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Als wir neulich, wie immer rundum gesättigt und hochzufrieden, den altehrwürdigen Hubertushof zu Ilbesheim verließen, da waren wir uns einig, dass hier, unterhalb der kleinen Kalmit, unser kulinarischer Heimathafen liegt. Ein Ort, an den wir immer wieder gerne zurückkommen, um genussvoll den Abend zu verbringen. Hier vor Anker zu gehen, bedeutet für uns: Auftanken in jeglicher Hinsicht und mit allen Sinnen. Besonders natürlich mit dem Geschmackssinn.
In meinen beiden bisherigen Rezensionen habe ich detailliert vom Drumherum sowie den beiden Protagonisten am Herd (Jochen Sitter) und im Service (Sandra Bernhard) berichtet. Auch der grandiose Innenhof, der im Sommer zu einer der schönsten Weinterrassen der Pfalz mutiert, wurde nicht verschwiegen. Genauso wenig, wie die geschmackvolle Einrichtung der behaglichen Gasträume, die einen zum längeren Verweilen animieren. In dieser gepflegt niveauvollen Atmosphäre fühlten wir uns auch bei unserem letzten Besuch so richtig gut aufgehoben. Ein Umstand, der natürlich in erster Linie an der Servicechefin Sandra Bernhard liegt, die es versteht, ihre Gäste perfekt zu bedienen.
Mittlerweile gebe ich mich bei der Wahl des passenden Weins komplett in ihre sachkundigen Hände. Das, was sie mir aussucht, korrespondiert immer vortrefflich zu den Preziosen aus Jochen Sitters Küche. Irgendwie kam mir die noch raffinierter vor als sonst. Vielleicht liegt es ja daran, dass man den Mittagslunch auf den Samstag reduziert hat und sich nun besser auf das Abendgeschäft fokussieren kann. Wie dem auch sei, die Speisenkarte des Chefkochs bietet nach wie vor eine saisonal beeinflusste Kreativküche mit schmeckbarem Regionalbezug, ohne letzteren zu überspannen. Gerne wird auch in internationalen Gewässern gesegelt. Das Sushi-Angebot, das hier jeden Dienstagabend offeriert wird, ist ein eindeutiger Beweis dafür.
Zur flüssigen Einstimmung wählten wir die hausgemachte Quittenbowle (7 Euro) mit saftig eingelegten Fruchtstücken sowie den „Fusion free“ Bio-Traubensaft vom Jungwinzer Sven Leiner, dessen Weingut sich quasi in direkter Nachbarschaft zum Hubertushof befindet. Diese Demeter-Version eines „Kindersekts“ kam unheimlich spritzig und nicht minder fruchtig ins Glas. Ein alkoholfreier Aperitif für den lauen Sommerabend, der aber auch zur herbstlichen Jahreszeit gut funktionierte.
Zusätzlich zur Standardkarte gab es ein paar Tagesempfehlungen, die sich wie gewöhnlich auf einem schmalen Klemmbrett befanden. Das verlockende Angebot enthielt lediglich zwei Vor- und zwei Hauptspeisen – aber was für welche! Gerichte „außer der Reihe“, bei denen Küchenchef Sitter saisonal kreativ auftrumpfte. Lachforellenfilet aus dem Heißrauch mit Meerrettichgraupen und Blutwurstgeröstel (14 Euro) stand als Vorspeise deklariert ganz oben auf seiner Empfehlungsliste. Sein Faible für Asiatisches bestätigte der offerierte Thai Beef Salad mit Roastbeefstreifen, Gurke und Tomaten in pikant-würziger Koriander-Ingwervinaigrette (14 Euro). Da konnten wir uns bezüglich der Vorspeisen die Lektüre der normalen Speisenkarte schenken.
Als empfohlene Hauptgerichte fanden die Maishähnchenbrust mit Steinpilz-Zucchini-Gemüse, Schmelztomaten und Kürbispüree (23 Euro) sowie das Dry aged Ribeyesteak von der Färse mit Kräuterbutter, Steinpilzen und Röstkartoffeln (35 Euro) den Weg aufs Tagesangebot. Das klang doch schon sehr vielversprechend.
Beim Durchstöbern der Standardkarte stolperte ich über ein paar „Neuerungen“, die aufgrund meiner längeren Abstinenz wohl gar nicht mehr so aktuell sein dürften. Zusätzlich zum dreigängigen Überraschungsmenü (35 Euro), das traditionell mittwoch- und donnerstagabends den spontanen Gourmet zu begeistern weiß, stehen mittlerweile auch ein Tagesmenü sowie ein Vegi-Menü (beide ebenfalls in drei Gängen) für jeweils 37 Euro auf dem Standardspeiseplan. Das halbe Dutzend Vorspeisen mit deutlich erkennbarem Regionalbezug, aber dennoch weltoffen und vorwärtsgewandt interpretiert, zeugt von Einfallsreichtum im Umgang mit heimischen Spezialitäten. Steinpilze mit hausgemachten Buchweizennudeln, Schweinebauch mit Kürbis-Kimchi und mit Pfäler Reh gefüllte „Champignon-Macarons“ stehen exemplarisch für die originelle, mit internationalen Akzenten versehene Heimatküche von Herrn Sitter. Diese setzt sich auch bei den Hauptspeisen nahtlos fort. Fasanenbrust im Speckmantel auf Rahmsauerkraut, gegrillter Kürbis – wahlweise mit Iberico-Kotelett oder Seeteufelmedaillon, Ragout vom Pfälzer Reh mit frischen Waldpilzen sowie Wolfsbarschfilet mit Schnippelbohnen künden von zeitgemäß interpretierten Herbstklassikern.
Die Wahl fiel uns nicht leicht. An den beiden Vorspeisen der Empfehlungskarte führte jedoch kein Weg vorbei. Das war uns sofort klar. Meine Begleitung begeisterte sich für das Rehragout (19 Euro), während ich mir das Maishähnchen einzuverleiben gedachte. Mal schauen, ob dann noch Platz für ein kleines Dessert sein würde…
Die Küche grüßte an diesem Abend zweimal. Zuerst ganz offiziell mit einem sagenhaft intensiven Avocado-Basilikum-Dip und hausgebackenem Brot. Als zweiter kleiner Appetitmacher folgte ein „Versucherle“ von der Vorspeise des Tagesmenüs, den „Champignon-Macarons“. Der mit herzhafter Rehmasse gefüllte Pilzkopf thronte stolz auf seidiger Kürbiscreme. Umgeben von Perlzwiebeln, Senfkorngremolata und einem Schluck kräftiger Jus, war das eher ein kulinarischer Händedruck als ein Küchengruß. Ein saftig herbstlicher Leckerbissen, bei dem die verschiedenen Aromen ein wunderbar harmonisches Gesamtbild entstehen ließen. Eine Miniaturausgabe, die beispielhaft für die durchdachte Komponentenküche des Chefkochs stand. Die pikante Würze vom Rehfleisch ergänzte sich sehr gut mit der nussigen Süße des Kürbis, während die aromatische Jus zusammen mit den feinsäuerlich marinierten Senfkörnern und den Perlzwiebeln den Umami-Faktor vorantrieb. Großes Geschmackskino auf kleinem Teller – so konnte es weitergehen!
Frau Bernhard eröffnete die abendliche Weinreise mit einem trockenen Ruppertsberger Reiterpfad Riesling von Bassermann-Jordan (Deidesheim), der vor fruchtiger Mineralik nur so strotzte. Wenig später wurden die beiden Vorspeisen serviert.
Wie exakt in der Küche der ehemaligen Postkutschenstation – schon zu Vaubans Zeiten diente das Fränkische Gehöft als Ort der Einkehr für hungrige Nachrichtenübermittler – gearbeitet wird, war sehr schön am heißgeräucherten Lachsforellenfilet zu sehen. Da hatte ich mit meiner Vorspeise voll ins Schwarze getroffen. Das perfekt gegarte Fischfilet lag auf schlotzigem Graupenrisotto, das herrlich nach Meerrettich duftete. Angebratene Blutwurstwürfel und crunchige Croutons vom Vinschgauer Brot peppten das Ganze texturell noch etwas auf. Frisch geriebener Meerrettich und marinierte Senfsaat verliehen diesem Hammergericht noch den letzten kulinarischen Kick. Vielleicht das beste Entree, das ich 2017 auf dem Teller hatte.
Nicht minder ausdrucksstark im Aroma, aber doch ganz anders in der Zubereitung, war der Thai-Beef-Salat, für den sich meine Begleitung entschied. Seine hervorragend gewürzten Roastbeefstreifen waren perfekt gebraten und dementsprechend saftig. Tomaten- und Gurkenstückchen steuerten Frische bei. Die Koriander-Ingwervinaigrette verlieh dem Gericht seinen asiatischen Touch. Durchdachte Fusion-Cuisine mit Schmackes, aber ohne viel Schnickschnack auf dem Teller. Das Lob meiner Begleitung ließ nicht lange auf sich warten.
Da wir uns beide für Fleisch entschieden hatten, tauschte Frau Bernhard die Weingläser und kredenzte uns eine himmlisch duftende 2014er Rotweincuvée. „Das kleine Kreuz“ von der Freinsheimer Weinbruderschaft Frings stellte sich als adäquater Begleiter des Rehragouts und des Maishähnchens heraus.
Meine anfängliche Skepsis gegenüber dem Kürbispüree wurde ja schon vom bereits beschriebenen Extra-Amuse komplett zerstreut. Aus der knusprigen Maishähnchenbrust Supreme ragte trotzig der Oberknochen des Flügels. Das Kürbispüree duftete leicht asiatisch nach Koriander und das Steinpilz-Zucchini-Gemüse lieferte den aromatischen Unterbau dieses Tellers. Ein paar geschmolzene Cocktailtomaten steuerten etwas frische Säure bei, während sich die dunkle Jus für geschmacklichen Tiefgang verantwortlich zeigte. Schon beim ersten Anschnitt durch die resche Haut des Nobelgeflügels war klar, dass hier der ideale Gargrad getroffen wurde. Vom ersten knackigen Steinpilz bis zum letzten Tropfen von der Jus ein gelungenes Beispiel für saisonale Kreativkost mit Pfiff.
Auf dem Teller gegenüber ging es deutlich süffiger zu. Beim lang geschmorten, zarten Rehgulasch wurde nicht mit dunkler Sauce gespart. Die aromatischen Waldpilze flankierten das Wildgericht à la Crème. Die passende Fruchtsüße erhielt der Wildgang durch eingelegte Preiselbeeren. Ein rundum stimmiger Teller, der kompositorisch seriös und äußerst schmackhaft zubereitet war.
Als hätten wir noch Platz im Magen, orderten wir munter den Brownie mit salzigem Erdnusskaramell, Kirschen und Vanille-Eis (9 Euro) zum Nachtisch. Die Kalorienbombe, die wie eine Intensiv-Version des Schoko-Riegels „Snickers“ anmutete, wurde natürlich geteilt. Die Kugel Vanille-Eis wurde auf unseren Wunsch hin vom hausgemachten Sauerrahmeis, das eigentlich zu den „Rostigen Rittern“ mit Zwetschgen gereicht wird, ersetzt. Hier gingen fruchtige Säure (Kirschen), salzige Süße (Erdnusskaramell) und cremige Frische (Sauerrahmeis) eine fast schon obszön leckere Liaison ein.
Wie schön, dass wir so einen genussvollen Abend bei Sandra Bernhard und Jochen Sitter im urig-gemütlichen Fachwerkhaus mitten in Ilbesheim erleben durften. Und vielen Dank für die kleinen kulinarischen „Gedächtnisstützen“, die uns einmal mehr verdeutlichten, wo wir uns in der Pfalz am wohlsten fühlen.