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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Gasthaus Zum Adler in 66117 Saarbrücken bewertet.
vor 9 Jahren
"Schöner Garten. Solide französische Küche. Ignorierter Borgfelder."
Verifiziert

Geschrieben am 06.08.2015 | Aktualisiert am 06.08.2015
Besucht am 07.06.2015
Wohlig eingestimmt durch die positiven Besprechungen von simba erreichte ich nach strammen Fußmarsch das mächtige Haus des Adlers in der Nähe einer Ausfallstraße.

Die Frage drinnen oder draußen stellte sich an diesem heißen Tage nicht. Bei Eintreffen wurde ich von der jungen Dame im Service informiert, dass nur der Garten geöffnet sei. Auf die schönen Bilder beeindruckender Fleischlieferanten musste ich daher verzichten, sie sind mir eh auf dem Teller lieber. Nachdem ich den teilweise geschotterten, staubigen Parkplatz hinter dem Haus mit entsprechenden Folgen für den Schuhputz überquert hatte, konnte ich kurz nach 18:00 Uhr noch zwischen mehreren Metall-Gartentischen wählen. Einige zurückhaltend, aber freundlich mit bunten gewebten Stoffsets eingedeckt. Dazu einfaches Besteck in eine ebensolche Vliesserviette. Eine kleine Kalanchoe bildet die einfache Deko. In der Tat ein lauschiger Platz, der von einem großen Ahorn, einem Holunder und großen Büschen beschattet wird, die am späteren Abend effektvoll von unten angestrahlt werden. Den Blick über die Mauer auf einen großen öden Parkplatz kann man sich sparen. Viel schöner ist das beeindruckende Bambuswäldchen jenseits eines kleinen Grabens, in das eine Konstruktion aus kräftigen Bambusrohren hineinführt. Südostasien in Südwestdeutschland. 4 Sterne für's angenehme Ambiente. Das harte Gestühl und der staubige Boden führen zu leichten Abzügen.

Der Service wird von Madame Leconte selbst erledigt sowie von zwei ungelernten Kräften. Eine hatte wohl den ersten Tag und war leider nicht nur unsicher, sondern auch schnippisch. Die Chefin kümmerte sich intensiv um zwei Stammgäste, schleppte sogar die große Tafel mit den Tagesgerichten durch den halben Garten. Erst als der Abend schon weit fortgeschritten war, machte Madame auch im ganzen Garten die Honneurs. Im ganzen Garten? Nein, ein kleiner Tisch am Rand war ihr leider einen Meter zu weit. Genau in diesem Abstand machte unsere "Gastgeberin" auf dem Absatz kehrt und drehte mir ohne auch nur einen Gruß, geschweige denn ein paar freundliche Worte den Rücken zu. Und wart diesen Abend auch nicht mehr gesehen. Das war schon sehr unhöflich. So blieb der Service weitgehend an einer jungen, hübschen, bulgarischen Werksstudentin der Firma Bosch hängen, die sich schon überraschend viel angeeignet hatte und ihr Werk zunächst auch mit großen Enthusiasmus versah. Was sie z. B. zum Wein nicht wusste, wurde zeitnah beim nächsten Gang in die Küche erfragt, wozu ein Lauf durch den Garten, über den Parkplatz und die steilen Treppen hoch erforderlich war. Respekt. Auf meine Frage nach den Tagesangeboten verwies sie auf die in respektabler Entfernung stehende Tafel, die an die ehem. Remise gelehnt war, von der aus die Grundversorgung des Gartens erfolgte. Nun, das will ich ihr für das Engagement nachsehen. Glückliche Jugend, die du dir das Nachlassen u. a. der Sehkraft mit den Lebensjahren schlicht nicht vorstellen kannst! Ein wirklicher Mangel dagegen war der Umstand, dass der zuvor mit einigen Mühen verkostete Rotwein zum Rindfleisch dann nicht serviert wurde. Schlicht vergessen. Kann passieren. Gern hätte ich reklamiert, aber mit fortschreitender Zeit zogen sich die beiden jungen Frauen zum Ratschen in ihre Holzbude zurück und waren länger nicht mehr zu sehen. Die meisten Tische waren auch schon mit dem Essen durch und im angeregten Gespräch vertieft. Schicksal des Einzelgastes. Der Fehler lag aber auch bei der Chefin, die eben nicht mehr präsent war. Ich hatte weder Lust, beim Warten das Essen kalt werden zu lassen, noch, mich selbst auf den Weg zu machen. Ich meine, dass die Bedienung zum Gast kommen sollte, nicht umgekehrt. Da bin ich etwas eigen... So wurde das sehr gute Fleisch halt nur vom Carola-Wasser begleitet. Beim Abräumen war die Bestürzung immerhin groß und die Nachlieferung auf Kosten der jungen Dame (!) wurde angeboten. Ein feuriger Südfranzose solo ist aber nicht nach meinem Geschmack, so dass ich ablehnte. Stattdessen wurde später ein Kirschwasser nicht berechnet. Das immerhin war i. O. Leider musste ich auch zum Bezahlen sehr lange warten, was immer ärgerlich ist, weil der Schlussakkord ja doch am längsten nachhallt. Da ich mich die meiste Zeit aufmerksam und vor allem mit echter Freundlichkeit bedient fühlte, noch 3,5 Sterne.

Das Essen jedenfalls hätte einen besseren Service verdient gehabt. Ich war fast durchgängig zufrieden und bedanke mich beim Kollegen simba für den Tipp. Bodenständige französische Küche steht im Mittelpunkt des Angebots.
Und so wählte ich zunächst einen Cremant rosé vermutlich von Pinot vom Mosel-Weingut Petgen Dahm aus Perl.
Nach diesem eleganten Auftakt gab es seit langem mal wieder Artischocke, die frisch und heiß mit einer etwas dickeren Vinaigrette und Baguette serviert wurde. Die Blätter waren dickfleischig, der Boden von idealer Konsistenz. Die Soße war mit Estragon versetzt, ihre Säure nicht übertrieben und "Zugeschaut - mitgebaut"-Gerichte mag ich ja sowieso gern. Zu meiner Überraschung verursachte die Bitte um eine Fingerschale bei der Bedienung Überraschung. Aber auch dieser Wunsch wurde mit warmen Wasser und Zitrone, wenn auch in einem gewöhnungsbedürftig großen Gefäß, schnell erfüllt. Als Begleiter ein Grauburgunder nochmals von Petgen Dahm, im Barrique ausgebaut. Vielleicht nicht die beste Weinwahl aller Zeiten, aber Artischocke plus Säure ist auch problematisch. Ich hab mich nach Kräften bemüht, Getränk und Essen auseinander zu halten und mich dann an dem wirklich tollen Bukett von Aprikose und Maracuja gefreut.
Als so nicht auf der Karte angebotenen Zwischengang hatte ich mir Anfang Juni natürlich frischen weißen Spargel solo gewünscht, begleitet von einer Sauce Hollandaise. Die sieben mitteldicken Stangen kamen für meinen Geschmack auf den Punkt gegart und waren nicht herausragend, aber gut. Besonders hat mich aber die frische Hollandaise gefreut, bei der die Butter führte und die Zitrone im Hintergrund stand. Aufgrund des langen Weges war die Soße stark abgekühlt. Nicht zu vermeiden, wenn traditionell im Wasserbad bei entsprechend niedriger Temperatur aufgeschlagen wird. Sehr gut. Über die hilflose Salatgarnitur decken wir lieber den Mantel des Schweigens...
Mangels offenem Silvaner oder Weißburgunder hab ich es mal wieder mit Riesling, hier vom Weingut Gilg aus dem Elsass probiert. Ging so.
Das Hauptgericht war überwiegend Licht bei einem schweren Schatten. Das Onglet war von wunderbar fester und doch zarter Struktur. 5 Tranchen medium rare, die zeigen, dass dieser Schnitt völlig zu Recht derzeit die gehobene deutsche Gastronomie erobert. Die in der Schale gegarten Kartoffeln und das Gemüse-Potpurri waren ohne Höhen und Tiefen. Leider war die Wasabi-Soße misslungen. Handwerklich tadellos montiert, aber ohne jede Spur von Schärfe, dafür regelrecht versalzen. Ich bin beim Salz ja eher etwas zurückhaltend, also hab ich nicht reklamiert, sondern versucht, das Fleisch möglichst "trocken" zu erwischen. Schade, schade. Dazu wäre die Grenache-Syrah-Carignan-Cuvée sicher ein schöner Begleiter gewesen, wenn sie denn gekommen wäre... Der Begleitsalat überzeugte mit sorgfältig gezupften Blättern und Radieschen statt Eisberg sowie einer leichten Vinaigrette.
Statt eines Desserts lockte mich der flambierte Munsterkäse, der nach dem langen Weg noch brennend an den Tisch kam. Einerseits Respekt für den Service, andererseits waren die Ecken schon schwarz. Ansonsten schön verlaufend außen und fest und kräftig innen. Dazu einfaches, aber immerhin handwerklich gebackenes Baguette. Das begleitende Kirsch-Eau de Vie Grand Reserve von André Scherer bewies mir leider nur wieder, dass feine Brände an mich verschwendet sind. Es war mir viel zu scharf.
Bewertung für's Essen schwankt zwischen 3,5 und 4 Sternen. Da Fleisch mein Gemüse ist, runde ich für das Onglet (und die Hollandaise) auf.

Sauberkeit draußen unauffällig. Die Toiletten wurden nicht besucht.

Preislich hat's absolut gestimmt:
Artischocke Vinaigrette 7,5€
Spargel 7,5€
Onglet 22,5€
Munster 5,1€
Der halbe Liter Wasser erträgliche 3,2€. Der Cremant schlug mit 4,8€ zu Buche, die beiden Weißen 3,1€ bzw. 2,9€, jeweils für 0,1l.

Fazit: Ich schließe mich der Empfehlung an, auch wenn ich glaube, dass ich einen eher schlechteren Tag von Service und vielleicht sogar der Küche erwischt habe.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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