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GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Restaurant Zum Ochsen in 76227 Karlsruhe bewertet.
vor 7 Jahren
"Geschichtsträchtiges Haus mit klassisch französischer Feinschmeckerküche, entsprechend stolzer Preispolitik und ganz viel Tradition"
Verifiziert

Geschrieben am 22.02.2017
Besucht am 11.02.2017 Besuchszeit: Mittagessen 4 Personen
Ganz ehrlich, die neuerlichen 6 Gusto-Pfannen, die „besonders attraktive Weinkarte“ und der Michelin Teller, der eine Küche mit guter Qualität attestiert, haben mich nicht nach Durlach gelockt, um im traditionsreichen „Ochsen“ in sehr komfortablem Ambiente zu tafeln. Der farbenfrohe und wunderbar geschriebene Bericht des Bremer Gaumenlyrikers und auswärts alleine Essers „Borgfelder“  weckte mein Interesse für Durlachs erstes Haus am Platz. Als dann auch noch mein Vater eine Einladung für das dortige Mittags-Menü in Aussicht stellte, wurde aus der Erwägung eines Besuchs ein echter Plan, den wir an einem Samstagmittag im Februar mit vier Personen umsetzten.  

Früher, als ich manchmal in der ganz in der Nähe befindlichen, gutbürgerlichen Obermühle einkehrte (ein ehemaliger Schüler von mir wurde dort zum Koch ausgebildet, Anm.), fuhr ich durch die Pfinzstraße direkt am „Ochsen“ vorbei. Schon damals wusste ich um den guten Ruf des Hauses, aber auch um die gehobenen Preise, die einen dort erwarten würden. Nun, von klassisch-französischer Produktküche hielt ich zu dieser Zeit noch herzlich wenig. Früher war mir das scharfe, reichlich portionierte Zigeunerschnitzel von der Obermühle ehrlich gesagt lieber.

Gerade in letzter Zeit hat es mich in kulinarischer Hinsicht ein paar Mal in die badische Fächerstadt verschlagen. Dass es dort sensationelles Dry-Aged-Beef, hochwertige Homemade-Burger und asiatisches „i-pad-all-you-can-eat“ zu verputzen gibt, wusste ich. Die altehrwürdige Gourmet-Etage der zweitgrößten Stadt Baden-Württembergs hatte ich dagegen noch nicht betreten. Aber das sollte sich ja ändern.

Wir parkten ums Carré, sozusagen mitten im Wohngebiet, da die Abstellmöglichkeiten für Pkws an der vielbefahrenen Pfinzstraße als sehr spärlich bis nahezu nicht vorhanden bezeichnet werden können. Dem etwas in die Jahre gekommenen Gasthaus täte ein neuer Anstrich ganz gut, so mein erster Eindruck, der beim Anblick der abgenutzten, schon etwas abblätternden Fensterläden entstand. Der leicht heruntergekommene Anschein der Außenfassade löste sich beim Betreten der Räumlichkeiten jedoch sehr schnell in Wohlgefallen auf. Wir wurden von einem gut aufgelegten, männlichen Service-Duo in Anzug und Krawatte in Empfang genommen und sogleich um unsere Jacken und Mäntel erleichtert.

Mein Vater hatte einen Tisch im hinteren Gastraum, der etwas tiefer liegt, reserviert. Der komplette vordere Bereich war schon für eine größere Gesellschaft am Abend stilvoll eingedeckt, so dass an diesem Samstagmittag nur das „Souterrain“ belegt wurde. Das Interieur im Ochsen wirkt weder modern, noch besonders altmodisch. Holzvertäfelte Wände, lindgrüner Teppichboden, in Holz eingefasste Deckenspiegel, Hochlehner mit Korbgeflecht und Punktmuster auf den Polsterbezügen, nostalgische Steh- bzw. Tischlampen auf den Fenstersimsen, Genussdevotionalien und Geschirrandenken aus Porzellan hinter verglasten Eckschränken, dezente Acryl-Kunst an den Wänden, spärliches Grün auf Tischen und Holzbänken sowie die klassisch mit weißem Leinen eingedeckten Tische mit Zweifach-Besteck und Brottellerchen tauchen den Gast in eine zeitlose Gastrosphäre, deren geschichtsträchtiges Gemäuer vielleicht nostalgisch, aber keineswegs patiniert anmutet. Old-School-Gourmets und Freunde gehobener Gastlichkeit früherer Tage fühlen sich im Durlacher „Ochsen“ gut aufgehoben. Das war schon anhand des etwas gehobenen Durchschnittsalters der Gäste an jenem Samstagmittag feststellbar. Die mit den aktuellen Food-Trends gehende, im Schnitt etwas jüngere Klientel der Casual-Fine-Diner wird die Atmosphäre wohl eher als zu steif und zu förmlich empfinden. Aber die sitzen ja eh lieber im „Kesselhaus“, „EigenArt“  oder „Livingroom“ und brauchen weder Weinbibel noch Produktfetischismus.

Womit ich beim kulinarischen Angebot angelangt wäre. Ganz der traditionellen französischen Hochküche verpflichtet, sind es in erster Linie die preistreibenden Edelprodukte, die mir auf der zweiseitigen Speisenkarte in Übergröße ins Auge stechen. Austern, Wachtelbrüstchen, Périgord-Trüffel, Wildfang-Steinbutt, Osiétra-Kaviar, Entenleber und Kalbsbries künden vom hohen Produktanspruch, der hier vorherrscht. Chefköchin Anita Jollit, die seit über 35 Jahren die kulinarischen Geschicke in der Küche leitet, weiß genau, auf welche Viktualien ihre Gäste abfahren. Die Preisspanne reicht bei den Vorspeisen von 18 (Langustinenschaumsuppe) bis 48 Euro (Trüffel-Carpaccio), bei den Hauptspeisen wird bei 33 Euro eingecheckt (Wildfang-Loup de Mer) und bei 42 Euro ist Schluss (Weißer Atlantik Colin mit Trüffelhaube). Daneben wird ein monatliches Menü in 4 Gängen für 73 Euro angeboten. Natürlich flankiert von Küchengrüßen und Petits Fours, die sie hier „Mignardises“ nennen.

Unser preisgünstiges Mittagsmenü (34 Euro) bestand aus 3 Gängen, ebenfalls akkompagniert von den üblichen kleinen kulinarischen Aufmerksamkeiten zum Auftakt und zur Verabschiedung. Bei der Hauptspeise konnte man wählen zwischen Filet d‘ Aiglefin (Schellfisch-Filet) im Brickteig mit Gemüse in leichtem Curry-Rahm sowie dem kurzgebratenen Onglet vom Rind mit Rotweinschalotten, Tagliatelle und geröstetem Blumenkohl. Vorneweg gab es ein Tafelspitz-Carpaccio mit Fenchel-Chiffonade (Fenchelstreifen) und Meerrettich-Vinaigrette. Den süßen Abschluss stellte ein Schokoladen-Bonbon auf Apfelkompott dar. Da wir alle wegen dem Mittags-Menü gekommen waren, musste nur der Hauptgang entschieden werden. Bei uns am Tisch ging dreimal der Schellfisch und einmal das Onglet, das ich trotz (oder gerade wegen?) des Abratens meines Vaters, der dem Nierenzapfen eine sehr faserige Konsistenz bei einem seiner letzten Besuche im „Ochsen“ attestierte, unbedingt probieren wollte. Mir kam automatisch das irrtümlich eingedeckte Laguiole-Messer, mit dem der Herr Borgfelder seinen Seehecht hätte schneiden sollen, in den Sinn. Hier würde ich es vielleicht brauchen können.

Der Sommelier aus dem Elsass und sein Kollege mit dem weißen Servierhandschuh merkten wohl, dass hier Mittagsmenü-Esser ohne Flaschenwein-Ambitionen zugegen waren. Man bediente uns routiniert freundlich, erklärte die französisch klingenden Hauptgerichte und schwirrte beschäftigt von Tisch zu Tisch im sich sukzessive füllenden Gastraum. Das vom Weinhüter Schwentzel gereichte Buch hatte eine beeindruckende Auswahl an Flaschenweinpositionen gelistet. Der Schwerpunkt lag klar auf dem Mutterland des Patrons Gérard Jollit, unserem Nachbarland Frankreich. Alles andere hätte mich auch gewundert. Doch auch eine Vielzahl von weißen Kreszenzen aus Baden und dem benachbarten Elsass sind auf der vom Wine Spectator ausgezeichneten Karte vertreten. Pfälzer Tropfen sucht man hier vergeblich. Dafür stapeln sich im Weinkeller des Ochsen die Premier Crus aus dem Burgund sowie die Premier Crus Classés aus dem Bordeaux mit so klangvollen Namen wie Château Latour oder Château Pétrus (bei letzterem ist man mit 5200 Euro dabei…).

Klar lässt man sich auch beim Champagner-Angebot nicht lumpen. Auch da ist alles vertreten was Rang und Namen hat. Zu entsprechenden Preisen, versteht sich. Grundsätzlich finde ich solche Weinkarten interessant, aber nicht unbedingt ansprechend. Sind mir doch die angebotenen Weine schlichtweg zu hochpreisig. Die Namens- bzw. Etikett-Trinker haben wahrscheinlich ihre Freude daran, mir dagegen würde eine größere Auswahl an Flaschenweinen von jungen, unbekannteren Winzern (gerne auch aus der Gegend), die unterhalb der 30-Euro-Marke rangieren, eher zusagen. Aber die Weinkorrespondenz ist schließlich ganz auf die klassisch-französische Ausrichtung des Restaurants ausgelegt und somit absolut nachvollziehbar. Außerdem gibt es ja noch die Möglichkeit, die Flaschen zu geringeren „Mitnahme-Preisen“ in der gut sortierten Vinothek zu erstehen.

Vom eher übersichtlichen Angebot an offenen Weinen wählte ich einen kraftvollen Roten aus dem Languedoc für 11 Euro das Viertel. Er erschien mir passend zum Onglet. Nichts Außergewöhnliches, aber guter südfranzösischer Standard, wenn auch ein paar Euro zu hoch kalkuliert.

Die Küche grüßte zweifach mit einer feinen Fischsülze und einem schaumig geschlagenen Blumenkohlsüppchen aus der Espresso-Tasse. Dazu reichte man knusprig frisches Baguette und etwas Butter, die sich unter einer putzigen silbernen Cloche befand. Fleur de Sel und etwas grob gemahlener Pfeffer flankierten die Auswahl an Gaumenkitzlern. Anscheinend kommen die Suppen im Ochsen grundsätzlich eher zu(?) heiß in die Teller bzw. Tassen. Genau wie Borgi verbrannte ich mir am nicht besonders intensiv schmeckenden Schaumsüppchen die Zunge. Ich gebe ihm Recht: hier wäre ein kleiner Hinweis des Kellners durchaus angebracht gewesen.

Nach angenehmem Zeitvertreib mit den Leckereien zum Einstieg, wurde uns die Vorspeise serviert. Der dünn aufgeschnittene Tafelspitz präsentierte sich in herrlich mürber Konsistenz und war von tadelloser Fleischqualität. Der Meerrettichsauce hätte meiner Ansicht nach ein Tick mehr Schärfe gut getan. Die Fenchelstreifen on Top brachten zusätzlich ein wenig Frische auf den Teller und sorgten für ein stimmig-harmonisches Geschmacksbild, dem jedoch leider etwas die Ecken und Kanten fehlten. Insgesamt eine solide Interpretation des Klassikers aus der Wiener Küche und von der Portionsgröße her so arrangiert, dass im Magen noch genügend Platz für die beiden folgenden Gänge war.

Schade, dass der Service bei der Brotversorgung unseres Tisches nicht ganz so auf Zack war, wie das eigentlich in solchen Häusern der Fall sein sollte. Wir mussten erst nachfragen und im Anschluss lange darauf warten. In den Schilderungen meines geschätzten Bremer Kollegen war gar von „versuchter Brotentführung“ die Rede. Nun, der etwas stiefmütterliche Umgang mit dem gebackenen Grundnahrungsmittel und Essensbegleiter sollte nur als kleiner Kritikpunkt des ansonsten sehr umsichtigen Service-Teams verstanden werden.

Es kamen die Hauptgänge. Dreimal Schellfisch im Brickteig für meine Begleiter und das Onglet für mein Carnivoren Alter Ego. Da lag es schon neben mir, das von Borgi erwähnte Laguiole-Messer. Ein leichtes Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Der Duft von in Rotwein geschmorten Schalotten wetteiferte mit den Röstaromen des Fleisches um die Gunst des Genießers. Das Fleisch des Nierenzapfens, auch Hanging Tender genannt, eignet sich ja hervorragend zum Kurzbraten. Der weiche, eher grob strukturierte Muskel kam medium auf den Teller, an mancher Stelle sogar noch etwas zum Blutigen tendierend. Es war mein erstes Onglet, dessen kräftiger Fleischgeschmack sehr gut zu den geschmorten Schalotten in dunkler Rotweinsauce passte. Man musste schon ein wenig kauen, was mich aber nicht störte, schließlich bin ich kein „Filet-Zuzzler“. Die Tagliatelle sahen eher aus wie Linguine, harmonierten aber gut mit dem saftigen Kronfleisch und dem leicht angerösteten, noch ein wenig bissfesten Blumenkohlröschen. Ein Hauptgang ohne Fehl und Tadel. Bodenständige französische Bistro-Küche – handwerklich sauber gekocht und ohne Gefrickel schnörkellos auf den Teller gebracht. Meine Leute am Tisch schienen ebenfalls sehr zufrieden mit ihrem Hauptgang. Ihr Schellfisch im Brickteig hatte den perfekten Gargrad und das begleitende Gemüse stand meinem Blumenkohl in nichts nach. Auch hier kein unnötiges Chichi auf dem Porzellan, sondern solide und sorgfältig zubereitete Fischküche. Portionsmäßig ging das absolut in Ordnung. Sprich, es war noch Dessertspielraum vorhanden.

Dieses kam in Form eines ansehnlichen, mit Schokolade gefüllten „Teigbonbons“, das auf einem Klecks Apfelkompott thronte, an den Tisch. Die Idee, dem Teigbeutel mit Schokofüllung noch einen ordentlichen Karamell-Spiegel auf dem Teller zu spendieren, um den Süßegrad des Desserts noch weiter auf die Spitze zu treiben, empfanden wir als ein eher eindimensionales und viel zu süßes Geschmackserlebnis. Da fehlte es an Ausgewogenheit und Harmonie. Frische und fruchtige Akzente hätten dem Nachtisch gut getan.

Als hätte es mit den Süßigkeiten noch nicht gereicht, wurden uns vor dem Kaffee noch ein paar Petit Fours serviert. „Mignardises“ nennen die Franzosen solches Naschwerk, das hier in Form von Erdbeer-Creme, Schoko-Küchlein, Cannelés und Marshmallow-Quader eine längliche Platte zierte.

In der Summe gab uns das „Schnäppchen-Menü“ einen ersten Einblick in die Ochsen-Küche, wenn auch mit angezogener Produktbremse. Dass man hier auch farbenfroh das Savoir-vivre zelebrieren kann, hat der Bremer Genussspecht in seinem Bericht ausdrucksstark dargelegt. Der nostalgische Charme des Restaurants, die Art und Weise wie man hier bedient wird und die klassische französische Küche ergeben zusammen ein stimmiges Gesamtbild, das natürlich seinen Preis hat. Mir erscheint er ein wenig zu ambitioniert. Wer aber auf die kulinarischen Tugenden des alten Frankreich abfährt, wird hier nicht nur jede Menge Geld los, sondern auch richtige Gaumenfreuden erleben.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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