Pfaffenberg
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Pfaffenberger Weg 284, 42659 Solingen
Restaurant Bistro Cafe Ausflugsziel
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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Pfaffenberg in 42659 Solingen bewertet.
vor 2 Jahren
"Table d’hôte-Lebenszeichen am Pfaffenberg: zurück zu altem Glanz?"
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Geschrieben am 11.12.2022 | Aktualisiert am 12.12.2022
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Besucht am 02.12.2022 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 200 EUR
Wann immer ich in den letzten Jahren über das Pfaffenberg stolperte, habe ich mich zugegeben doch etwas über meine Heimatstadt geärgert.
 
Ambitioniert war man hier 2014 an den Start gegangen, nachdem das traditionsreiche – das Pfaffenberg war in den Wirtschaftswunderjahren eine der ersten Adressen der Stadt – Restaurant mit Millionenaufwand neu errichtet und auch personell gehoben ausgestattet wurde.
 
Mit dem damaligen Küchendirektor Dominic Gerberding zum Beispiel, dessen sternegeprägter Werdegang – u.a. das Bareiss – sich deutlich in Ausrichtung und Handwerk der beiden monatlich wechselnden Menüs niederschlug, die man im oberen Stockwerk, dem Gourmet Restaurant, den Gästen kredenzte.
 
Indes wartete das Bistro im Untergeschoss mit einer gepflegten, zugänglicheren, aber mitnichten trivialen Küche auf und lockt bis heute mit einer absurd schönen Aussicht auf der herrlichen Terrasse des Hauses.
 
Die erwähnten, meist siebengängigen Menüs habe ich mehrfach rezensiert, sie waren für den aufgerufenen Preis von 79 Euro ein unglaubliches Schnäppchen. Stilistisch bewegte man sich auf Französisch geprägtem Fundament mit Hang zur mitteleuropäisch gehobenen Küche, zeigte aber mit Farbtupfern wie einer schönen Ceviche vom Königsfisch oder einer Frühlingsrolle mit Yellow Fin Tuna durchaus auch aromatische Weltoffenheit in den Menüs.
 
Ich werde nie müde das gebetsmühlenartig zu wiederholen: diese Klasse an Produkten und Aufwand, gepaart mit einem wunderschönen Ambiente, dem personellem Einsatz in Küche und hochklassigem Service, hätte in guter Lage in Düsseldorf spielend 140 Euro gekostet, ohne dass sich jemand gewundert hätte.
 
Wundern musste man sich hingegen in der Anfangszeit über eine hanebüchene, peinliche Provinz-Posse: es kursierte massiv das Gerücht, im Pfaffenberg würde es reihenweise eine mit der Rechnung überreichte „rote Karte“ geben, mit der man ausdrückte doch bitte nicht wiederzukommen, falls Gäste sich nicht „benommen“ und sich bspw. erdreistet haben, sich gegenseitig probieren zu lassen.
 
Alles erstunken und erlogen aber kein neues Phänomen. Es scheint oft dann gestreut zu werden, wenn ein potentieller neuer Platzhirsch dem etablierten Wettbewerb stinkt und wenn manchen Ureinwohnern abseits der Metropolen alleine schon bei Begriffen wie „Gourmet Restaurant“ oder „Fine Dining“ der Vorurteils-Kamm schwillt und man dem vermeintlichen Refugium derer, die sich für etwas Besseres halten, unbesehen eins auswischen möchte.
 
Eine „Urban Legend“ der böswilligen Art mit dem typischen Muster: man tratscht es einfach weiter und natüüüüüürlich hat jeder diese Information aus allererster Hand von jemand, dem dies angeblich persönlich widerfahren ist.
 
Ich habe dies seinerzeit selbst mehrfach erlebt und es artete derart aus, dass Dominic Gerberding sich gar genötigt sah, seinerzeit in 2014 ein Interview in der Lokalpresse zu geben, um mit diesem Nonsens aufzuräumen.
 
Während das Bistro gut angenommen wurde, hatte es das Gourmet Restaurant trotz des sensationellen Preis-Leistungs-Verhältnisses von Anfang an schwer, viele, wenn nicht sogar der Großteil der hochzufriedenen Stammgäste kam aus dem Umland. Gehobene Gastronomie in Solingen ist fürwahr kein leichtes Brot.
 
Im Spätsommer 2017 zog man dann die Reißleine und betrieb im Tagesgeschäft fortan nur noch das Bistro, in welchem in den Folgejahren jedoch auch mehr und mehr dem Rotstift zum Opfer fiel, mit einer immer kleiner werdenden Karte und sich analog reduzierenden Öffnungszeiten.
 
Ich habe es geliebt dort im Sommer eine Mittagspause auf der Terrasse zu genießen, die Ruhe, die Aussicht, das war wie ein kleiner Kurzurlaub. Leider nicht mehr möglich, weil man dort nur noch an Sonn- und Feiertagen mittags die Pforten öffnet.
 
Auch das kulinarische Profil verlor immer mehr an Kontur, die Karte changierte zwischen mediterran und gehoben gutbürgerlich, der „Pfaffenburger“ hat überdauert und die Kalbsleber, das beliebteste Angebot schien aus der Ferne betrachtet immer der – angesichts des ursprünglich manifestierten Anspruches des Hauses doch etwas deplatziert wirkende – „Spare Ribs All-you-can-eat-Dienstag“ zu sein: quo vadis Pfaffenberg?
 
Daher traute ich kaum meinen Augen, als ich auf ihrer Website völlig überraschend las, dass man am 2. Dezember ein Degustations-Menü anbieten wolle, und zwar in den Räumen des Restaurants, nicht des Bistros: wollte man dort vielleicht einen neuen Anlauf wagen?


 
Das Menü las sich gut, zumal der Preis von lediglich 99 Euro inklusive der korrespondieren Weine nicht gerade nach einem unkalkulierbaren Risiko-Invest klang. Kurzentschlossen reservierte ich für zwei Personen, schließlich war ich meinem befreundeten Wein- und Feinkost-Magnat noch einen Gefallen schuldig und hier hatten wir in 2015 und 16 schon zwei schöne gemeinsame Abende verbracht.
 
Leider zeigte sich aber, dass das Menü eine feste, nicht verhandelbare Startzeit hatte, die sich mit den Öffnungszeiten seines Geschäftes nicht wirklich vertrug - und in der für ihn wichtigen Vorweihnachtszeit an einem Freitagabend fast zwei Stunden früher zu schließen, war für ihn verständlicherweise keine Option. Also kam Madame Shaneymac gerne mit, das saisonale Menü gefiel ihr vorab gut, soweit also alles geregelt, sehr schön.
 
Tags zuvor erfuhr ich von Serviceleiter und Sommelier Pascal Schulte – auf ihn kommen wir gleich noch zu sprechen – am Telefon, dass der „Bankett Charakter“ des Abends eigentlich nur Vorteile habe, wir seien mit 16 Personen eine kleine feine Runde, er würde durch den Abend moderieren und auch auf die Weinbegleitung könne ich mich freuen, hier habe er mit Bedacht ausgewählte Preziosen in petto.
 
Mit Spannung und Vorfreude war ich also bei der Sache, als ich am bitterkalten Freitagabend des 2. Dezember gegen 17:45 Uhr am Pfaffenberg aus dem Taxi stieg, die Vertrautheit und Ruhe des Ortes, sowie die stimmungsvolle Außenbeleuchtung von Parkplatz und Gebäude sorgten umgehend für eine entspannte Grundstimmung.


 
Warum man die Eingangstüre oben nicht aufsperrte, man den Weg über die Treppe runter zum Parkplatz, hin zum rückwärtigen Eingang des Bistros neben der Terrasse nehmen musste, und dann über die Treppe im Inneren von Bistro hoch ins Restaurant, habe ich nicht verstanden, aber ein wenig Bewegung vor dem Essen schadet ja nie.


 
Pascal Schulte sollte uns – stilvollendet klassisch zeitlos gekleidet mit Fliege und Weste in gediegenem Schwarz-Weiß - schon erwarten, wir waren die ersten Gäste und wurden herzlich namentlich begrüßt, er kennt mich von vielen Besuchen hier, schon bei meiner Premiere in 2015 war er mit von der Partie.
 
Damit ist der gelernte Hotelfachmann der letzte Verbliebene aus der ursprünglichen Besetzung dieser Zeit, Corona hat die ja ohnehin oft hohe Fluktuation in der Branche sicher nochmals befeuert.
 
Nach einer soliden Ausbildung in der Hotellerie folgten u.a. Stationen im Düsseldorfer Berens am Kai und dem traditionsreichen Scarpati in Wuppertal, bei denen er sich zunehmend auch auf das Thema Wein fokussierte und sich nunmehr durch entsprechende Fortbildungen auch ganz offiziell Sommelier nennen darf, was er an diesem Abend kenntnisreich unterstreichen sollte.
 
An seiner Seite assistierte eine engagierte junge Praktikantin, die allem Anschein nach hier auch ihre Ausbildung machen wird; es mache ihr viel Freude, verriet sie mir später in einem kurzen Gespräch.


 
Der Abend sei ein Versuch, hin und wieder solche Dinner Abende in kleiner Runde zu etablieren führte er aus, man habe bewusst ein Limit von 20 Gästen gesetzt, um sich nicht zu übernehmen und den Rahmen zu sprengen, zumal man alle an eine lange Tafel platzieren wollte, um eine gesellige Stimmung und angeregte Gespräche zu fördern.
 
Der Abend war eigentlich ausgebucht, leider hatten gleich zwei Vierergruppen kurzfristig (die eine am Vortag…) krankheitsbedingt abgesagt, sodass lediglich 12 Personen an der stilvoll eingedeckten Tafel Platz nahmen und sich über die makellose, schnörkellos klassische Tischkultur freuen durften.


 
Den Aperitif nahmen wir zunächst im Stehen ein, Schulte wählte einen Brut Nature von Korrell, hatte aber auch eine alkoholfreie Alternative im Angebot. Ein solider Start in den Abend, der allen Anwesenden gut gefallen sollte, gegen 18:15 Uhr waren wir dann auch komplett.


 
Er hatte sich vorgenommen, dem Thema Wein viel Raum zu geben und hatte zu jedem illustrierende Fotos heruntergeladen, die er auf dem riesigen Bildschirm an der Trennwand zum vorderen Gastraum präsentierte, in dem ich bislang immer gesessen hatte.


 
Dazu gab es jeweils Wissenswertes zum Weingut, dem Terroir, der Vinifizierung und der jeweiligen Weinkultur der Region. Mit ruhiger Stimme und leisen, feinen Tönen frei vortragend bewies er sein detailliertes Fachwissen, ohne je im Ansatz den Eindruck zu erwecken, auswendig gelerntes Lexikonwissen herunterzubeten.
 
Schade und etwas unhöflich empfand ich dabei den Umstand, dass die drei befreundeten Pärchen, die sich geschlossen am Ende der Tafel platzierten - und somit den Grundgedanken des Abends konterkarierten, weil mittig somit durch die Absagen eine große Lücke klaffte - ihm eigentlich nie zuhörten, sondern ignorant mehr oder weniger laut stur weiter laberten, was mit fortgeschrittenem Weinkonsum besonders bei den Damen kolossal nervte.
 
Wohltuend gesellig hingegen die uns gegenübersitzende Vierergruppe, ein junges Pärchen um die 30, sie hatte noch ihre Mutter mit ihrem Lebensgefährten mitgebracht, allesamt wohnten sie erst seit Kurzem in Solingen und hatten das Pfaffenberg anlässlich einer Geburtstagsfeier kennengelernt und in guter Erinnerung behalten.
 
Während der Vorstellung des Brut Nature von Korrell wurde bereits das Brot gereicht, das kleine Amuse sollte kurz darauf folgen:
 
 
 
| Brot & Amuse |
 
Brot & Schmalz
Gänseschmalz mit Serviettenknödel

Korrell Brut Nature, Weißburgunder, Spätburgunde und Riesling, Weingut Korrell, Bad Kreuznach, Nahe, Deutschland
 
Schon beim Brot wurde klar, dass man nicht nahtlos an das damalige Niveau anknüpfen würde.


 
Seinerzeit agierte Pascal Schulte bei meinen ersten Besuchen noch hauptsächlich in einem dedizierten Brotservice, man bot ein gutes halbes Dutzend vielfältige Variationen, die sich im Laufe des Abends und bei jedem Besuch abwechseln sollte.
 
Damals war man aber in vieler Hinsicht so aufgestellt, dass man durchaus Ambitionen zu einem Stern unterstellen konnte, diese Rahmenbedingungen gab es in dieser Form bei dem kleinen Test-Revival natürlich nicht mehr.
 
Man backt jedoch immer noch im Haus und arbeitet mit einem Bäcker und Konditor zusammen, der aber nur tageweise gebucht wird und nicht zur Stammbrigade zählt.
 
Lediglich eine Sorte wurde geboten, dafür aber eine sehr gelungene: ein aromatisches Röstzwiebelbrot mit perfekter Kruste, das nicht besser zum dazu gereichten Gänseschmalz hätte passen können.
 
Und so ist mir eine einzelne, hervorragende hausgemachte Variante immer noch lieber als vier Sorten zugekauftes Mittelmaß.
 
Kurz darauf folgte ein kleiner Gruß in Form einer herrlich knusprig rausgebratenen, relativ dünnen Scheibe eines tadellosen Serviettenknödels, der in seiner Knusprigkeit in positivem Sinne texturell schon beinahe an einen feinen Reibekuchen erinnerte.

Amuse
 
Auch hier war das herzhaft mit Speck aromatisierte Gänseschmalz mit im Spiel sowie neben einem Korallen-Chip etwas Erbsenkresse, die mit ihrem intensiven, süßlichen Erbsengeschmack die salzigen Noten ihrer Tellerpartner harmonisch flankierte.
 
Harmonisch ging es auch im Glas zu, der Brut Nature von Korrell lag 36 Monate auf seiner Feinhefe, ist stolzer Träger des Deutschen Sektpreises 2017, bestach durch Eleganz und aromatischem Schmelz – er kam dementsprechend durchgehend gut an am Tisch.
 
 
 
| 1. Gang |
 
Onsen-Ei | Trüffel-Kartoffelpüree | Spinatschaum

2021 Menguante Rosado, Viñedos y Bodegas Pablo Cariñena, Almonacid de la Sierra , Aragón, Spanien
 
Nachdem der begleitende Rosé gebührend anmoderiert wurde, kam der erste reguläre Gang auf den Tisch.

Onsen-Ei
 
Die lediglich optisch bereichernde Korallen-Hippe kannten wir nun schon vom Amuse, wie auch die Erbsenkresse, dazu ein kleiner, dehydrierter Chip von Chioggia-Rübe, deren charakteristisches Rot-Weiß eigentlich immer recht gefällig wirkt.
 
Das Ei hatte man bei 64,5 Grad 60 Minuten behutsam gegart, das Ergebnis war wie erwartet wachsweich, das Püree hatte man ganz klassisch angelegt, es hätte etwas mehr Butter vertragen können, da bin ich ganz klar im Team Frankreich.
 
Da Pascal Schulte vorab von seinem persönlichen „Referenz-Onsen-Ei“ schwärmte, bei dem unter anderem großzügig mit frischem Alba-Trüffeln gehobelt wurde, war ich natürlich erwartungsvoll was das Thema Trüffel in diesem Gang anging.
 
Leider gab es aber keinen in diesem Gang und auch im Püree war er nur zu schmecken aber mitnichten zu sehen. Meine spätere Nachfrage ergab, dass Bosfood angeblich bei der Lieferung versagt habe und man auf Trüffelbutter ausweichen musste. Schade, auch wenn der Preis des Menüs natürlich als günstig zu resümieren ist.
 
Aber es war ein guter, ehrlicher Trüffelgeschmack und kein penetrant vordergründig künstlicher, es gibt schließlich himmelweite qualitative Unterschiede was derartige Trüffelprodukte angeht, insbesondere was den italienischen Markt angeht.
 
Die im Ofen in Olivenöl konfierten Kirschtomaten hatte man weitgehend naturbelassen und nicht mit Knoblauch und Kräutern erschlagen, was im Kontext des Ganges auch unpassend gewesen wäre.
 
Geschmacklich unauffällig dann der Spinatschaum, das Gericht lebte vom Dreiklang von Ei, leicht getrüffelter Kartoffel und der Süße und Säure der Tomaten.
 
Insgesamt ein in Sachen Aromen eher filigraner Gang, keine Weltsensation in Sachen Komposition und Tellerbild aber auch in Kombination mit dem erfrischenden Rosé aus Aragonien ein durchaus gelungener Start in die regulären Gänge.
 
 
 
| 2. Gang |
 
Steinpilz-Essenz | Mini-Ravioli
 
Solera 1964 Sherry „Old Harvest“, Ximénez Spínola, Jerez de la Frontera, Andalusien, Spanien
 
Ein saisonaler Gang wie aus dem Bilderbuch. Im direkten Vergleich mit dem kürzlich genossenen „Pilztee“ im MAKU Restaurant muss er sich zwar in Sachen Umami-Intensität knapp geschlagen geben, dennoch war diese intensive Essenz ein absoluter Hochgenuss, insbesondere natürlich wenn man Steinpilze ggf. besonders schätzt.

Steinpilz-Essenz

Die mutmaßlich mit einer Masse aus Mascarpone und jungem Pecorino gefüllten kleinen Ravioli sollten auch gefallen, vor allem weil man den Käse auch schmecken und nicht nur erahnen konnte, eine schöne Kombination.
 
Dies kann man auch dem hochklassigen Sherry attestieren, den Schulte vorab besonders passioniert vorstellte und der auch zu einer Oxtail-Clair eine gute Figur gemacht hätte - in der Abteilung Sherry sollte es ohnehin noch spannend werden an diesem Abend.
 
 
 
| 3. Gang |

Tatar vom Simmentaler Rinderfilet | Pumpernickel-Erde | Senfeis
 
2007 Champagner Victor Brut Rosé, Cuveé Chardonnay & Pinot Noir, Henri Mandois, Pierry, Frankreich
 
Für mich das Highlight bislang: sorgfältig handgeschnittenes Tatar vom bayerischen Bio-Weiderind.

Tatar
 
Ich empfand das Gericht auch optisch gelungen mit seinem Fundament aus dehydrierter Pumpernickel-Erde, etwas Blutampfer-Grün und dem bereits bekannten Chioggia-Chip.
 
Man tat gut daran, es nicht zu überwürzen, lediglich etwas grober Steakpfeffer-Mix sorgte für etwas pikante Töne während die Erde und frittierter Grünkohl nicht nur Textur in den Gang zauberten sondern auch geschmacklich bereicherten, insbesondere der Grünkohl wusste am Tisch zu gefallen.
 
Das Dijon-Senfeis war der heimliche Star auf dem Teller und keine der Komponenten, der man anmerkt, dass man lediglich auch hinter der Disziplin „irgendwas mit Temperaturen-Varianz“ einen Haken machen wollte.
 
Und so war ein kombinierter Happen mit allen Bestandteilen wirklich ein großes Vergnügen, danach einen genussvollen Schluck des herausragenden Rosé-Champagners mit seiner feinen Perlage und leicht hefigen Brioche-Noten und man wusste, dass man in diesem Moment zur rechten Zeit am rechten Ort weilte, ganz wunderbar.
 
 
 
| 4. Gang |
 
Steinbuttfilet | Topinambur | Mangold
 
2013 Maritávora Nº 1 Grande Reserva Branco,  Cuvée aus Codega Go Larinho, Rabigato und Viosinho,  Quinta de Maritávora, Freixo de Espada à Cinta, Douro, Portugal
 
Hier zeigt sich die etwas ungewöhnliche Reihenfolge im Menü. Es fühlte sich bislang an wie ein Reigen gelungener Vorspeisen, nun sollte ohne neutralisierenden Sorbet-Gang der Fisch folgen, das Tatar fungierte somit wohl als Fleisch-Hauptgang.


 
Der Steinbutt war von bester Qualität, lediglich in Butter sautiert und auf den Punkt glasig gegart. Er ruhte auf einem Bett von blanchiertem Blutmangold aus dem eigenen Garten des Restaurants.
 
Dazu eine handwerklich tadellose, samtige Topbinambur- Mousseline, die als Halt für teilweise schon hinlänglich bekannte Deko-Elemente dienen sollte.
 
Spannend waren die „Blinq Blossoms“ mit ihrer kristallartigen Erscheinung und leicht salzigem Geschmack, eine aus Südafrika stammende essbare Pflanze, die vom gleichen Lieferanten wie die Erbsenkresse stammt.
 
Nicht ganz verstanden habe ich im Kontext des Gerichtes die Tomate und den frittierten Wirsing, das wirkte ungewollt etwas so, als ob man noch etwas von den vorherigen Gängen übrig hatte und nun irgendwie noch auf den Teller gebracht werden musste. Wirklich gestört haben sie natürlich auch nicht.
 
Ich mochte ihn, den hochklassigen Douro Wein, den Schulte dazu servierte. Aromen von frisch geschnittenem Heu in der Nase, konzentriertes, extraktreiches Gesamtbild, sehr zitrusbetont mit Noten von Ananas und mit einer Kräuter-Note im Abgang endend.
 
Jedoch zeigte sich am Tisch, dass Weißwein aus dem Barrique nicht jedermanns Sache sind, die eigentlich gut eingebundenen Holznoten wurden von einigen gar als sehr störend empfunden.
 
Das war bei mir nicht der Fall, jedoch muss ich in Sachen Pairing auch einräumen, dass mir etwas Leichteres, Frischeres mit mehr Säure auch etwas besser gefallen hätte, um dem Fisch mehr Raum zu geben, auch wenn Steinbutt natürlich einen robusten Eigengeschmack vorweisen kann.
 
 
 
| Dessert |
 
Carrot-Cake | Schoko-Erde | Sanddorn-Eis
 
2016 Rothenberg Riesling Auslese, VDP.Große Lage, Weingut Gunderloch, Nackenheim am Rhein, Rheinhessen, Deutschland
 
Ich bin ja bekannter Weise kein großer Dessert-Fan aber das hat mir Spaß gemacht. Serviert wurden zwei saftige kleine Karottenküchlein mit weihnachtlichen Zimt und Mandelnoten, optisch aufgehübscht mit rotem Velvet-Spray.


Carrot-Cake 
 
Mittig etwas aromatische Schokoladenerde, die man sich in der Textur in etwa wie einen feinen Crumble vorstellen kann, dazu säuerlich fruchtiges Sanddorn-Eis, dem seine kalorisch sündige DNA aus guter Sahne geschmacklich gut zu Gesicht stand.
 
Auch hier bediente man sich im Trendsetter-Sortiment der Firma Koppert Cress für einen kleinen spannenden Farbtupfer: auf der Schokoladen-Erde thronte ein Szechuan Button, eine essbare Blüte die es in sich hatte. Ähnlich wie der bekannte Pfeffer wies sie eine dezente Schärfe auf und sorgte für ein leichtes Taubheitsgefühl auf der Zunge, was einer der Teilnehmer zu spüren bekam, als er das kleine Gimmick zu allererst solo verspeiste bevor Schulte das Gericht in Gänze annonciert hatte.
 
Ein stimmiges Dessert, das mir sehr gut gefiel und obwohl ich Süßweine meist mehr erdulde als genieße, habe ich die abermals hochklassige Begleitung aus einer der Toplagen Rheinhessens durchaus mit Freude getrunken.
 
 
Die zufriedenen Gesichter am Tisch sprachen eine deutliche Sprache, wir waren uns einig gut gegessen und einen schönen Abend verbracht zu haben, der sich langsam aber alles andere als abrupt dem Ende entgegen neigen sollte.
 
Pascal Schulte war in gelöster Gönnerlaune und spendierte noch einen Brandy Criadera Diez, ebenfalls aus dem exklusiven Hause Ximénez-Spínola, diesmal aus einer 1948er Solera.
 
Damit war das Ende der Sherry Fahnenstange aber noch nicht erreicht, ich probierte noch eine echte Rarität, ein Ximénez-Spínola Sherry aus einer 1918 angelegten Solera: süß natürlich, aber nicht ohne Gegenpart, mit unfassbarer Tiefe und den erwartbaren holzigen Leder und Tabaknoten, welch würdevoller, glanzvoller Abschluss.

Sherry: 1918er Solera von Ximénez-Spínola

 
Es bot sich die Gelegenheit für ein nettes Erinnerungs-Teamfoto, das ich lediglich aus dem Grund hier inkludiere, damit man sieht, wie jung das Team war. Küchenchef Mirko Neuenhaus ist gerade erst 22 Jahre alt und allesamt könnte ich mittlerweile spielend Sohn oder Tochter nennen; schluchz, man wird nicht jünger.

das junge Team
 
Das Taxi kam umgehend, wir sollten gegen 23 Uhr wieder zu Hause sein und schon an diesem Abend wusste ich, dass ich bei einer Neuauflage gerne wieder dabei sein würde.
 
 
 
Fazit
 
Auch wenn es unbestritten kleine Schwächen gab, sich die Deko-Elemente gerne wiederholten und hier da und ein wenig Feinschliff in Sachen Plating, Umsetzung und Komposition fehlte, möchte ich diesem blutjungen Team gerne wohlwollende 4,5 Sterne für die erlebte Küchenleistung geben. Auch aber nicht vor allem vor dem Hintergrund des günstigen Menüpreises mit der inkludierten, hochklassigen Weinbegleitung. Wer zu diesem Gesamtpreis lupenreine Sterneküche erwartet, sollte sich dringend Hilfe besorgen.
 
Den Service kann man an so einem Table d’hôte Abend in geschlossener Runde sicher nicht so bewerten, wie im à la carte Tagesgeschäft, dennoch hat das Erlebte nichts Anderes verdient als volle 5 Sterne. Es ist zwar ein banales Detail aber heutzutage freut man sich ja schon, wenn man fröhlich begrüßt wird und sich zuvorkommend um die Garderobe gekümmert wird.
 
Das Ambiente nach wie vor zeitlos elegant und dennoch behaglich, was nicht zuletzt auch am Lichtkonzept liegt. Schon beim Ankommen empfängt einen das Haus in stilvoller Noblesse, ohne je protzig unterkühlt zu wirken: 5 Sterne.
 
Bei Preis-Leistung reichen 5 Sterne eigentlich bei weitem nicht aus, ich denke dazu ist alles gesagt, alleine die Weinbegleitung auf diesem Niveau, dazu noch mit den großzügigen „Add-Ons“, hätte an anderer Stelle mit mindestens 60-70 Euro zu Buche geschlagen, das war sensationell.
 
 
 
Wie erwähnt freue ich mich auf eine Neuauflage, die wohl für den Februar angepeilt ist. Das Gourmet-Restaurant wieder regulär zu betreiben ist nicht geplant, auch wenn in Solingen gerade durch die Neueröffnung des MAKU Restaurants (wen es interessiert: https://www.weine-feinkost.de/unterwegs/2022/11/das-maku-restaurant-in-solingen-ohligs/) gerade ein frischer Wind durch das Fine-Dining Segment weht.
 
Dem Team wünsche ich weiterhin viel Freude am Handwerk und Pascal Schulte auch in Zukunft die Passion für sein Gastgebertum. Denn diese Rolle scheint er zu leben und zu lieben. Und das war in jeder Minute spürbar.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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