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Der Name „Brook“ bedeutet so viel wie Moorland bzw. Marschland und bezeichnet einen permanent feuchten, oft auch gefluteten, sumpfigen Ort. Man weiß ja, dass es früher zwischen den Fleeten in den Elbmarschen recht sumpfig zuging. Kein Wunder also, dass sich der Name des Lokals von der gegenüberliegenden Straße in der Speicherstadt ableitet.
Das Restaurant „Brook“ lässt sich ziemlich genau an der Grenze zwischen Speicherstadt und Altstadtkern verorten. Hier an der Ecke der Straßen Steckelhörn und Bei den Mühren, quasi direkt am Zollkanal und unweit der St. Katharinenkirche gelegen, führt der mittlerweile 50jährige Küchenchef Lars Schablinski zusammen mit seiner Frau Berit seit September 2002 sein eigenes Restaurant als Familienbetrieb. Nach Lehrjahren unter renommierten Spitzenköchen wie Josef Viehhauser („Le Canard“ in Hamburg) und Eckart Witzigmann („Aubergine“ in München) zog es ihn zuerst 10 Jahre lang nach Lübeck, ehe er vor 14 Jahren wieder in seine Geburtsstadt zurückkehrte.
Laut Beschreibung auf der Homepage will man dem Gast eine „anspruchsvolle, kreative Frischeküche“ bieten. Diese soll sich durch ein hohes handwerkliches Niveau bei der Verarbeitung von Top-Produkten in gemütlichem und ungezwungenem Ambiente auszeichnen. So das nachzulesende Motto der Inhaber. Das klang im Vorfeld sehr spannend und dementsprechend hoch war auch unsere Erwartungshaltung. Vielleicht zu hoch.
Das mehrstöckige Haus, in dessen Erdgeschoss sich das „Brook“ befand, erhielt wohl gerade einen neuen Anstrich, weshalb seine Fassade an unserem Besuchsabend nahezu komplett in ein Gerüst gehüllt war. Eine warme, schon leicht ins schummrige übergehende Beleuchtung drang durch die hohen Fenster auf beiden Seiten der Straßenecke und hieß uns stimmungsvoll willkommen. Der Empfang war freundlich und eine der jungen Servicedamen wies uns den Weg zu unserem Fensterplatz, den ich schon bei der Reservierung zum Wunschort erklärte. Der Blick von hier auf die gegenüberliegenden, angestrahlten Gebäude der Speicherstadt war wirklich nicht zu verachten.
Es blieb genügend Zeit, sich erst einmal mit den äußeren Gegebenheiten vertraut zu machen, denn die Bedienungen hatten aufgrund der guten Auslastung des Lokals alle Hände voll zu tun und gaben uns ausreichend Zeit zum Ankommen. Geschätzte 60 bis 70 Gäste würden wohl im Inneren des „Brook“ Platz finden, so mein erster Eindruck. Die Tische waren sehr ansprechend eingedeckt. Weißes Leinen, Zweifachbesteck, aufpolierte Wein- und Wassergläser, schnörkellose Stoffservietten, dezente Winterdeko und flackernde Teelichter sorgten für eine aparte Tischästhetik. Vom kleinen Brotteller kündete der eher unauffällige Schriftzug „Brook“ vom Ort des kulinarischen Geschehens.
Die meisten der in dunklem Holz gehaltenen Stühle hatten Armlehnen. Daneben sorgten gepolsterte Wandbänke mit Lederbezug für Sitzkomfort. Auf der gegenüberliegenden Seite entdeckte ich eine Anrichte mit kleiner Digestif-Sammlung. Die Wand hinter dem weißlackierten Tresen funkelte weinrot. Viel indirektes Licht, das von kleinen Spots und goldenen Wandlampen erzeugt wurde, tauchte den Raum in schummriges Halbdunkel. Kaum Bilder waren an den graphitgrauen Wänden zu sehen. Der dunkelgraue Fußboden wurde lediglich mit einem roten Läufer zum Leben erweckt. Dezentes Pflanzengrün setzte ein paar vitale Farbtupfer.
Die Speisenkarten wurden uns von der freundlichen, immer etwas schelmisch grinsenden (männlichen) Bedienung gereicht. Darin waren das tagesaktuelle Menu in 4 bzw. 5 Gängen (35 bzw. 39 Euro) sowie eine ordentliche Auswahl an Vor-, Haupt- und Nachspeisen gelistet. Asiatische und mediterrane Einflüsse ziehen sich wie ein roter Faden durch Schablinskis „Kreuzüberküche“, die sich nur schwer in eine kulinarische Schublade stecken lässt. Gebeizter Lachs „Hong Kong-Style“ (13,50 Euro), Edelpilz-Ravioli mit grünem Spargel (15,70 Euro) und Lammcarrée mit Parmesankartoffeln und Schneidebohnen (24,00 Euro) stehen beispielhaft für das abwechslungsreiche Repertoire des Küchenchefs.
Eine Flasche Wasser (San Pellegrino, 0,75l für urbane 7 Euro) und ein kühles rotblondes Duckstein (0,5l für 5 Euro) wurden geordert. Mein Weindurst war nach dem weihnachtlichen Konsum diverser roter Kreszenzen von der iberischen Halbinsel („jaja, der Marques de…“) fürs Erste gestillt. Meine Begleitung entschied sich für das viergängige Menü, das aus Thunfischtatar, Doraden-Filet auf Paprika-Chorizo-Fregola-Sarda, Barbarie-Entenbrust auf Risotto und einer Dessertvariation bestand. Das klang doch schon sehr vielversprechend. Mein Hunger fiel an diesem Abend etwas geringer aus (das China-Büffet vom Mittag hielt sich scheinbar wacker), weshalb meine Wahl auf die asiatische Vorspeisenvariation (13,90 Euro) sowie die Spaghetti mit Scampi, Chili, Frühlingslauch und Tomate (14,90 Euro) von der Standardkarte fiel.
Der kulinarische Teil des Abends begann mit einem kleinen Gruß aus der Küche, einem mit Ziegenkäse gefüllten Wantan auf Ananas-Mango-Chutney. Der Serviceschelm brachte vorsorglich zwei Biergläser zur hanseatischen Duckstein-Teilung. Er ahnte wohl das Faible meiner Begleitung für „Obergäriges“. Der klein geschnippelte Thunfisch (erster Menü-Gang) und meine Kungfu-Platte wurden zeitgleich serviert. Qualität und Frische des Tartars waren absolut bemerkenswert. Leichte asiatische Noten (Koriander?) machten das in typischer Zylinderform aufgeschichtete Rohfischtürmchen zu einer delikaten Vorspeise, das aufgrund seiner übersichtlichen Portion noch genügend Raum für die kommenden Gänge ließ.
Mein asiatisches Vorwegarrangement bot einen netten Querschnitt gängiger Gourmandisen aus Fernost. Vom Mini-Rindfleisch-Saté-Spieß über ein Teigtäschchen mit herzhaftem Currygeschmack bis hin zur Garnele im Tempurateig war das ein äußerst abwechslungsreiches Asia-Ensemble. Ein paar Saucentupfer (Curry, Meerrettich), eine selbstgemachte Teriyaki-Sauce im Schälchen, ein Klecks Mango-Ananas-Relish und ein Häufchen scharf gewürzter Weißkohl komplettierten den Teller, in dessen Mitte eine gehaltvolle, mit Hackfleisch und Gemüse gefüllte Frühlingsrolle aufgeschnitten thronte. Geschmacklich einwandfrei, aber kulinarisch durchaus überschaubar und leider ohne großen Aha-Effekt waren das Mini-Ausführungen von „alten Bekannten“, die da etwas verloren auf dem Teller ihrer Verspeisung harrten. Ach ja, und etwas liebevoller hätte man diese Kombination auch anrichten können.
Der zweite Gang meiner Begleitung klang richtig lecker und sah auch auf dem Teller so aus. Jedenfalls das, was man in unserer dunklen Ecke des Gastraumes von ihm erkennen konnte. Ich hatte aufgrund der schattigen Lage unseres Tisches größere Probleme beim Fotografieren der Speisen. Nur durch Verrenkungen (was wohl die russische Delegation am Nachbartisch dachte?) waren Aufnahmen von der Seite möglich, was jedoch zu unschönen Schattierungen auf den Bildern führte. Egal, zurück zum Wesentlichen, dem perfekt gebratenen und sehr homogen gewürzten Doradenfilet vom Menü. Frischer geht wohl nicht – so unsere knappe Analyse vor Ort. Leider fiel seine Basis, die mit Paprika und Chorizo verfeinerte „Fregola Sarda“ (Nudelkügelchen-Spezialität aus Sardinien) etwas zu fad aus. Als bekennender Fan der sardischen Küche bin ich da wahrscheinlich etwas zu anspruchsvoll. Die beiden den Fisch flankierenden, mit Fleur de Sel besprenkelten „Pimentos de Padron“ hatten da schon mehr Temperament.
Nach angenehmer Verdauungszeit wurden die Hauptgänge serviert. Was die „Fregola sarda“ an Würze zu wenig bekommen hatten, wurde beim Risotto leider überkompensiert. Ich unterstelle Chefkoch Schablinski keine Verliebtheitsattitüde, aber derjenige, welcher das Reisgericht abgeschmeckt hatte, schien auf dem salzigen Geschmacksnerv anscheinend blind (oder taub? oder beides?) zu sein. Schade, denn die Barbarie-Ente war à point gebraten und von erdig-kräftigem Geschmack. Zusammen mit dem desaströsen Risotto hatte das Ganze leider einen unerwünschten „Hautgout“ oder wie man im Ländle sagt „oi Gschmäckle“. Dafür konnte jedoch die sauber tranchierte Brust von der domestizierten Warzenente recht wenig, der Risotto-Rabauke in der Küche wohl schon eher.
Meine Spaghetti waren dagegen eins a. Noch leicht bissfest von der Konsistenz und herrlich „aro(to)matisch“. In dem Nudelhäufchen tummelten sich jede Menge Scampis. Der wellig geformte Teller weckte zusätzlich mediterrane Gefühle in mir. Mittelmeer-Rauschen mit Blick auf die Speicherstadt – so geht Dezember in Hamburg, dachte ich im Stillen.
Die Nudelportion war ordentlich bemessen und ließ leider keine expliziten Dessertwünsche meinerseits mehr zu. Aber meine Begleitung hatte ja noch die Variation vom Menü. Da würde ich sicherlich ein wenig Süßes für den Gaumen abgreifen können, so der Plan. Bei dem Nachtisch zum Menüausklang handelte es sich um ein etwas einfallslos angerichtetes, süßes Trio, das aus einer Nocke Mohnmousse, zwei dünnen Prismen Piña Colada Parfait sowie einem Mini-Grießknödel auf einem Klecks Aprikosen-(oder Mango?)-Chutney bestand. Sehr seriös und durchaus lecker, aber beim Dessert hätte sich die Kreativabteilung (und dazu zähle ich den Posten des Patissiers eines solchen Restaurants durchaus) etwas mehr Mühe geben können. Da fehlte mir schlichtweg das Besondere.
Genauso ging es mir bei der Weinkarte. Um die 50 Positionen waren da im Angebot. Altbekanntes aus Frankreich, Italien und Spanien. Meine Weinheimat, die Pfalz, mit einer Flasche Riesling regelrecht unterrepräsentiert. Die Preise lagen im offenen Ausschank um die 7 Euro fürs „falsche Viertel“ (0,2 Liter), während der günstigste Flaschenwein mit 26 Euro zu Buche schlug. Hier fehlte es mir einfach an Profilschärfe. Klar gilt es, ein möglichst großes Spektrum abzudecken, aber etwas mehr Mut zu deutschen Spitzengewächsen – gerne auch von unbekannten, jungen und teilweise recht „schrägen“ Winzertypen – wäre da durchaus „State oft the Art“.
Gar nicht so meine Art war die gewollt lustige, teilweise zum Flapsigen tendierende männliche Bedienung. Sprüche wie „Sie wollen sich finanziell verändern?“ auf die Frage nach der Rechnung wirken auf mich immer etwas abgehalftert. Gut, dass wir von mehreren Servicekräften umsorgt wurden. Da war der eine „Spaßvogel“ durchaus verschmerzbar.
Trotz ein paar Kleinigkeiten stand das im „Brook“ Gebotene durchaus in einem guten kulinarischen Licht. Das Essen war absolut seinen Preis wert. Etwas mehr Risiko beim Weinangebot und ein wenig mehr Sorgfalt beim Abschmecken hätten den Besuch noch etwas genussvoller gestaltet. Trotzdem ist das, was Lars Schablinski und sein Team hier bieten à la Bonheur, zumal mich allein der dauernde Wechsel des Tagesmenüs schon den Hut ziehen lässt.