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GastroGuide-User: carpe.diem
carpe.diem hat Speisemeisterei · Gourmetrestaurant in 70599 Stuttgart bewertet.
vor 10 Jahren
"Ein wahrlich verdienter Stern"
Verifiziert

Geschrieben am 24.10.2015 | Aktualisiert am 26.10.2015
Besucht am 23.10.2015
Lage,  Anfahrt, Geschichte

Man erreicht das Schloss Hohenheim am einfachsten über die A 8, Ausfahrt 53 b (Stuttgart- Plieningen / Hohenheim). Ab Plieningen ist dann bereits die Universität Stuttgart-Hohenheim ausgeschildert (Achtung, Universität Vaihingen ist eine andere Baustelle).
Das mittelalterliche Gutsgebäude, Sitz der Herren von Hohenheim - deren berühmtester Vertreter
Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim gen. Paracelsus (Arzt, Alchemist, Astrologe, Mystiker, Laientheologe und Philosoph, der die mittelalterliche Medizin quasi auf den Kopf stellte) - ging nach mehreren Besitzerwechseln 1768 auf Herzog Carl Eugen über, der es ab 1772 in ein Wasserschloss umbauen ließ und 1776 zu seiner Sommerresidenz machte.
1818 gründete König Wilhelm I von Württemberg in einem Nebengebäude die Landwirtschaftliche Unterrichts- Versuchs- und Musteranstalt, die Vorläuferin der heutigen Universität Hohenheim. Hundert Jahre später wurde im ehemaligen Kavaliersbau die Mensa der Universität eingerichtet. Sie erhielt bereits damals den bis heute fortbestehenden Namen Speisemeisterei.
Aus der alten Mensa wurde 1985 ein Restaurant, das seit Herbst 2008 der beliebte Vertreter der Kochprofis - Frank Öhler – betreibt. Bereits ein Jahr später wurde seine Speisemeisterei mit einem Michelin Stern ausgezeichnet, den er bis heute in ununterbrochener Reihenfolge gehalten hat.


Ambiente *****
Rechts vom Eingang liegen die Toiletten für Damen, Herren, Behinderte und ein Wickelraum. Dies erwähne ich deshalb, weil die wunderschönen Schattenrisse für die einzelnen Sparten sofort ins Auge stechen.
Dieser erste Eindruck wurde von einer netten Empfangsdame unterbrochen, die meine Reservierung prüfte, die Mäntel abnahm und uns über den sog. Kunstflur, gestaltet mit Kunstfotos der renommierten Künstlerin Iris Caren von Württemberg, an unsere Plätze begleitete. Das moderne, großzügig innenarchitektonische Konzept, ein gelungener Gegenpol zum Rokoko-Stuck des Salons schafft eine angenehme Wohlfühlatmosphäre.
Locker gruppierte, bequeme blaue Polsterbänke und schwarze Lederfauteuils bilden die Basis der frei kombinierbaren Tischgruppen des Salons. Der relativ kleine Raum ist großzügig aufgeteilt, sodass man sich ungehindert frei darin bewegen kann. Jeder Gast hat mindesten 80 cm Sitzbereich zur Verfügung, was sehr angenehm ist. Die drehbaren Sessel kamen meinem Informationsdrang sehr zugute.
Die mit schwarzem Leder(?) bezogenen (Zweier-)Tische waren sehr schlicht eingedeckt. In der Mitte zwei gestärkte Stoffservietten (als tischbreite Röhre zusammengedreht), links und rechts davon je ein Dessertteller mit Obstmesser, ein weißes Schälchen (für Olivenöl zum Brot), ein Dibbern Wasserglas, ein Aperitifglas und eine Vorspeisengabel mit Löffel. Daneben noch zwei gläserne Kerzenständer in Kugelform. Das Silberbesteck natürlich dem Ort angemessen von Robbe und Berking
Diese schlichte Art der Tischdeckung mag ich sehr. Vor jedem neuen Gang wurde der Tisch dezent mit einem kleinen, in silbernem Haft gebundenen Besen gekehrt, sodass man immer am sauberen Tisch saß. Danach wurde das für den nächsten Gang erforderliche Besteck aufgelegt.
Hier ist der Gast wirklich König.

Service *****
Im Raum waren ca. 25 Personen anwesend Die von drei netten jungen Bedienungen und einem Sommelier betreut, die ausnahmslos alle von ihrem Fach was verstanden. Hier lief alles wie am Schnürchen und jeder Wunsch wurde einem von den Augenabgelesen ohne dass man weiter aktiv werden musste. Gleich zu Beginn die Frage ob man schon ein Wasser servieren dürfe und ob es medium oder still sein soll. Eine zweite Kraft legte schon mal die beachtliche, in Leder gebundene Weinkarte (ein DIN A 5 Buck von ca. 2 cm Dicke) und die Speisenkarte vor. Der unbedarfte Neugast sollte nicht über die Preise erschrecken, denn das was nachher kommt ist wirklich jeden Cent wert.
In Anbetracht des riesigen Weinangebotes haben wir es vorgezogen auf den Rat des jungen Sommeliers zu hören und der war wahrlich nicht schlecht. Während unseres dreieinhalb-stündigen Aufenthalts wurden wir nach Strich und Faden verwöhnt. Dieser Service ein Genuss für sich. Ich muss es nochmal sagen, hier gibt es im Service keine Arbeitsteilung, jeder macht alles und auch der Sommelier legt Hand mit an, wenn es darum geht die Gäste gleichzeitig mit dem Essen zu versorgen. Hier gilt offensichtlich das Motto der drei Musketiere „Einer für Alle, Alle für Einen“ und das schätze ich sehr.
Gegen 21:30 Uhr Kam Frank Öhler aus der Küche und machte seine Lokalrunde. An jedem Tisch erkundigte er sich nach dem Wohlbefinden seiner Gäste und ob alles bisher zur Zufriedenheit abgelaufen sei, was ich wahrheitsgemäß bestätigte. Ein kleiner Smalltalk über seine Kochkunst und die Kochprofis folgte. Meine Bemerkung, dass ich seinen realen Service toll finde und seine diesbezüglichen Ratschläge in den TV Sendungen der Kochprofis offensichtlich nicht nur Show seien, nahm er schmunzelnd entgegen.
Nachdem sich der Zeiger meiner Uhr unaufhaltsam in Richtung Midnight bewegte und wir dem Ausgang zustrebten wurden wir dort bereits von der Jungen Empfangsdame mit unserer Garderobe erwartet.
Dies alles ist mir gerne 5* wert.

Die Menüs *****
Vorweg möchte ich sagen, dass der Grund des Besuches eine bedeutende Familienfeier im engsten Familienkreis war und wir deshalb keine Scheu hatten von allen Gerichten zu probieren.
Ein Highlight von A-Z. Wir haben uns alle für das Wahlmenue (114 €) entschieden. So konnte jeder nach seinem Gusto zusammenstellen. Drei von uns ließen den Zwischengang entfallen, was uns einen Preisnachlass von 60 € einbrachte. Wir begannen mit einem

Aperitif
2 x Campari Orange (8,00 €)serviert mit frischen Orangenstücken und 2 x Geigermeisters Sinfonie No 2 ein alkoholfreier Pri Secco der Manufaktur Jörg Geiger (http://www.manufaktur-joerg-geiger.de/), hergestellt aus alten Apfel- und Birnensorten, Sauerkirschen, schwarze Johannisbeeren, Holunder, Quitte, Limette und erlesenen Gewürze. Ein wahrer Opener.

1. Amuse bouche
Dieser Gruß aus Küche kam schnell nach der Bestellung, ein Sellerieschaum abgedeckt mit einem hauchdünnen Gebäck mit Schwarzkümmel.
Es folgte die erste Platte mit drei verschiedenen Brotsorten, einem Tiegelchen mit dem weiß-roten Reichenhaller Salz Gourmet-Kristall das seit Frühjahr in der Speisemeisterei zum Einsatz kommt, Butter und extra vergines Olivenöl zum Eintunken. Passte gut zu den Aperitifs.

2. Amuse Bouche
Dies ließ nicht lange auf sich warten. Ein köstliches Selleriesorbet mit Stücken von Stangensellerie auf einer hauchdünnen Selleriescheibe angerichtet. Ein Genuss für Sinn und Zunge.

Vorspeisen
Jetzt wurde es Zeit für die Vorspeisen. 3 x Coquille St. Jaques (Jakobsmuschel) mit Ingwer und Kürbis. Schon der Anblick löste einen kleinen Zunami in der Mundhöhle aus. Und dann erst der Geschmack, einfach köstlich. Jede Zutat mit ihrem typischen Eigengeschmack, was sich bei der Zusammenführung vortrefflich kombinierte. Den Namen für das „Stroh“ über der Muschel habe ich zwar erfragt, aber leider vergessen zu notieren.

Zwischengänge
Nun waren die beiden Zwischengänge an der Reihe. Mein Sohn hatte sich für die Krebsschaumsuppe aus Flusskrebsen mit Saibling entschieden den ein „2012 Tesoldego“ vom Weingut Foradori, Trentinbegleitete. Seine Partnerin hatte sich das vegetarische Angebot entschieden, die Broccoli-Blumenkohl-Lasagne. Beides optisch und geschmacklich perfekt präsentiert.

Hauptgänge
Als nächstes wurde ein stabiler Servierwagen mit der Dorade im Salzmantel aufgefahren. Es war schon imposant zuzusehen wie sich die Bedienung mit Sägemesser und Kraft daran machte die Salzkruste zu knacken was ihr letztendlich gut gelang. Schließlich lagen ein beachtliches Filet auf dem gut vorgewärmten Teller und ein Bäckchen auf dem Tellerrand. Das dazu servierte Gemüse, die Kürbisgnocchi und die Noilly Prat Soße, eine perfekte, wohlschmeckende Kombination (die Soße wurde in einer Sauciere gereicht und wurde von mir selbst drüber gegossen). Die Dorade war topfrisch, sehr saftig und mit dem ihr typischen Eigengeschmack. Ein Fischgericht wie ich es bisher nur auf den Kanaren bekommen habe.
Zur Dorade mundete vorzüglich das „2012 Malterer Cuvee“ vom Weingut Huber in Malterdingen (http://www.weingut-huber.com/). Das Cuvee setzt sich zusammen aus weißem Burgunder und Freisamer, einer Rebsorte, die durch Kreuzung von Ruländer und Silvaner entstanden ist.
Auch mein „2013 Große Reserve Spätburgunder Rosé“ vom Weingut Aldinger (http://www.weingut-aldinger.de/) passte ausgezeichnet.

Während der Fischzeremonie wurden auch die beiden anderen Hauptgerichte serviert Ein Dry Aged Filet vom Black Angus Rind und Steinpilzen. Ein ordentliches Stück Fleisch, perfekt medium (sous vide) mit millimeterstarkem krossen Rand. Das Fleisch schmeckte köstlich und zerging förmlich auf der Zunge. Begleitet wurde dieses Gericht von einem tief dunkelroten Wein mit köstlicher Fruchtnote „2010 Grand Cru Scho…“ (der Rest ging leider verloren).

Der vegetarische Hauptgang Artischocke mit Kartoffeln, Pilzen und Spinat, dem Vernehmen nach ebenfalls sehr delikat.

Zu unser aller Überraschung folgte nun noch ein

3. Amuse Bouche ein Basilikum Sorbet, das der Schlusspunkt hätte sein können, wenn uns der Goldstern von Bedienung nicht noch einen Espresso auf‘s Haus angeboten hätte.

Als guter Schwabe kann man da schließlich nicht nein sagen. Zudem ritt mich ein kleiner Gourmetteufel. Ich wollte wissen wie sie auf meinen Sonderwunsch auf einen kleinen Schuss Sambuca zum Espresso reagiert. Erst war sie etwas verdutzt und wollte nachschauen ob sowas im Hause ist. Postwendend kam sie mit einer Flasche Sambuca von Molinari zurück, goss den Schuss in meinen Espresso und sagte.“ Das muss ich bei Gelegenheit auch mal probieren“ (1:0 für das Mädchen).
Zwischenzeitlich war eine Kollegin mit einem Veführungswagen am Tisch gelandet. Darauf fand man hausgemachte Pralinen, Baumkuchen und andere kleine Leckereien zum Kaffee.
Weiter befanden sich darauf seltene Destillate, auf die wir (bis auf einen) leider verzichten mussten. Der ließ sich vom mit einem Destillat aus roten Stachelbeeren von Geiger verführen. So konnten wir alle wenigstens eine Nase davon nehmen bzw. daran nippen, einfach berauschend, ein bis dahin unbekannter Taste.

Sauberkeit
Das Lokal und die Toiletten sind peinlich sauber, nicht mal ein verirrter Wasserspritzer ist auf den Becken auszumachen. Für die weißen textilen Gästehandtücher steht ein großer Behälter in Form einer Vase bereit.
 
Zum PLV und Fazit
Für diesen Abend habe ich insgesamt 520 € hingeblättert von denen ich wegen der hervorragenden Leistung keinen einzigen Cent bereue. Gerne komme ich wieder. An dieser Stelle nochmals ganz herzlichen Dank an Frank Öhler und sein Team. Sie haben aus meiner Begleitung drei neue Fans gewonnen.

PS. Leider sind nicht alle Fotos perfekt geraten. Hab ein neues Handy und da haperts noch ein bisschen
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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