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Ausschließlich ältere Semester waren zugegen, was z.B. an der schönen, aber teuren Weinkarte gelegen haben könnte. Oder vermutlich an der Nachbarschaft. Le Flair heißt auch das riesige Konversionsprojekt mit sündhaft teuren Wohnungen und Büros. Mein kroatischer Taxifahrer kannte zwar noch Tito persönlich, aber das Le Flair nicht. Er ließ mich beim ersten Lokal raus und Hey! nur noch 1 Kilometer zu laufen. Tut ja auch gut. So in der Hitze…
Dabei betreiben Chefkoch Dany Cerf und seine Frau Nicole Bänder als Gastgeberin ihr französisches Restaurant schon seit 10 Jahren, 2019 wurde ein Relaunch hin zu einem skandinavischen, fast schon kühlen Look durchgeführt - Clean, Naturhölzer und Grautöne.
Der Service war jedenfalls gut drauf, Frau Bänder wurde von einem jungen Herrn unterstützt, der zwar am Anfang unsicher war, sich aber schnell eingroovte. Der wird seinen Weg in der Gastro machen.
Beim Aperitif gab es ein Missverständnis. Der Deutz Rosé sollte überwiegend Pinot Meunier haben, bestand aber zu 75% aus Pinot Noir. Da mir der nicht so schmeckt, nippte ich nur am Glas und musste es auch nicht bezahlen. Bravo, so werden auch kleine Fehler zu gelungener Eigenwerbung!
Im Le Flair wird ein einzelnes Menu du Moment angeboten, entweder fünf Gänge für 136€ oder deren vier für 109€. Wer statt der Dessert-Trilogie Käse von Maître Affineur Antony bestellt, zahlt 8€ Aufpreis. Ich wählte den Käse. Natürlich. Uuund die kleine Variante - schwer nachzuvollziehen, ich weiß! Aber Hamachi Ceviche hatte halt schon bei einigen Restaurantbesuchen des Jahres auf dem Speiseplan gestanden. Den gesparten Menüpreis investierte ich in eine Flasche. Burgunder. Weiß. Natürlich. Der 2015 Viré-Clessé aus dem Mâconais von Thevenet war eine schöne Entdeckung, mit 14% mehr üppig als mineralisch und durch den Stahlausbau hatte der Chardonnay keine Vanille- und Holztöne sondern eine tolle Würzigkeit.
Die Küche startete mit 3 Knabbereien in den Abend, die unterschiedlich ausfielen:
Eine verführerische Kümmelwaffel geriet handwerklich tadellos und geschmacklich sehr präsent. Dass ich Kümmel nicht mag, kann hier ja niemand wissen.
Die zart splitternde Kichererbsen-Zigarre mit Safran-Aioli als Füllung kam heiß, war knusprig und schmeckte einfach nur mollig.
Dagegen gefiel mir der Parmesan-Macaron mit Paprikacreme und Sardine nicht völlig. Kräftig-würzig ja aber immer breiiger werdend und im Abgang passierte geschmacklich nichts Neues mehr.
Umso besser zweierlei Brot mit französischer Beurre salée und griechischem Olivenöl zu genießen. Ein Olivenbrot überraschte mit überraschend fester Krume, aber der Sylter Sauerteig war so gut, dass ich mir ausdrücklich etwas Zeit ausbat, um die krosse, aber nicht harte Kruste und die luftige Krume mit genügend Zeit genießen zu können.
Bevor es mit dem Menü losging, schickte die Küche dieses sommerliche Amuse-Gueule, das farbenfroh eine Himbeer-Tomaten-Gazpacho mit Basilikum-Sorbet kombinierte. Schon temperaturbedingt führte das Kraut eine Weile, unterstützt durch die langanhaltende Fruchtsäure, bis sich schließlich die Tomate meldete. Eingebunden mit ein paar Tropfen Olivenöl und vervollständigt von etwas Meersalz war das ein perfekter Gaumenschmeichler. Stark!
Da ich den kalten Auftakt verschmäht hatte, startete ich mit einem warmen Meeresfrüchte-Teller, der sich als Pasta tarnte! Die schmalen, superzarten Streifen Sepia waren (sicherlich nach einem vorherigen Garen, vielleicht sous-vide) kurz angebraten worden, was leichte, aber nicht vordergründige Röstaromen ergab. Umspielt von einer molligen Parmesancreme und ergänzt von perfekt knusprigen Würfeln Guanciale, die bis zuletzt ihren Knusper hielten, war das eine „Carbonara“ made in heaven, der das Wachtel-Eigelb zerfließend die Krone aufsetzte. Wenn überhaupt etwas, ließ dieses Meeres-Soulfood zum Ende hin die pfeffrige Schärfe des Originals vermissen. Aber das ist ja Geschmacksache.
Der folgende Fisch-Gang war „klassischer“, aber ebenso gut. Als „Tagesfang“ („aktuelles Angebot des Fischhandels“ klingt nur halb so gut…) gab es eine dicke Schnitte Steinbutt aus dem Ofen, natürlich saftig, getoppt von hauchzart blättrig aufgeschnittenen rohen Champignons. Ich finde ja, dass auf diese Weise das zurückhaltend erdige Aroma perfekt mit feinem Fisch matcht.
Der Butt thronte auf einem Bett von Tomaten-Brunoise, die statt mit Estragon mit Basilikum verfeinert waren, das nach bedachtem Kauen am Ende deutlich zum Vorschein kam. Für solche Aromenentwicklungen kann ich mich immer begeistern, zumal hier die Geschmacksreise gerade die umgekehrte Richtung des Amuse nahm. Apropos begeistern: Die klassische Beurre blanc verband mit zurückhaltender Säure alle anderen Mitspieler zu einem perfekten Gaumenkonzert (Ein Tickchen mehr Salz vielleicht? Vielleicht. Aber auch nur, wenn man unbedingt was zu meckern sucht!) Wer das nicht genießen kann, hat mein aufrichtiges Mitleid…
Und auch der Fleischgang brachte beste, rustikale „Seelen-Nahrung“: Rumpsteak vom Nebraska-Rind, noch schön mit Fettdeckel. Saftig, in seiner festeren Struktur trotzdem zart, perfekt medium rare. Dazu sanft geröstete kleine Zwiebeln, süß und würzig, der schwäbische Traum im Rheinland. Aber das Beste waren confierte Kartoffelscheiben von Drillingen in einer Béarnaise-Sauce, gesondert gereicht. Freunde! Freundinnen! Diese Béarnaise - mit Estragon, Schnittlauch und Krusteln… Ein Traum, da blieb nicht ein Tropfen im Schälchen!
Nachdem meine Genuss-Tränen der Rührung getrocknet waren, konnte ich mich formidablen Käseauswahl vom Meister aus dem Elsaß widmen:
Petit Fiancé, Ziege aus den Pyrenäen
Maroilles aus dem Nordosten der Picardie
Sainte-Nectaire aus der Auvergne, aber aus „fermier“ Produktion (Kollege Shaneymac erläutert auf Nachfrage gern…;-)
Gereifter Comté, nicht ganz so toll wie der Gruyere im Bistro Fatal, aber sehr nah dran.
Und als ein kleiner „Nachschlag“ noch ein Camembert aus der burgundischen Abbaye de Citeaux.
Heidewitzka, das war aber mal so gar nicht Käseplatte 08/15. Drei Sorten davon kannte ich bis dato nicht (Was bei der Vielzahl französischer Käse nicht verwunderlich ist, beim üblichen Angebot in den 1-Sternern umso mehr…). Eine schöne Palette von mild zu würzig, alle gereift und mit angenehm minimalistischer Begleitung von Brot, einigen Trauben und einem Viertel getrockneter Dattel.
Einziges Problem: Was dazu trinken, wenn ein edelsüßer weißer Vouvray im Angebot ist, aber auch der sehr geschätzte P.X. von Alvear immerhin aus dem Jahr 2000?
Frau Bänder löste das mehr als vorbildlich, indem sie beide kredenzte - und mich darauf einlud: Sehr feiner Zug, herzlichen Dank auch an dieser Stelle!
Mit drei kleinen, handwerklich tadellosen Petits Fours
- Haselnussfinancier, Apricotgelee, Schokocrossie -
endete mein am Ende doch gar nicht so kärglich ausgefallenes und vor allem „erstklassisches“ Menü im Le Flair. Küche und Service haben eine fehlerfreie, tolle Leistung gezeigt; der Flair der Räumlichkeiten muss nicht allen gefallen.
Ebensowenig wie das Umfeld: Auf dem Nachhauseweg durch den künstlich angelegten Park zwischen kalten Quaderbauten begegnete mir gegen 22.30 Uhr in der Hauptstadt des bevölkerungsreichsten Bundeslandes keine Menschenseele mehr. Surreal. Der Blick in einzelne erleuchtete Wohnzimmer zeigte viel Designer-Interieur, aber wenig Leben. Dass ich mal froh sein würde, wieder in die Bahnhofsgegend zu kommen, hätte ich auch nicht gedacht.