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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac einen Beitrag zum Restaurant Zur schönen Aussicht in 42659 Solingen geschrieben.
vor 1 Jahr
"„Küchenparty“ in Solingen Oberburg: über einen Abend mit vielen Fragezeichen"

Geschrieben am 12.03.2023 | Aktualisiert am 13.03.2023
Wir befinden uns im Solinger Stadtteil Burg an der Wupper, Stätte meiner Kindheit und Jugend, mein Elternhaus steht dort.
 
Den Bergischen muss man sicher nicht erklären, was es damit auf sich hat und auch überregional genießen das namensgebende Schloss und die dortigen Veranstaltungen durchaus einen veritablen Bekanntheitsgrad.
 
Für die hiesigen Leser dennoch vorab ein paar Zeilen zur touristischen Historie des sich in Ober- und Unterburg gliedernden Stadtteils Solingens, bis zur Gebietsreform und Eingemeindung von 1975 war Burg mit zuletzt rund 2000 Einwohnern eine der kleinsten Städte in Nordrhein-Westfalen.
 
Ein Ort mit gastronomischer Tradition
 
Die Geschichte des Tourismus in Schloss Burg begann im späten 19. Jahrhundert, als die Burg für Besucher geöffnet wurde. Zunächst war der Zugang nur begrenzt möglich, da das Schloss noch in Privatbesitz war. Aber im Laufe der Zeit wurde das Interesse an der Burg immer größer, und schließlich wurde sie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
 
In den 1920er und 1930er Jahren wurde Schloss Burg zu einem beliebten Ausflugsziel für die Menschen in der Umgebung. Es wurden viele Veranstaltungen organisiert um Besucher anzulocken, darunter Konzerte, Theateraufführungen und Mittelalterfeste. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Burg beschädigt, aber später restauriert und wieder für Touristen geöffnet.
 
Ab den 1950er Jahren erlebte Schloss Burg, und damit auch die Ortsteile Ober- und Unterburg, einen erneuten Aufschwung im Tourismus. Es wurde ein Museum eingerichtet, das die Geschichte der Burg und ihrer Umgebung dokumentierte. Besucher konnten nun auch an geführten Touren teilnehmen, um mehr über die Burg und ihre Geschichte zu erfahren.
 
Heute ist Schloss Burg eine der wichtigsten Touristenattraktionen in der Region, zieht jedes Jahr unzählige Besucher an und ist auch ein beliebter Ort für Hochzeiten und andere Festivitäten.


 
Aber vom Glanz alter Zeiten ist man in Burg, das dementsprechend in Sachen Gastronomie und Hotellerie mit den Jahrzehnten auf eine reiche Tradition zurückblicken kann, leider weit entfernt.
 
Corona und die Baumaßnahmen der letzten Jahre haben hier sicher eine Rolle gespielt, aber gastronomisch habe ich außer Waffel- und Ausflugsküche auch schon vorher nichts wirklich Lohnendes wahrgenommen und auch die Zahl der Betriebe nahm ab. Gerade Unterburg machte einen traurigen Eindruck, insbesondere wenn man den Ort lange kennt, denn ich bin hier aufgewachsen.
 
Wehmütig denkt man da an die Jahre, in denen ein Haus Striepen noch mit gehobener Klassik auswärtige Gäste nach Unterburg lockte, die ansonsten nie den Weg dorthin gefunden hätten; und auch das wunderbare Buch von Olaf Link zu historischen Solinger Restaurants und Hotels, weiß so manches Lied vom alten Burger Glanz zu singen.
 
 
Neuer Wind in Burg?
 
Und so freute es mich sehr, in der Lokalpresse vor einigen Wochen die Ankündigung zu lesen, dass man sich zusammen tut in der Gastronomie des Stadtteils, gemeinsam auftreten möchte und Dinge angehen. Das klang ambitioniert und gut!
 
Eine gemeinsame „Küchenparty“ war geplant, ein Menüabend mit fünf Gängen als Forum für den Austausch mit Gästen und der Gastronomie, als Startschuss für eine Interessengemeinschaft und weitere Initiativen - und ich entschied gerne teilzunehmen .
 
„Ich werde dies mit meinen Mitteln unterstützen, so gut ich kann und habe bereits Kontakt aufgenommen, es wird mir eine Freude sein, hier am Ball zu bleiben und zu berichten.“ schrieb ich dazu motiviert an anderer Stelle, und meinte das vollkommen ernst.
 
Was es geben würde, das verriet man vorab nicht, nur die Zahl der Gänge: 65 Euro wurden hierfür aufgerufen, die ich gerne per Vorkasse entrichtete.



Das schürte jetzt keine realitätsfernen Gourmet-Dining Erwartungen, sondern eher den Wunsch nach klassischer Gutbürgerlichkeit in gepflegt und gut, wobei positive Überraschungen natürlich immer willkommen sind: und die sollte es auch zuhauf geben, leider wenig erfreuliche.
 
Die teilnehmenden Betriebe im Einzelnen:
 
·  Zur Schönen Aussicht         
·  Zum Burgnarr
· Zum Rittersturz       
· Waffelhaus – Bergischer Löwe
·  Vintage Werkstatt
· Bergische Grillakademie
 
 
Am Ort des Geschehens
 
Lange war ich nicht mehr auf dem Areal der Burg, obwohl ich zwischen 2014 und 18 beruflich bedingt hunderte Male an ihre vorbeifuhr, auf dem Weg von und zur A1, meiner damaligen Pendlerroute.
 
Ich freute mich über den seit der Kindheit so vertrauten Anblick, als ich meinen Wagen auf dem oberen Parkplatz des Schlosses abstellte und einige Momente verweilte.
 
Der Weg zum ausrichtenden Restaurant „Zur Schönen Aussicht“ war nicht weit, durch das Tor und die äußeren Wehranlagen gegangen ist man schnell im Inneren und kann von hier oben so manchen vertrauten Ausblick genießen, der an diesem trüben Tag in der Dämmerung jedoch jeweils wenig postkartentauglich schien.


 
Vor dem Haus warteten bereits einige Gäste auf Einlass, ich machte noch ein paar Fotos als ein Herr im Narrenkostüm aus dem Nachbarlokal „Zum Burgnarr“ trat, es war Lukas van Hove, mit dem ich bereits kurz in Sachen des Tickets telefoniert hatte, laut eigener Aussage der Initiator der Interessengemeinschaft.
 
Er ist der Wirt des Burgnarr und seit 2020 in Oberburg, bereits vor über 30 Jahren war er in Burg in der Gastronomie tätig, zwischenzeitlich lange in seiner Belgischen Heimat, und nun wieder im Bergischen ansässig.


 
Man hat das deutliche Gefühl, dass er seine Narrenrolle liebt und sieht sich selbst als Markenzeichen seines Betriebes, der wie alle Lokale in Oberburg in erster Linie Tagestouristen u.a. mit Waffeln und dem regionalen „Signature Dish“, der opulenten Bergischen Kaffeetafel, versorgt, ein abendliches à la carte Geschäft gibt es schlicht nicht.
 
Als Gag für die Tagestouristen und ihre Kinder und Enkel sicher völlig OK, aber an so einem Abend über Stunden,
empfand man das mit der Zeit doch als etwas kindisch.

Das Ambiente der „Schönen Aussicht“ stimmte nostalgisch, hier kann man noch die goldenen Burger Zeiten erahnen, die schöne Decke, die Leuchter, dieser herrliche Blick aus der Fensterfront.


 
Hier könnte man so viel draus machen, aber nicht nur Dinge wie völlig deplatzierte Dekoration in Form eines Vogelhäuschens mitten im Gastraum ließen einen stirnrunzelnd innehalten.
 
Dass die Räume unter einem erheblichen Renovierungsstau leiden, man dem abgewetzten Teppich und den von abgeplatzter Farbe geplagten Sockelleisten auf weite Entfernung ansieht, dass hier Jahrzehnte nicht renoviert wurde, ist das eine.


 
Falls vorher der Wille oder das Kapital für einen großen Wurf nicht vorhanden waren, kann man sicher nicht erwarten, dass man nur auf diesen Abend blickend plötzlich Unsummen locker macht. Hat auch niemand.
 
Aber warum wir an der Fensterfront, an einem Abend, an dem man sich als Gastronomie im Stadtteil präsentieren möchte, allen Ernstes an Tischen mit transparenten Plastiktischdecken (zum Schutze der eigentlichen Tischdecke darunter), die im hektischen Ausflugsgeschäft sicher Sinn machen, sitzen musste, hat dann wirklich niemand mehr verstanden.
 
Nichts war in irgendeiner Form eingedeckt, die „Tischkultur“ bestand im Setup des Tagesgeschäftes: Salz- und Pfefferstreuer, ein Oldschool Zuckerstreuer und ein winziger Teelicht-Leuchter – eine Zeitreise in die Kindheit, mehr Retro geht nicht.
 
Die zahlreich erschienen – meine Karte trug die Nummer 83 - Gäste wurden eingelassen und ich sollte unfassbares Glück mit meiner Tischgesellschaft haben, ein freundliches, aufgeschlossenes Ehepaar aus Hückeswagen. Sie kochen beide gerne, gehen für ihr Leben gerne essen, wir kamen schnell ins Gespräch und siehe da: die Dame nahm vor vier Jahren mal mit großem Erfolg bei „Land & Lecker“ des WDR teil und was sie von ihrem Menü berichtete klang wirklich mundwässernd – und sah auch so aus, habe natürlich längst in die Mediathek geschaut und mir die Folge einverleibt.
 
Auch waren wir uns einig, was die Erwartungen diesen Abend betreffend anging: auch sie hatten schlicht keinerlei hohe, sondern würden sich, genau wie ich, über solide regional-gutbürgerliche Küche freuen, die erkennen lässt, das man sich Mühe gegeben hat.  
 
| Amuse |
 
Schon beim Sektempfang musste ich mich wundern. Ich erhielt eine fruchtig-zuckersüße, wenig ansprechend temperierte Angelegenheit, die mich rückblickend gar zweifeln lässt, ob man mir nicht aus Versehen eine der alkoholfreien Frucht-Secco Alternativen von van Nahmen gereicht hatte, es menetekelte da schon gewaltig.


 
Nach auffallend langer Wartezeit, begleitet von Begrüßungsreden, sollte es dann losgehen: Ich machte noch ein Foto der meisten Beteiligten und muss dazu sagen, dass auf menschlicher Ebene schon deutliche Sympathien da waren und sind von meiner Seite, insofern soll mein ehrliches Feedback zur gastronomischen Leistung an diesem Abend, mit dem ich mitnichten alleine dastehe, bitte nicht persönlich genommen werden: möge es der Verbesserung dienen.
 
Mit einem kleinen Löffelgericht zu starten war sicher keine schlechte Idee. Auf den glänzenden Plastikgrund des Tisches stellte – dieser Gang wurde serviert – man eine Mozzarella Kugel auf einem Fundament von Pesto Genovese, darüber gab man etwas dünnen Balsamico sehr überschaubarer Qualität und etwas Schnittlauch.


 
Das hauptsächliche Problem war, dass der recht trockene und bissfeste Mozzarella in etwa die Größe eines Golfballs hatte, man konnte das schlichtweg nicht in einem Bissen verspeisen.
 
Also knabberten viele, auch ich, ratlos die Kugel von oben an, hatten dadurch anfänglich gar keine Chance, das Pesto wie vorgesehen zusammen mit dem Käse zu essen.
 
Den Fehler bemerkend wurden hektisch an alle Gäste Kuchengabeln verteilt, die dankbar angenommen wurden, es war das erste Mal, dass ich einem Löffelhappen mit zusätzlichem Besteck zu Leibe rücken musste.
 
Was ich nicht verstehe ist, warum man das vorher nicht selbst bemerkt hat, auch weil viele ältere Gäste erwartbar waren und gepflegte seniorige Damen renken sich eher selten gerne den Kiefer aus.
 
Das Pesto sehr käselastig und etwas bitter, florale, ätherische Basilikum-Frische war kaum zu vernehmen, nun ja, der Abend war ja noch jung.
 
Auch noch erwähnenswert: es gab keinen Service, man bekam eine „Verzehrkarte“ – Getränke waren nicht inkludiert, eine 0,75l Flasche Mineralwasser kostete 6,50€ - und musste sich am Tresen selbst versorgen, auch dies eine merkwürdige Angelegenheit.
 
 
 
| 1. Gang |
 
Antipasti
(Vintage Werkstatt)

Die Vintage Werkstatt betreibt ein Café und ein Backhaus, dass die zum Antipasti-Teller gebotenen Pizzabrötchen in der Anmoderation des Gangs allen Ernstes als am „Nachmittag frisch gebacken“ angepriesen wurden, amüsierte meinen männlichen Tischnachbarn aus Hückeswagen sichtlich.
 
In einem Nebenraum wurde angerichtet, da es dort keine Deckenlampen gibt und ich Essen nie mit Blitz fotografiere war die gelblich schummrige Lichtsituation – wie überhaupt den ganzen Abend über – eine Herausforderung.
 
Die Gäste wurden gebeten, sich ihre Teller selbst abzuholen und eine lange Schlange stand alsbald quer durch den Gastraum.


 
Ein sehr gesunder Teller; Käse, Schinken, oder etwas aus dem Meer? Fehlanzeige. Genau wie Geschmack, eine flache, gemüsige Melange mit den üblichen „Verdure“ mit bitterem Grundton. Dazu ein nichtssagender Kräuterquark und kalte, trockene kleine Pizzabrötchen mit eher fester Krume.


 
Am Tisch machte sich da doch schon deutlich erste Ernüchterung breit, ich glaube jeder der gerne kocht, hätte mit Leichtigkeit für deutlich mehr Freude auf dem Teller sorgen können. 
 
 
| 2. Gang |
 
Wurzelgemüsesuppe mit Kräuterflädle
(Waffelhaus – Bergischer Löwe)
 
Als mir der Koch in einem kurzen Gespräch beim Empfang verriet, was es als Suppe geben würde, freute ich mich. Irgendwie dachte ich an meine Lieblingssuppe aus Süddeutschland, die heißgeliebte Pfannkuchen- bzw. Flädlesuppe.


 
Auch die Suppe stand zur „Abholung bereit“, aber anstatt einer kräftigen, ehrlichen Brühe mit fluffigen Pfannkuchenstreifen  erhielt ich in erster Linie eine Terrine mit matschigem Wurzelgemüse, die mich rätseln ließ, ob dies ein Eintopf sein solle oder was da passiert ist.
 
Die spärlich vorhandene Brühe: eine dünne, tomatisierte Angelegenheit ohne Kraft und Tiefe.
 
Das Ganze an der Grenze zur Ungenießbarkeit, Fassungslosigkeit am Tisch, aus Höflichkeit wurden ein paar Löffel probiert, das meiste ging zurück, an anderen Tischen sah es nicht viel anders aus.
 
Ich habe keine Idee, warum man so etwas schicken konnte. War das Naivität oder schlichtweg Dilettantismus?
 
Was hätte man für schöne Suppen präsentieren können, ohne Chi-Chi jeder Art, so etwas jedoch macht schlicht fassungslos.

Zum kulinarischen Niveau der Suppe passte leider auch die Reaktion des Kochs, als er nach der Zufriedenheit fragte. Ich ließ ihn vorsichtig wissen, das Ganze habe eher an einen matschigen Eintopf denn eine Suppe erinnert und hörte: "Dann gibt es demnächst noch ein Glas Wasser dazu, dann haben sie Brühe!"

Ohne Worte.
 
 
 
| 3. Gang |
 
Chicorée und Räucherlachs im Blätterteig
(Zum Burgnarr)
 
Vor dem Gang nutzte Lukas von Hove genüsslich die Bühne, die ausufernde Käpt´n Blaubär „Legende“, die er sich für sein närrisches Alter Ego zurechtgelegt hat, zum Besten zu geben.
 
Das Kostüm habe er auf dem Dachboden der Großmutter gefunden, er sei der legitime Nachfahre eines echten höfischen Narren, genau habe ich es nicht mehr in Erinnerung.
 
Angerichtet wurde nun wieder in dem schummrigen Nebenraum ohne Deckenlampen, wieder begann die geduldige Schlacht am Buffet.
 
Das Gericht stehe so nicht auf der Karte, sei aber „für festliche Gelegenheiten“ vorbestellbar, der Chicorée klang wie eine Reminiszenz an die Belgische Heimat, wo gebackener Chicorée eine Art Nationalgericht darstellt, dann aber mit Schinken und Tomatensoße, nicht im Blätterteig.


 
Vielleicht hätte man gut daran getan, gebackenen Chicorée klassisch belgisch zu servieren, das hätte – mutmaßlich – sehr viel besser geschmeckt.
 
Die Teller waren nicht vorgewärmt, von Knusprigkeit war nichts zu vernehmen, im Inneren feuchte Teigigkeit, das naturgemäß leicht bittere Gemüse und eine homöopathische Menge Räucherlachs.
 
Ach ja, wer wollte bekam noch, à la Gulaschkanone direkt aus dem Topf, am Buffet eine Kelle Bernaise über sein Blätterteig-Konstrukt, von dieser erinnere ich außer einer Kleister-Konsistenz nur noch Unmengen kleiner, harter Estragonstücke: hatte man einen ganzen Strauch mit Stumpf und Stiel geschreddert?
 
Ich muss gestehen, dass ich warmen Räucherlachs überhaupt nicht mag, um es höflich zu formulieren, aber auch dies ausblendend war in diesem faden, lauwarmen, teigig-feuchten Gebilde weder Geschmack noch Genuss zu entdecken. Und nachdem, was ich heute erfahren habe, melde ich auch erhebliche Zweifel daran an, dass es kein Fertigprodukt war. Der Verdacht beschlich mich ohnehin schon an diesem Abend.
 
Ich verstehe nicht, warum man nicht auf ein schönes Schmorgericht gesetzt hat, das gerade an so einem Bankett-Abend bei wenig Erfahrung in diesem Metier doch wesentlich unkritischer zu handeln ist.
 
So langsam hakte ich die Veranstaltung als lokalpatriotische Goodwill-Aktion ab, was meine Anwesenheit anging, das war doch stark ernüchternd.
 
 
 
| Sorbet |
 
Cassis-Sorbet
(Zur Schönen Aussicht)
 
Angesichts der bisherigen Eindrücke überraschte es doch sehr, dass man zur Neutralisierung vor dem Fleischgang mit einem Sorbet aufwartete. Ein Beispiel dafür, in dem aufblitzte, dass man sich durchaus auch Gedanken gemacht hat, fand ich gut.



Ob es hausgemacht war oder nicht ist bei Sorbet nur schwer zu beurteilen, zu gut sind manche Convenience Produkte in dieser Hinsicht.
 
Auch wenn es etwas zu fest war für meinen Geschmack, konnte man das durchaus mit Genuss verspeisen, wobei ich gestehe, das Cassis-Sorbet eines meiner absoluten Lieblings-Sorbets ist.
 
 
 
| 4. Gang |

Flanksteak mit Kartoffelgratin und Tomaten-Mango-Minz-Salsa
(Bergische Grillakademie)
 
 
Nun war es Zeit etwas frische Luft zu schnappen, ich entdeckte neben dem Haus den kleinen Pavillon der Bergischen Grillakademie, kam mit deren Chef Maik Herr und seinem Mitarbeiter ins Gespräch und schloss die beiden direkt ins Herz.


 
Seit 2016 gibt es die Akademie schon, man bietet eine Vielzahl von Grillseminaren und Catering, im „Drei Linden“ in Unterburg möchte man zukünftig auch einen Restaurant-Betrieb bieten, das alles klang motiviert und ideenreich.
 
„Hey, du bist doch der Shaney oder?“ hörte ich kurz darauf eine freundliche Stimme fragen, sieh an, eine Facebook-Freundin, eine Solinger Malerin, wir waren uns noch nie begegnet.
 
Was für eine grundsympathische, lebensfrohe Person, sie erzählte von ihrem Atelier und von Veranstaltungen, die sie dort gelegentlich organisiert: im Juni gibt es ein Whiskey-Tasting, da bin ich natürlich gerne dabei.
 
Sie war u.a. mit ihrer 14-jährigen Tochter vor Ort, die selbst schon gerne und gut kocht, wie ich kürzlich auf einem Foto sehen konnte, das die stolze Mama nur zu gerne postete.
 
Bis zum Servieren des Gangs der Grillakademie sollte es sich noch lange hinziehen, das Kartoffelgratin brutzelte noch in den mit glühenden Kohlen bedeckten Dutch Ovens und das Fleisch kam erst später auf den Grill.


 
Was dann passierte tat mir sehr leid für das Gericht, aber ich muss sagen mit Blick auf das Vermögen, als Gastronomen einen solchen Abend stemmen zu können, bin ich geradezu fassungslos.
 
Das Gericht sei eines ihrer beliebten sagten sie mir. Und ja, ein zartes Flanksteak frisch vom Grill, dazu ein klassisches Gratin aus dem Dopf (Dutch Oven), eine Tomaten-Mango-Minz-Salsa, dazu ein Balsamico-Jus, etwas Parmesan und ein Pfeffermix mit roten Beeren – das klang gut und ansprechend.
 
Dass die Salsa mit ihren großen Stücken eher den Charakter eines Obst-Gemüse-Salates hatte und in keiner Weise als Dipp oder Sauce funktionierte war da noch das kleinste Problem.


 
Man richtete die Teller im Vorraum an, dort wo man schon die Suppe aufbahrte. Man hatte keine einzige Wärmebrücke am Start, die Teller waren eiskalt und man richtete in Seelenruhe für alle Anwesenden an, bevor man zum „Essen fassen“ gerufen wurde.
 
Ich war nur wenige Momente später zurück an unserem Tisch und schon da war das komplette Gericht eiskalt: Fleisch wie Gratin.
 
Durch die vergangene Zeit hatte das Fleisch noch spürbar nachgezogen und war trocken und zäh und der Jus hätte in warm sicher auch besser geschmeckt.
 
Warum hat man sich nicht eine Wärmebrücke besorgt und dann tisch- bzw. etappenweise warm serviert, auf vorgewärmten Tellern? Das war schon unverzeihlich und ließ uns ratlos zurück.
 
Wie gesagt, am Gericht lag es nicht, denn die Idee ist gut und die Jungs von der Akademie verstehen zu Grillen, das war in erster Linie ein organisatorisches Fiasko.
 
 
 
| Dessert |
 
Baumkuchen
(Zur Schönen Aussicht)

Dieser Gang wurde, wie auch das Sorbet, am Tisch serviert und hey, das sieht ja richtig hübsch aus!
 
Angesichts dessen, was vorher teilweise auf den Teller kam, mutete das Ganze auf den ersten Blick gar an, wie eine Großtat aus der Sterne-Pâtisserie.


 
Hier hatte man sich Mühe gegeben und es sollte auch so gut schmecken, wie es aussieht. Der hausgemachte (!) Baumkuchen war saftig, der angenehm fest Himbeerschaum obenauf hatte die perfekte Textur und alles war stimmig austariert ohne einen mit Süße zu erschlagen.
 
Dazu noch ein wenig frische Himbeeren, eine Art Kakao-Crumble, ein Ornament aus weißer Schokolade schien die Waffel zu zitieren, dazu noch ansprechend drapierte Tupfer von Crème pâtissière.
 
Eine Wohltat nach diesem Vorspiel und mit Abstand der beste Gang des Abends, da kann die Schöne Aussicht wirklich stolz auf sich sein.
 
Wirklich klasse und ein Beispiel dafür, was viele sicher erwartet haben: mit Sicherheit kein Fine-Dining sondern bodenständige Dinge, bei denen man sich sichtbar Mühe gegeben hat.
 
 
 
Bei der Auswahl des angebotenen Digestifs war es dann aber schnell wieder vorbei mit Mühe und Anspruch: der Wirt des Rittersturz bot allen Ernstes zwei Party-Schnäpse an, darunter auch der „Kebekuss“, einem Pflaumenlikör, den die bekannte Kölner Komikerin zusammen mit Gaffel auf den Markt brachte.
 
Die meisten, auch unser Tisch, lehnten da gerne dankend ab, ein Schlusspunkt, der zwar irgendwie passte, aber auf eine traurige Art und Weise.
 
Es war spät geworden durch die langen Pausen, in denen ein örtliches Musiker-Duo für gelungene Rock-Pop Untermalung sorgte, die Stimmung war grundsätzlich gut, jedoch leerte sich der Gastraum nach dem Dessert spürbar schnell und rapide.
 
Fazit
 
Die Teeny-Tochter der Solinger Künstlerin hatte als begeisterte Jungköchin sogar schon einige meiner Beiträge gelesen - was für eine geschmackvolle kleine Lady!!!1! - und so kam sie gerne mit, als die Mama sich von mir verabschiedete.
 
„Hat es dir denn geschmeckt?“ fragte sie schüchtern und ich sagte ihr „jugendgerecht“ meine Meinung. Ihr hat es gar nicht gefallen: „Ich fand das hat fast alles nach nichts geschmeckt, da waren nirgendwo Gewürze!“ sagte die junge Dame leicht resigniert. Kindermund tut Wahrheit kund.
 
Vor dem Hintergrund, sich als Gastronomie in seinem Metier präsentieren zu wollen, gab es einfach zu viele unverzeihliche, eklatante Fauxpas.
 
Woran es lag? Naivität? Gastronomische Unerfahrenheit und Unvermögen? Man weiß es nicht, ich hoffe nur inständig, dass man aus seinen Fehlern lernt und diese meine Worte nicht als „Haar in der Suppe“ suchen auffasst, denn ich kam um zu Unterstützen und diese Zeilen sollen dazu dienen.
 
Zumindest ist in meiner Welt ehrliches Feedback dienlicher um Defizite auszumerzen, als der PR-Service-Artikel in der Lokalpresse, der diesen Abend zum Thema hatte.
 
Der hochbetage Redakteur im Unruhestand fabulierte in diesem von einem himmlischen, gelungenen Genussabend, dichtete dem Apero einen „Muscadet“ an und dem Dessert „heiße Himbeeren“, der blanke Hohn.
 
Aufgrund meiner Verbundenheit zu Burg werde ich den Burger Gastronomen natürlich jederzeit eine zweite Chance geben, denn die hat jeder verdient.

Ich bin dennoch froh über diesen Abend, habe Birgitt und Christof Backhaus kennengelernt, die übrigens auch unser GastroGuide Urgestein "kgsbus" von YouDinner persönlich kennen, klein ist die Welt, wir werden uns wiedersehen.

Und natürlich Janine die Malerin mit ihrem Töchterchen, manchmal sind Begegnungen rückblickend doch wichtiger als verunglückte Gastro-Events.


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