...er wird sicher in den Kommentaren aufklären!

Leider bekamen wir beide nur eine! Aber dafür schmeckte uns die ebenso gut wie beim letzten Besuch mit den Borgis im Giverny. Die Qual der Wahl hatten wir ja nur noch beim Wein. Die Auswahl von verlockenden Weinen, insbesondere aus dem Burgund ist schon eine Herausforderung, aber sehr häufig landen wir bei einer Wahl zu Fisch und Meeresfrüchten bei einem 2017 Pouilly Fuissé – Grand Vin de Bourgogne « Les Chailloux », so auch heute.

Wie immer ein Genuss, insbesondere zum kommenden Menü. Das Ritual Bouillabaisse ist im Giverny unverrückbar in Beton gegossen und beginnt immer mit Baguette, Knoblauch am Spieß, einer Sauce Rouille und einer Aioli. 

Dann kommt ein dampfender Teller Suppe an den Tisch, die Version Giverny des französischen Fischeintopf Klassikers Teil 1. Die übliche Frage, ob wir vertraut sind mit dem Prozedere was Emile Zaragoza einst von seiner Familie ins Giverny eingeführt hat, erübrigt sich. 

Käse über der Suppe möchten wir beide nicht, unappetitliche Fäden in der Suppe braucht es nicht. Auch klecksen wir keine Creme auf den Rand des Suppentellers, wie es sonst Novizen vermittelt wird. Ich streiche die Knoblauchzehe über geröstete Baguette-Scheiben und genieße die pure Suppe und schwelge in den kräftigen Fischnoten dieser Suppe. Dann überlegt man, noch ein Nachschlag? Verlockend, aber es kommt ja noch was leckeres, lieber nicht. Es geht dann auf Nachfrage zu Teil 2 des Bouillabaisse Abends im Giverny. Eine Sauciere kommt an den Tisch, mit weiterer Suppe. 

Safran Kartoffeln gehören auch zum zweiten Teil.

Dann kommt der Teller, darauf die Filets, die übrig bleiben, wenn die Karkassen zur Suppe verarbeitet werden. Auf einem Bett von Fenchel in einer Safransauce lagen an diesem Abend Knurrhahn, immer der schmackhafteste Fisch im Dreierlei, Meeräsche und Dorade. 

Dann beginnt der zweite Teil der Schlemmerei. Und man sieht dann auch, ich besorge mir den Suppennachschlag aus der Terrine von Gang 2 und bin nach dem leeren der Teller und Schüsseln immer, wie meine Frau, ein sehr glücklicher Mensch! Es war Restaurantbesuch 1 nach 7 Monaten Lockdown mit viel Frust! Also musste ein Dessert sein, vorher würden wir nicht gehen. Eine Creme brûlée wie so häufig, oder die von Jörg Winkler verkündete Alternative einer Ziegenkäsemousse? 

Man sieht was wir beide erwählt haben. Rhabarber war drauf, Himbeere und Erdbeere in verschiedenen Aggregatzuständen. Perfekt dazu passte ein Sauternes A.C. aus dem Jahr 2012 aus der Auswahl der offenen Weine. 

Mit einem finalen Espresso war er dann am Ende, unser erster Abend in einem Restaurant nach dem hoffentlich letzten Corona Lockdown! Und zwei sehr glückliche Menschen freuten sich über den erlebten Genuss.

Ich habe in den letzten Jahren viele faszinierende, oft besternte Menüs genossen, viele neue Geschmäcker und Texturen kennen gelernt. Aber gerade nach einer so langen Zeit ohne kulinarische Erlebnisse bleibt es dabei. Das Restaurant Giverny der Familie Zaragoza in Münster war nicht unerheblich daran beteiligt, dass ich zu einem Liebhaber gehobener Küche wurde und es ist für mich ein Herzensort. Würde ich wissen, dass ich morgen sterben muss, ich würde das Giverny erwählen für mein letztes Menü. Keine großen Auszeichnungen, aber ganz viel savoir vivre, die ich sehr liebe. Die nächste plats de fruit de mer ist schon fest geplant.


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